Adam geheimnisvolle Braut
Kapitel Eins
Dem fremdgehenden, hinterhältigen Dreckskerl zwischen die Augen zu schießen, war nicht die beste Idee, die sie je gehabt hatte. Schließlich gab es in Texas die Todesstrafe. Aber eine gut platzierte Kugel in jedes seiner Eier könnte funktionieren. War Lorena Bobbitt nicht ungeschoren davongekommen, nachdem sie ihrem Mann den Penis abgeschnitten hatte?
Margaret Colleen O’Brien blickte auf die Uhr in ihrem Armaturenbrett. Sie war die ganze Nacht durchgefahren und hatte währenddessen nach den befriedigendsten Möglichkeiten gesucht, sich an Jonathan J. Cox zu rächen. Ihm die Eier wegzuschießen war bis jetzt auf Platz eins.
***
Adam Farraday ließ seinen müden Körper in den Fahrersitz seines Pickup-Trucks fallen. Lange Nächte wie diese – ohne Zeit zum Schlafen – waren der absolute Horror. Doch wenn das Glück auf seiner Seite war, war die Euphorie am Morgen danach unbeschreiblich. Oder in diesem Fall kurz vor dem Morgen. Um sechs Uhr dreißig blinzelte die Sonne noch kaum über den Horizont. Er hatte gerade genug Zeit, um vor seinem ersten Termin für eine schnelle Dusche, neue Klamotten, eine Gallone Kaffee und dem letzten Stück Zimtstreuselkuchen seiner Tante Eileen zurück in die Stadt zu fahren.
Oder auch nicht.
Der Wagen am Straßenrand vor ihm war schnittig, rot und neigte sich auf eine Seite. Welcher Idiot fuhr mitten in der Nacht so ein Auto in diesem abgelegenen Teil des Landes? Er konnte es sich genau vorstellen: ein alternder Anwalt, der versuchte, seine Jugend hinter dem Steuer eines roten Sportwagens wiederzufinden. Und als ob das noch nicht genug war, musste der Idiot das auch noch im Viehzuchtgebiet von West-Texas machen.
So viel zu der Dusche und dem Streuselkuchen. Dem alten Mann – der vermutlich nicht einmal wusste, wo sein Ersatzreifen zu finden war – den Reifen zu wechseln würde wahrscheinlich so lange dauern, dass Adam froh sein konnte, wenn er es noch rechtzeitig zur Arbeit schaffte. Er fuhr an den Straßenrand und murmelte vor sich hin: „Gott, verschone mich vor diesen dummen Großstadtbewohnern.“
Nachdem er ein paar Meter hinter dem gestrandeten Sportwagen geparkt und den Motor abgestellt hatte, öffnete sich die feuerrote Fahrertür. Und ein Engel stieg aus.
Er blinzelte zweimal und kam zu dem Entschluss, nicht zu halluzinieren. Der Anblick vor ihm war definitiv kein glatzköpfiger Anwalt in der Midlifecrisis. Eine umwerfende Rothaarige in einem fließenden Kleid stand steif an der Autotür.
Er stieg aus seiner Fahrerkabine und ging in ihre Richtung. Sie lächelte ihn unsicher an und er bemerkte, dass sie sich fester an die Fahrertür klammerte. Mit seinen ein Meter sechsundneunzig war er auf einer verlassenen Landstraße im Niemandsland für jeden ein beängstigender Anblick, selbst für einen Engel. Nur dass dieser Engel keine Flügel hatte.
Je näher er der Frau kam, umso besser konnte er ihre Gesichtszüge erkennen. Augen so strahlend blau, dass er die Farbe selbst im schwachen Licht der Morgendämmerung erkennen konnte. Ihr Haar, das ihr bis zur Schulter ging, erstrahlte durch das Sonnenlicht in natürlichen Highlights. Noch ein Schritt und er sah noch klarer. Sein Engel war nicht nur eine Frau. Sie war eine Braut.
Was von ihrem Schleier noch übrig war, hing schief herunter, und angesichts ihrer verwischten Wimperntusche erwartete er nicht, irgendwo in der Nähe einen Bräutigam zu finden.
„Sieht aus, als hätten Sie ein paar Probleme.“
Ihre Augenbrauen schossen hoch und diese strahlend blauen Augen blitzten in einem stürmischen Grau auf. „Was Sie nicht sagen?“
Er dachte darüber nach, sich zu entschuldigen, auch wenn er nicht wusste, wofür. Also entschied er sich, ihr Verhalten zu ignorieren und sich nur um den Wagen zu kümmern. Je eher sie wieder auf der Straße war, umso schneller würde er seine heiß begehrte Dusche bekommen. „Haben Sie einen Ersatzreifen?“
„Im Kofferraum.“
Er machte sich auf den Weg zur Vorderseite des Wagens, legte den Hebel unterhalb des Lenkrads um und öffnete dann den Kofferraum. Er brauchte etwa dreißig Sekunden, die Sachen im Inneren, inklusive der einen Tasche, die sie bei sich hatte, zur Seite zu schieben, den Ersatzreifen herauszuheben, ihn auf dem Boden aufspringen zu lassen und ein Problem zu erkennen. „Sorry, Ma’am, aber wann haben Sie zum letzten Mal die Luft in diesem Reifen geprüft?“
Dieselben Augenbrauen, die vor einer Minute noch bis zu ihrem Haaransatz hinaufgeschossen waren, zogen sich zu einem scharfen V zusammen. Dann blies sie ein lautes Seufzen aus. „Das ist nicht mein Auto.“
Ookaay. Eine schnippische Braut in einem gestohlenen Auto. Einem gestohlenen Auto mit einem Platten. Welch ein toller Anfang für einen vermutlich sehr langen Tag. Er nahm seinen Hut ab, klopfte ihn an seinem Oberschenkel ab und atmete tief ein.
„Es ist seines“, sagte sie leise. Plötzlich nicht mehr so wild. Das Funkeln von aufkommenden Tränen war in ihren Augen zu erkennen, bevor sie sie wegblinzelte und sich wieder aufrichtete. Wieder gefasst. „Ein Hund.“
Adam ließ seinen Blick von ihrem Kopf bis zu ihren Zehen schweifen, wobei er eine kurze Sekunde an ihrem schönen Dekolleté innehielt, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder ihrem Gesicht zuwandte. „Zumindest hat er einen guten Geschmack.“
Ihre momentane Erzürnung über seine Blicke wich dem Ausdruck völliger Verwirrung. „Was?“
„Er hat einen guten, ähm, Autogeschmack.“
„Der Hund?“
„Wenn Sie das sagen.“ Obwohl sein erster Gedanke war, dass jemand, der einen solchen Hingucker davonlaufen ließ, ein absoluter Idiot sein musste. „Ich kann Sie und den Ersatzreifen in die Stadt mitnehmen. Ned wird den Reifen richten und Sie zurückbringen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich warte auf Tageslicht. Ich muss ihn finden.“
Adam blickte sich flüchtig um. Alles was er um sich herum sehen konnte, war der trockene Lehmboden von West-Texas. „Wen?“
„Den Hund!“, schnauzte sie heraus. „Ich muss ihn finden. Oder sie.“
Oder sie? „Ma’am, es war eine lange Nacht. Ich brauche dringend einen Kaffee und habe noch einen langen Tag vor mir. Wovon genau reden Sie?“
„Dem Hund.“ Sie deutete mit dem Arm in der Gegend herum. „Er – oder sie – kam aus dem Nichts und rannte mir einfach vor den Wagen. Ich bin ausgewichen, dabei habe ich einen Platten gefahren. Und nun stehe ich an dieser gottverlassenen Straße. Ich muss etwas erwischt haben … Oh, Gott.“ Sie lehnte sich an den Wagen. „Sie denken doch nicht, dass ich ihn angefahren habe, oder? Ich meine, ich weiß es nicht.“
Er hatte keine Zeit zu antworten, da seine Vision in Weiß sich vom Wagen weggedrückt hatte und auf der Suche nach … einem Hund davongestürmt war. Wenn der Hund von irgendjemandem so weit von zuhause weggelaufen war und sie ihn angefahren hatte, wodurch sie von der Straße abgekommen war, könnte das Tier irgendwo zusammengekauert hinter einem Felsen liegen und seine Wunden lecken, bis es langsam an seinen inneren Verletzungen verendete. Verdammt. Der Kreislauf des Lebens.
„Warten Sie“, rief er.
Sein Engel in Weiß hatte bereits ihr Kleid hochgehoben und die Schichten aus Stoff über einen Arm geworfen. So sehr sie ihr auch standen, Zehn-Zentimeter-Absätze waren keine akzeptablen Wanderschuhe. Zumindest war der trockene Lehmboden von Texas hart wie Stein, ansonsten wäre die Lady wie ein Golf-Tee bei jedem Schritt eingesunken. Das einzige potenzielle Risiko war, dass sie sich einen Knöchel brechen könnte.
Er griff nach ihrem Arm und hielt sie fest. „Was für eine Art Hund suchen Sie?“
„Ich weiß nicht.“ Ihre Augen suchten wieder die Gegend ab. „Nicht klein. Vielleicht mittelgroß oder etwas größer. Flauschiger Schwanz. Sie wissen schon, kein dünner Schwanz wie bei einem Labrador. Dunkles Fell. Zumindest denke ich das. Ich weiß nicht.“ Erneut sammelten sich Tränen in ihren Augen und sie wischte sich mit der Hand über die Wangen.
„Wissen Sie was?“ Adam zog ein Taschentuch aus seiner Brusttasche und reichte es ihr. „Das klingt für mich so, als hätten Sie einen Kojoten gesehen.“
Augenblicklich verwandelte sich ihr besorgter Gesichtsausdruck in leichte Furcht. „Einen Kojoten?“
Er verkniff sich ein Lächeln. „Die sind hier sehr verbreitet und wenn sie so einen gesehen haben, ist er vermutlich bereits weit weg und wohl auf. Aber …“ Er hob seine Hand, um sie davon abzuhalten, irgendwelche Einwände vorzubringen. „Nur für den Fall setzen Sie sich in meinen Truck – bevor Sie sich noch den Hals brechen, wenn Sie mit diesen Schuhen hier herumlaufen – während ich schnell die Gegend absuche und sicherstelle, dass hier nirgends ein verletzter Hund ist.“
Die Vision in Weiß öffnete ihren Mund, ohne Zweifel um zu diskutieren, doch kam nicht dazu. Da er sich nicht mit einem verletzten Hund und einer Frau mit gebrochenem Knöchel auseinandersetzen wollte, hob er sie wie ein Bräutigam, der seine Frau über die Schwelle tragen wollte, hoch, um sie in der Sicherheit seines Trucks zu verstauen.
Er verkniff sich ein Lächeln über ihren überraschten Aufschrei und dann den Wortschwall an Beschimpfungen, während sie ihm wiederholt auf die Schulter schlug.
„Lassen Sie mich runter!“, rief sie.
„In einer Sekunde.“
„Um Gottes Willen, ich kann selbst gehen!“ Ihre Beine wirbelten nun wie eine verrückt gewordene Schere herum, während sie weiter auf ihn einhämmerte und so laut kreischte, dass es vermutlich jedes Lebewesen von hier bis nach El Paso hören konnte: „Ich sagte, lassen Sie mich runter!“
Um sie davon abzuhalten, ihn weiter zu schlagen, warf er sie über die Schulter, riss die Tür seines Trucks auf und setzte die sich windende Frau in den Sitz. „Ich hole meine Tasche und suche nach dem Kojoten. Sie blieben hier.“
Er war hundemüde – oder wie seine Tante Eileen es ausdrücken würde, tot und zu dumm, um umzufallen –, doch falls seine fehlgeleitete Braut recht hatte und hier irgendwo ein verletzter Hund war, musste er ihn finden.
Sehr zu seiner Überraschung blieb seine ansonsten sehr redselige Braut still sitzen, während er die Hintertür der Fahrgastzelle öffnete und seine Arzttasche herausholte.
„Da!“ Sie deutete mit dem Arm und sprang aus dem Truck. „Oh, er humpelt.“
„Stopp.“ Adam streckte den Arm aus und packte sie, bevor sie davonlaufen und sich den Hals dabei brechen konnte, wer-weiß-was zu verfolgen. „Ich gehe. Sie bleiben hier.“
In der Ferne sah er einen sich langsam bewegenden Schatten. Zu groß für einen Kojoten. Verdammt. Sie hatte Recht gehabt. Irgendwie hatte sich ein Hund hier mitten ins Nirgendwo verirrt. Adam ging in die Knie und pfiff leise, dann rief er: „Hier, Junge.“
Der Hund hob den Kopf und Adam hätte, wüsste er es nicht besser, schwören können, dass der Hund ihm zunickte, bevor er sich umdrehte und wegging.
„Oh, er geht!“ Erneut trat sie vor, sichtlich bereit, dem Hund nachzulaufen. Und erneut musste er sie packen und umdrehen. „Wirklich, Miss, würden Sie bitte mich den Hund verfolgen lassen?“
Sie drehte sich in die Richtung des Tiers. „Aber er ist …“
Sie verstummte langsam und Adam folgte ihrem Blick. Der Hund war verschwunden. Die nächste Ansammlung von Steinen, hinter denen er sich hätte verstecken können, war viel zu weit entfernt. In den paar Sekunden, die er sich umgedreht hatte, hätte er es nie so weit geschafft. „Bleiben Sie hier. Bitte.“, wiederholte er.
Mit fest zusammengepressten Lippen nickte sie ihm zu und flüsterte dann leise. „Beeilen Sie sich, bitte.“
Die Sonne stieg höher über den Horizont und warf ein warmes Licht auf den trockenen Boden. Mehr als direkt nach dem Hund zu suchen, sah sich Adam eher nach etwas um, was der Hund als Unterschlupf benutzen konnte. Aber es gab nicht eine Sache, die groß genug war, um ein Tier dieser Größe zu verbergen. Er erreichte die Stelle, an der er den Hund zuletzt gesehen hatte. Keine Spuren. Er hatte ihn sich nicht eingebildet. Sie beide hatten das Tier gesehen. Er musste hier irgendwo sein. Oder nicht?
Ein paar Schritte weiter stoppte Adam, um zurückzublicken. Er konnte den Gesichtsausdruck der Braut nicht mehr erkennen, doch er konnte die Intensität spüren, mit der sie ihn und das brache Land um ihn herum beobachtete. Vermutlich war sie an ihrem Hochzeitstag sitzengelassen worden, bevor sie hier mitten im Nirgendwo des Viehzuchtgebiets von West-Texas gestrandet war, und doch galt ihre einzige Sorge einem verletzten Hund. Er musste nachsichtig mit diesem Großstadtmädchen sein. Selbst wenn sie in Zehn-Zentimeter-Absätzen und einem Hochzeitskleid hier herumstapfte.
Das brache Land um sich herum absuchend pfiff Adam mehrmals und wartete. Nichts. Kein Zeichen irgendeiner vierbeinigen Kreatur. „Okay, Kumpel. Wie bist du überhaupt hierher gelangt? Und wo zum Teufel hast du dich jetzt versteckt?“
Dem fremdgehenden, hinterhältigen Dreckskerl zwischen die Augen zu schießen, war nicht die beste Idee, die sie je gehabt hatte. Schließlich gab es in Texas die Todesstrafe. Aber eine gut platzierte Kugel in jedes seiner Eier könnte funktionieren. War Lorena Bobbitt nicht ungeschoren davongekommen, nachdem sie ihrem Mann den Penis abgeschnitten hatte?
Margaret Colleen O’Brien blickte auf die Uhr in ihrem Armaturenbrett. Sie war die ganze Nacht durchgefahren und hatte währenddessen nach den befriedigendsten Möglichkeiten gesucht, sich an Jonathan J. Cox zu rächen. Ihm die Eier wegzuschießen war bis jetzt auf Platz eins.
***
Adam Farraday ließ seinen müden Körper in den Fahrersitz seines Pickup-Trucks fallen. Lange Nächte wie diese – ohne Zeit zum Schlafen – waren der absolute Horror. Doch wenn das Glück auf seiner Seite war, war die Euphorie am Morgen danach unbeschreiblich. Oder in diesem Fall kurz vor dem Morgen. Um sechs Uhr dreißig blinzelte die Sonne noch kaum über den Horizont. Er hatte gerade genug Zeit, um vor seinem ersten Termin für eine schnelle Dusche, neue Klamotten, eine Gallone Kaffee und dem letzten Stück Zimtstreuselkuchen seiner Tante Eileen zurück in die Stadt zu fahren.
Oder auch nicht.
Der Wagen am Straßenrand vor ihm war schnittig, rot und neigte sich auf eine Seite. Welcher Idiot fuhr mitten in der Nacht so ein Auto in diesem abgelegenen Teil des Landes? Er konnte es sich genau vorstellen: ein alternder Anwalt, der versuchte, seine Jugend hinter dem Steuer eines roten Sportwagens wiederzufinden. Und als ob das noch nicht genug war, musste der Idiot das auch noch im Viehzuchtgebiet von West-Texas machen.
So viel zu der Dusche und dem Streuselkuchen. Dem alten Mann – der vermutlich nicht einmal wusste, wo sein Ersatzreifen zu finden war – den Reifen zu wechseln würde wahrscheinlich so lange dauern, dass Adam froh sein konnte, wenn er es noch rechtzeitig zur Arbeit schaffte. Er fuhr an den Straßenrand und murmelte vor sich hin: „Gott, verschone mich vor diesen dummen Großstadtbewohnern.“
Nachdem er ein paar Meter hinter dem gestrandeten Sportwagen geparkt und den Motor abgestellt hatte, öffnete sich die feuerrote Fahrertür. Und ein Engel stieg aus.
Er blinzelte zweimal und kam zu dem Entschluss, nicht zu halluzinieren. Der Anblick vor ihm war definitiv kein glatzköpfiger Anwalt in der Midlifecrisis. Eine umwerfende Rothaarige in einem fließenden Kleid stand steif an der Autotür.
Er stieg aus seiner Fahrerkabine und ging in ihre Richtung. Sie lächelte ihn unsicher an und er bemerkte, dass sie sich fester an die Fahrertür klammerte. Mit seinen ein Meter sechsundneunzig war er auf einer verlassenen Landstraße im Niemandsland für jeden ein beängstigender Anblick, selbst für einen Engel. Nur dass dieser Engel keine Flügel hatte.
Je näher er der Frau kam, umso besser konnte er ihre Gesichtszüge erkennen. Augen so strahlend blau, dass er die Farbe selbst im schwachen Licht der Morgendämmerung erkennen konnte. Ihr Haar, das ihr bis zur Schulter ging, erstrahlte durch das Sonnenlicht in natürlichen Highlights. Noch ein Schritt und er sah noch klarer. Sein Engel war nicht nur eine Frau. Sie war eine Braut.
Was von ihrem Schleier noch übrig war, hing schief herunter, und angesichts ihrer verwischten Wimperntusche erwartete er nicht, irgendwo in der Nähe einen Bräutigam zu finden.
„Sieht aus, als hätten Sie ein paar Probleme.“
Ihre Augenbrauen schossen hoch und diese strahlend blauen Augen blitzten in einem stürmischen Grau auf. „Was Sie nicht sagen?“
Er dachte darüber nach, sich zu entschuldigen, auch wenn er nicht wusste, wofür. Also entschied er sich, ihr Verhalten zu ignorieren und sich nur um den Wagen zu kümmern. Je eher sie wieder auf der Straße war, umso schneller würde er seine heiß begehrte Dusche bekommen. „Haben Sie einen Ersatzreifen?“
„Im Kofferraum.“
Er machte sich auf den Weg zur Vorderseite des Wagens, legte den Hebel unterhalb des Lenkrads um und öffnete dann den Kofferraum. Er brauchte etwa dreißig Sekunden, die Sachen im Inneren, inklusive der einen Tasche, die sie bei sich hatte, zur Seite zu schieben, den Ersatzreifen herauszuheben, ihn auf dem Boden aufspringen zu lassen und ein Problem zu erkennen. „Sorry, Ma’am, aber wann haben Sie zum letzten Mal die Luft in diesem Reifen geprüft?“
Dieselben Augenbrauen, die vor einer Minute noch bis zu ihrem Haaransatz hinaufgeschossen waren, zogen sich zu einem scharfen V zusammen. Dann blies sie ein lautes Seufzen aus. „Das ist nicht mein Auto.“
Ookaay. Eine schnippische Braut in einem gestohlenen Auto. Einem gestohlenen Auto mit einem Platten. Welch ein toller Anfang für einen vermutlich sehr langen Tag. Er nahm seinen Hut ab, klopfte ihn an seinem Oberschenkel ab und atmete tief ein.
„Es ist seines“, sagte sie leise. Plötzlich nicht mehr so wild. Das Funkeln von aufkommenden Tränen war in ihren Augen zu erkennen, bevor sie sie wegblinzelte und sich wieder aufrichtete. Wieder gefasst. „Ein Hund.“
Adam ließ seinen Blick von ihrem Kopf bis zu ihren Zehen schweifen, wobei er eine kurze Sekunde an ihrem schönen Dekolleté innehielt, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder ihrem Gesicht zuwandte. „Zumindest hat er einen guten Geschmack.“
Ihre momentane Erzürnung über seine Blicke wich dem Ausdruck völliger Verwirrung. „Was?“
„Er hat einen guten, ähm, Autogeschmack.“
„Der Hund?“
„Wenn Sie das sagen.“ Obwohl sein erster Gedanke war, dass jemand, der einen solchen Hingucker davonlaufen ließ, ein absoluter Idiot sein musste. „Ich kann Sie und den Ersatzreifen in die Stadt mitnehmen. Ned wird den Reifen richten und Sie zurückbringen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich warte auf Tageslicht. Ich muss ihn finden.“
Adam blickte sich flüchtig um. Alles was er um sich herum sehen konnte, war der trockene Lehmboden von West-Texas. „Wen?“
„Den Hund!“, schnauzte sie heraus. „Ich muss ihn finden. Oder sie.“
Oder sie? „Ma’am, es war eine lange Nacht. Ich brauche dringend einen Kaffee und habe noch einen langen Tag vor mir. Wovon genau reden Sie?“
„Dem Hund.“ Sie deutete mit dem Arm in der Gegend herum. „Er – oder sie – kam aus dem Nichts und rannte mir einfach vor den Wagen. Ich bin ausgewichen, dabei habe ich einen Platten gefahren. Und nun stehe ich an dieser gottverlassenen Straße. Ich muss etwas erwischt haben … Oh, Gott.“ Sie lehnte sich an den Wagen. „Sie denken doch nicht, dass ich ihn angefahren habe, oder? Ich meine, ich weiß es nicht.“
Er hatte keine Zeit zu antworten, da seine Vision in Weiß sich vom Wagen weggedrückt hatte und auf der Suche nach … einem Hund davongestürmt war. Wenn der Hund von irgendjemandem so weit von zuhause weggelaufen war und sie ihn angefahren hatte, wodurch sie von der Straße abgekommen war, könnte das Tier irgendwo zusammengekauert hinter einem Felsen liegen und seine Wunden lecken, bis es langsam an seinen inneren Verletzungen verendete. Verdammt. Der Kreislauf des Lebens.
„Warten Sie“, rief er.
Sein Engel in Weiß hatte bereits ihr Kleid hochgehoben und die Schichten aus Stoff über einen Arm geworfen. So sehr sie ihr auch standen, Zehn-Zentimeter-Absätze waren keine akzeptablen Wanderschuhe. Zumindest war der trockene Lehmboden von Texas hart wie Stein, ansonsten wäre die Lady wie ein Golf-Tee bei jedem Schritt eingesunken. Das einzige potenzielle Risiko war, dass sie sich einen Knöchel brechen könnte.
Er griff nach ihrem Arm und hielt sie fest. „Was für eine Art Hund suchen Sie?“
„Ich weiß nicht.“ Ihre Augen suchten wieder die Gegend ab. „Nicht klein. Vielleicht mittelgroß oder etwas größer. Flauschiger Schwanz. Sie wissen schon, kein dünner Schwanz wie bei einem Labrador. Dunkles Fell. Zumindest denke ich das. Ich weiß nicht.“ Erneut sammelten sich Tränen in ihren Augen und sie wischte sich mit der Hand über die Wangen.
„Wissen Sie was?“ Adam zog ein Taschentuch aus seiner Brusttasche und reichte es ihr. „Das klingt für mich so, als hätten Sie einen Kojoten gesehen.“
Augenblicklich verwandelte sich ihr besorgter Gesichtsausdruck in leichte Furcht. „Einen Kojoten?“
Er verkniff sich ein Lächeln. „Die sind hier sehr verbreitet und wenn sie so einen gesehen haben, ist er vermutlich bereits weit weg und wohl auf. Aber …“ Er hob seine Hand, um sie davon abzuhalten, irgendwelche Einwände vorzubringen. „Nur für den Fall setzen Sie sich in meinen Truck – bevor Sie sich noch den Hals brechen, wenn Sie mit diesen Schuhen hier herumlaufen – während ich schnell die Gegend absuche und sicherstelle, dass hier nirgends ein verletzter Hund ist.“
Die Vision in Weiß öffnete ihren Mund, ohne Zweifel um zu diskutieren, doch kam nicht dazu. Da er sich nicht mit einem verletzten Hund und einer Frau mit gebrochenem Knöchel auseinandersetzen wollte, hob er sie wie ein Bräutigam, der seine Frau über die Schwelle tragen wollte, hoch, um sie in der Sicherheit seines Trucks zu verstauen.
Er verkniff sich ein Lächeln über ihren überraschten Aufschrei und dann den Wortschwall an Beschimpfungen, während sie ihm wiederholt auf die Schulter schlug.
„Lassen Sie mich runter!“, rief sie.
„In einer Sekunde.“
„Um Gottes Willen, ich kann selbst gehen!“ Ihre Beine wirbelten nun wie eine verrückt gewordene Schere herum, während sie weiter auf ihn einhämmerte und so laut kreischte, dass es vermutlich jedes Lebewesen von hier bis nach El Paso hören konnte: „Ich sagte, lassen Sie mich runter!“
Um sie davon abzuhalten, ihn weiter zu schlagen, warf er sie über die Schulter, riss die Tür seines Trucks auf und setzte die sich windende Frau in den Sitz. „Ich hole meine Tasche und suche nach dem Kojoten. Sie blieben hier.“
Er war hundemüde – oder wie seine Tante Eileen es ausdrücken würde, tot und zu dumm, um umzufallen –, doch falls seine fehlgeleitete Braut recht hatte und hier irgendwo ein verletzter Hund war, musste er ihn finden.
Sehr zu seiner Überraschung blieb seine ansonsten sehr redselige Braut still sitzen, während er die Hintertür der Fahrgastzelle öffnete und seine Arzttasche herausholte.
„Da!“ Sie deutete mit dem Arm und sprang aus dem Truck. „Oh, er humpelt.“
„Stopp.“ Adam streckte den Arm aus und packte sie, bevor sie davonlaufen und sich den Hals dabei brechen konnte, wer-weiß-was zu verfolgen. „Ich gehe. Sie bleiben hier.“
In der Ferne sah er einen sich langsam bewegenden Schatten. Zu groß für einen Kojoten. Verdammt. Sie hatte Recht gehabt. Irgendwie hatte sich ein Hund hier mitten ins Nirgendwo verirrt. Adam ging in die Knie und pfiff leise, dann rief er: „Hier, Junge.“
Der Hund hob den Kopf und Adam hätte, wüsste er es nicht besser, schwören können, dass der Hund ihm zunickte, bevor er sich umdrehte und wegging.
„Oh, er geht!“ Erneut trat sie vor, sichtlich bereit, dem Hund nachzulaufen. Und erneut musste er sie packen und umdrehen. „Wirklich, Miss, würden Sie bitte mich den Hund verfolgen lassen?“
Sie drehte sich in die Richtung des Tiers. „Aber er ist …“
Sie verstummte langsam und Adam folgte ihrem Blick. Der Hund war verschwunden. Die nächste Ansammlung von Steinen, hinter denen er sich hätte verstecken können, war viel zu weit entfernt. In den paar Sekunden, die er sich umgedreht hatte, hätte er es nie so weit geschafft. „Bleiben Sie hier. Bitte.“, wiederholte er.
Mit fest zusammengepressten Lippen nickte sie ihm zu und flüsterte dann leise. „Beeilen Sie sich, bitte.“
Die Sonne stieg höher über den Horizont und warf ein warmes Licht auf den trockenen Boden. Mehr als direkt nach dem Hund zu suchen, sah sich Adam eher nach etwas um, was der Hund als Unterschlupf benutzen konnte. Aber es gab nicht eine Sache, die groß genug war, um ein Tier dieser Größe zu verbergen. Er erreichte die Stelle, an der er den Hund zuletzt gesehen hatte. Keine Spuren. Er hatte ihn sich nicht eingebildet. Sie beide hatten das Tier gesehen. Er musste hier irgendwo sein. Oder nicht?
Ein paar Schritte weiter stoppte Adam, um zurückzublicken. Er konnte den Gesichtsausdruck der Braut nicht mehr erkennen, doch er konnte die Intensität spüren, mit der sie ihn und das brache Land um ihn herum beobachtete. Vermutlich war sie an ihrem Hochzeitstag sitzengelassen worden, bevor sie hier mitten im Nirgendwo des Viehzuchtgebiets von West-Texas gestrandet war, und doch galt ihre einzige Sorge einem verletzten Hund. Er musste nachsichtig mit diesem Großstadtmädchen sein. Selbst wenn sie in Zehn-Zentimeter-Absätzen und einem Hochzeitskleid hier herumstapfte.
Das brache Land um sich herum absuchend pfiff Adam mehrmals und wartete. Nichts. Kein Zeichen irgendeiner vierbeinigen Kreatur. „Okay, Kumpel. Wie bist du überhaupt hierher gelangt? Und wo zum Teufel hast du dich jetzt versteckt?“