Daniel: Du bist mein Traum
Kapitel Eins
„Haben Sie heute etwas gefunden, was Sie gestern nicht gesehen haben?“
Als Paige Baron den Familienanteil an einem großen, aber erfolglosen texanischen Weingut übernommen hatte, war das Beste an dem ganzen Deal Clay, der Manager, gewesen. Er hatte sein Bestes getan, um das Weingut für die früheren Besitzer zusammenzuhalten, aber ohne die richtige Unterstützung hatte er nicht die geringste Chance gehabt, mitzuhalten, geschweige denn erfolgreich zu sein.
„Kann sein“, murmelte sie und gönnte sich noch ein paar Sekunden, um sicher zu sein.
„Legen Sie los.“ Clay, ein Mann der wenigen Worte, war schon im fortgeschrittenen Alter, aber er arbeitete härter als zwei Männer, die halb so alt waren wie er. Vielleicht sogar drei.
„Ich denke, es ist an der Zeit.“ Sie starrte auf einen kargen Streifen Land, der an das Grundstück der Barons angrenzte. Kurz nachdem Baron Enterprises das alte Weingut gekauft hatte, war Paige von einem Nachbarn angesprochen worden, der aus dem Grundstück, das sonst niemand wollte, ein Vermögen hatte machen wollen. Da sie eine Frau war, machten zu viele den Fehler, sie für einen Schwächling zu halten. Aber wichtiger als ihr Geschlecht war die Tatsache, dass sie eine Baron war. Ein Sinn fürs Geschäftliche gehörte einerseits zur Grundausstattung ihres Genpools. Andererseits war ihr Verhandlungsgeschick darauf zurückzuführen, dass sie jahrelang miterlebt hatte, wie ihre älteren Brüder das Familienvermögen von einem ohnehin schon beeindruckenden Wert in geradezu schwindelerregende Höhen gebracht hatten.
Es hatte eines langen Katz- und Mausspiels mit dem arroganten Nachbarn bedurft, aber am Ende hatten sie sich auf einen weniger unverschämten und sehr vernünftigen Preis geeinigt. Jedes Jahr, wenn sie die nächste Phase ihres Fünfjahresplans in Angriff nahm, begutachtete sie das Grundstück und dachte: noch nicht. An diesem Morgen, während sie auf der Veranda vor dem neuen Pavillon stand, meldete sich ihr Bauchgefühl zum ersten Mal zu Wort. Sie wandte den Blick von dem unberührten Land ab und schaute zu dem Mann, der seit dem ersten Tag ihre rechte Hand war. „Es ist drei Jahre her.“
Clay nickte ihr zu. Sie brauchte nichts zu erklären, er wusste, dass sie von ihrer preisgekrönten Hybridtraube sprach. Oder besser gesagt von dem, was hoffentlich eine preisgekrönte neue Mischung für das Weingut Baron werden würde.
Vor ihrem geistigen Auge sah sie die kahle Anbaufläche, die mit Reihen köstlicher, praller Trauben bedeckt war, die darauf warteten, zu einem edlen Wein verarbeitet zu werden. „Wir könnten eine limitierte Auflage machen.“ Das war ein weiterer Gedanke, der ihr im Hinterkopf herumschwirrte, während sie über den Wein nachdachte.
Clays Blick war zu den kahlen Hügeln gewandert. „Das könnten wir.“
An manchen Tagen hasste sie diese männliche Vorliebe für Ein-Wort-Antworten. „Oder?“
„Kein oder.“ Er schüttelte den Kopf und wandte sich ihr zu. „Das ist ein guter Plan.“
Das war es, was sie hatte hören wollen. Sie vertraute mehr auf ihr Bauchgefühl als auf sonst etwas, aber ein ermutigendes Wort von Clay half ihr sehr dabei, das große Ganze im Auge zu behalten. „Wir haben weitere Anfragen für sehr große Hochzeiten.“
„Die von Miss Eve war eine schöne Party.“ Der ältere Mann kannte ihre Schwester kaum länger als Paige, aber er hatte sich in die gesamte Familie verguckt.
„Ich glaube, es wird genug in der Kasse sein, um die neue Traube zu pflanzen.“
„Die französische Traube?“
Paige nickte. Jahrelange Reisen durch die französische Landschaft hatten sie mit vielen Winzern in Kontakt gebracht. Einige waren freundlicher als andere gewesen. Ganz wenige, die keine Konkurrenz durch die junge Amerikanerin gefürchtet hatten, hatten ihre Geheimnisse geteilt. Einer von ihnen, ein alternder Mann, der ihren Großvater wie ein junges Reh hatte aussehen lassen und der geschworen hatte, dass Paige das Ebenbild seiner längst verstorbenen Tochter wäre, hatte ihr versprochen, dass sie zu gegebener Zeit seine Stecklinge in die USA bringen könnte. Wenn alles so klappte, wie sie es sich erhoffte, würde sie in ein paar Jahren kräftige Rebstöcke haben, und dann, mit etwas mehr Zeit, könnte sie der Welt eine neue, beeindruckende Baron-Cuvée präsentieren. Allein der Gedanke daran verursachte ihr eine Gänsehaut.
„Bist du sehr beschäftigt?“ Die Stimme des Gouverneurs dröhnte laut über ihre Schulter.
Paige drehte sich um und umarmte ihren Großvater, wie sie es schon als kleines Mädchen getan hatte. „Ich habe immer Zeit für dich.“
Der alte Mann strahlte. „Gut, denn ich muss kurz mit dir reden.“
Clay räusperte sich. „Ich werde nach dem neuen Mädchen im Verkostungsraum sehen.“
Der ehemalige Gouverneur des großen Staates Texas stellte sich neben Paige. „Man munkelt, dass die Comets ihr Franchise verlegen wollen.“
Sie kniff die Augen zusammen, als sie gedanklich von Wein auf Sport umschwenkte und ein paar Sekunden länger brauchte, um den Teamnamen einzuordnen. „Hockey.“
„Ja. National Hockey League, also NHL.“ Ihr Großvater senkte leicht das Kinn. „Wir haben uns bemüht, ein Farmteam nach Houston zu holen, aber wenn wir die Comets an Land ziehen könnten …“
Er verstummte, aber Paige konnte das Funkeln in den Augen des Gouverneurs sehen. Sie hatte schon viele Geschichten aus seiner Kindheit gehört, als er die Winterferien mit all seinen Cousins und Cousinen im Haus seines Großvaters in Colorado verbracht hatte. Das Eishockeyspielen auf dem See war eine seiner schönsten Erinnerungen. Zweifellos konnte ihr Großvater eine Eisbearbeitungsmaschine in dem wenig genutzten Stadion sehen, alles für ein hochrangiges Spiel vorbereitend, und zwar so deutlich, wie sie sich das derzeit brachliegende Land voller üppiger Weinreben vorstellen konnte. Ihr Großvater war in vielerlei Hinsicht ein Visionär. Er hatte viele Jahre lang hart für seinen Bundesstaat gekämpft und setzte sich auch weiterhin für seine Stadt, seinen Bezirk und seinen Staat ein, wann immer seine Zeit und sein Geld vonnöten waren.
„Es wird nicht leicht sein, die Yankee-Besitzer im Norden davon zu überzeugen, dass die Golfküste der perfekte Ort für eine Umsiedlung ist.“
„Das Geld wird die Überzeugungsarbeit leisten.“ Das war eines der ersten Dinge, die sie als Baron gelernt hatte. Das zweite war gewesen, dass das Geld der Barons für das Allgemeinwohl eingesetzt werden sollte. Nicht immer eine leichte Aufgabe.
„Soweit ich weiß, leitet Daniel Dupree den ersten Prüfungsausschuss.“
„Der Name kommt mir bekannt vor.“ Sie konnte ihn allerdings nicht genau zuordnen.
„Kanadier. Er spielte für die Bruins, dann für die Comets. MVP-Torwart bei drei Stanley Cups in Folge. Seine Karriere wurde unterbrochen, als ein Autounfall eines seiner Beine zerquetschte. Man hat das Bein retten können, aber nicht seine Karriere.“
Ja, natürlich. „Er und sein Bruder spielten im selben Team. Mitch muss ihr größter Fan gewesen sein.“
Der Gouverneur nickte. „Soweit ich weiß, besucht Dupree persönlich die sich bewerbenden Städte.“
„Ist Houston eine davon?“
„Wir arbeiten daran.“
Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum, aber keiner erklärte, warum ihr Großvater dies ausgerechnet mit ihr besprach. Sie kannte sich mit Wein aus, allerdings nicht mit Hockey.
Er wippte vor und zurück und atmete leise aus. „Eines habe ich in meinem Leben gelernt, politisch korrekt oder nicht – eine Frau im Raum hilft, hitzköpfige Männer zivilisiert zu halten.“
„Vielleicht.“
„Nein, nicht vielleicht. Eve kann nicht teilnehmen, und Siobhan ist unterwegs, um Fotos von Afrikanischen Elefanten zu machen. Kann ich auf deine Hilfe zählen?“
Alles, was sie über Eishockey wusste, konnte sie praktisch in drei Sätzen abhandeln, aber wenn ihr Großvater der Meinung war, sie könnte helfen … „Auf jeden Fall.“
* * *
Zehn Städte und jetzt Houston. Daniel hatte den größten Teil der vergangenen Wochen gebraucht, um mehrere Städte aus dem Rennen zu nehmen und die beste, jetzt elf, herauszufiltern. Die meisten hatten hohe Ziele gehabt, allerdings nicht die finanziellen Mittel, die sein Team wollte. Sosehr es ihm auch missfiel, noch eine weitere Stadt auf die Liste zu setzen, anstatt diese zu kürzen, so hatte der Vorschlag aus Houston in letzter Minute doch alles, wonach das Team suchte. Einschließlich eines bereits gebauten Stadions, zwar etwas klein, aber für Eishockey geeignet. Es war nicht nötig, mit Gemeinden zu feilschen, um das Team in den Bundesstaat zu holen. Dennoch zog er einen Staat mit kälteren Temperaturen und ohne jährliche Hurrikans wie Utah oder Wyoming vor. Utah war auf der Liste geblieben, aber leider war Wyoming herausgefallen. Die Rechnung für einen Staat, in dem es mehr Antilopen als Menschen gab, war einfach nicht aufgegangen.
Ein bestehendes, ungenutztes Stadion war nicht das Einzige, was für Houston sprach. Daniel musste zugeben, dass der Gedanke an zwei Eishockeyteams, die die profitable Rivalität zwischen den beiden Teams aus Pennsylvania widerspiegelte, sein Interesse geweckt hatte. Die potenziellen Einnahmen würden jeden Menschen zum Sabbern bringen. Andererseits sprach der Mangel an Fans bei den letzten Spielen dafür, dass der Süden möglicherweise ungeeignet für mehrere Eishockey-Franchises war. Vielleicht.
„Bist du bereit?“ Kevin, Daniels rechte Hand bei diesem Projekt, stand in der Tür.
Daniel schaute auf seine Armbanduhr. Der Flug nach Utah ging in etwas weniger als vier Stunden. Gerade genug Zeit, um zum Flughafen zu fahren und sich durch die Sicherheitskontrolle zu quälen. „So bereit, wie ich nur sein kann.“
Kevin legte ein Stück Papier auf Daniels Schreibtisch. „Das kam gerade rein. New Mexico zieht sein Angebot zurück.“
Daniel sah auf das Blatt vor sich und nickte. „Wer hat es sich wohl anders überlegt?“
„Keine Ahnung.“
Daniel hatte sich von Anfang an gefragt, wie ein Staat mit nur wenigen Millionen Einwohnern auf die Liste hatte kommen können. Er war zu dem Schluss gekommen, dass jemand in New Mexico außergewöhnlich spendabel war. Jetzt fragte er sich, was ihn dazu gebracht hatte, seine Meinung zu ändern und sein Bankkonto zu sperren.
„Hast du die Daten für den Neuen?“
Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass Kevin Houston meinte und nicht irgendeine andere Stadt, die ihm die Eigentümer aufgedrängt hatten. „Ich weiß nur, dass Gouverneur Baron einer der Unterstützer ist. Das erklärt wahrscheinlich, warum Houston die einzige Stadt im Rennen ist, die die Kosten für ein Fünf-Sterne-Hotel aufbringen kann.“
„Texas ist sicher nicht der einzige Staat mit einer gut gefüllten Haushaltskasse.“
Daniel zuckte mit den Schultern. „Nein, aber es heißt, in Texas sei alles größer. Es wird interessant sein, zu erfahren, was man dort geplant hat.“
„Ich frage mich, ob sie dich in einer dieser Stretch-Limousinen mit Kuhhörnern auf dem Kühlergrill abholen werden …“
„Das bezweifle ich. Ich miete ein Auto. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass die Hörner nur von Stieren stammen.“
„Nö. Die Longhorn-Rinder haben alle Hörner. Bei ihnen gibt’s keine Geschlechterdiskriminierung.“
Daniel lachte. „Alles klar.“ Warum sein Assistent aus Brooklyn etwas über texanische Rinder wusste, war ihm allerdings schleierhaft.
„Willst du eine Aspirin?“
Erst bei Kevins Frage wurde Daniel klar, dass er sich das Knie rieb. Als der betrunkene Idiot, der die rote Ampel überfahren hatte, in die Fahrerseite seines Autos gekracht war und es über die Kreuzung gegen einen Laternenpfahl geschleudert hatte, hatte er gedacht, sein Leben sei zu Ende. Dank eines erstklassigen Trauma-Teams und seines brillanten Chirurgen hatte sein Leben gerettet werden können, nicht aber seine Karriere. Nach all den Jahren war es für ihn so normal, sich die Beschwerden in seinem linken Bein wegzureiben, dass er gar nicht mehr merkte, dass es ihm zu schaffen machte – erst, wenn Kevin in den Kümmerer-Modus wechselte. Für einen Mann war er ziemlich gut darin, Kleinigkeiten zu bemerken. „Nein, es ist nicht weiter wild.“
Sein Assistent sagte kein weiteres Wort über sein Bein, sondern überreichte ihm lediglich einen dicken Umschlag mit allen wichtigen Informationen für jede Stadt. Daniel hatte alles auf seinem Laptop, aber auf Flugreisen zog er es vor, es auf altmodischem Papier statt auf einem beleuchteten Bildschirm zu lesen. Seine primäre Aufgabe bestand darin, alles über den ehemaligen Gouverneur, den Ausschuss, die Stadt und weiteres, was ihm helfen würde, diesen Besuch rasch über die Bühne zu bringen, zu erfahren. Jemand mochte zwar den Ausschuss davon überzeugt haben, mehr Tage in Houston zu verbringen als in den anderen Städten auf der Liste, aber für ihn galt: Je schneller er diesen Besuch hinter sich bringen konnte, desto besser. Kopfschüttelnd stopfte er den Umschlag in seine Aktentasche. Wie zum Teufel konnte jemand erwarten, Eishockey und eine Million Grad Hitze neun Monate im Jahr erfolgreich zu kombinieren? Auch wenn zwei rivalisierende Teams innerhalb eines Staates durchaus ihren Reiz hatten, war er sich ziemlich sicher, dass er sich bereits entschieden hatte. Das Team brauchte kühle Temperaturen und eine Stadt, die für Eishockey brannte. In Houston gab es nicht genug Leute, bei denen man eine Begeisterung für Eishockey wecken könnte. Er bezweifelte, dass die riesige Stadt irgendwelche Überraschungen für ihn bereithielt. Nein, Houston würde definitiv die reinste Zeitverschwendung sein.
„Haben Sie heute etwas gefunden, was Sie gestern nicht gesehen haben?“
Als Paige Baron den Familienanteil an einem großen, aber erfolglosen texanischen Weingut übernommen hatte, war das Beste an dem ganzen Deal Clay, der Manager, gewesen. Er hatte sein Bestes getan, um das Weingut für die früheren Besitzer zusammenzuhalten, aber ohne die richtige Unterstützung hatte er nicht die geringste Chance gehabt, mitzuhalten, geschweige denn erfolgreich zu sein.
„Kann sein“, murmelte sie und gönnte sich noch ein paar Sekunden, um sicher zu sein.
„Legen Sie los.“ Clay, ein Mann der wenigen Worte, war schon im fortgeschrittenen Alter, aber er arbeitete härter als zwei Männer, die halb so alt waren wie er. Vielleicht sogar drei.
„Ich denke, es ist an der Zeit.“ Sie starrte auf einen kargen Streifen Land, der an das Grundstück der Barons angrenzte. Kurz nachdem Baron Enterprises das alte Weingut gekauft hatte, war Paige von einem Nachbarn angesprochen worden, der aus dem Grundstück, das sonst niemand wollte, ein Vermögen hatte machen wollen. Da sie eine Frau war, machten zu viele den Fehler, sie für einen Schwächling zu halten. Aber wichtiger als ihr Geschlecht war die Tatsache, dass sie eine Baron war. Ein Sinn fürs Geschäftliche gehörte einerseits zur Grundausstattung ihres Genpools. Andererseits war ihr Verhandlungsgeschick darauf zurückzuführen, dass sie jahrelang miterlebt hatte, wie ihre älteren Brüder das Familienvermögen von einem ohnehin schon beeindruckenden Wert in geradezu schwindelerregende Höhen gebracht hatten.
Es hatte eines langen Katz- und Mausspiels mit dem arroganten Nachbarn bedurft, aber am Ende hatten sie sich auf einen weniger unverschämten und sehr vernünftigen Preis geeinigt. Jedes Jahr, wenn sie die nächste Phase ihres Fünfjahresplans in Angriff nahm, begutachtete sie das Grundstück und dachte: noch nicht. An diesem Morgen, während sie auf der Veranda vor dem neuen Pavillon stand, meldete sich ihr Bauchgefühl zum ersten Mal zu Wort. Sie wandte den Blick von dem unberührten Land ab und schaute zu dem Mann, der seit dem ersten Tag ihre rechte Hand war. „Es ist drei Jahre her.“
Clay nickte ihr zu. Sie brauchte nichts zu erklären, er wusste, dass sie von ihrer preisgekrönten Hybridtraube sprach. Oder besser gesagt von dem, was hoffentlich eine preisgekrönte neue Mischung für das Weingut Baron werden würde.
Vor ihrem geistigen Auge sah sie die kahle Anbaufläche, die mit Reihen köstlicher, praller Trauben bedeckt war, die darauf warteten, zu einem edlen Wein verarbeitet zu werden. „Wir könnten eine limitierte Auflage machen.“ Das war ein weiterer Gedanke, der ihr im Hinterkopf herumschwirrte, während sie über den Wein nachdachte.
Clays Blick war zu den kahlen Hügeln gewandert. „Das könnten wir.“
An manchen Tagen hasste sie diese männliche Vorliebe für Ein-Wort-Antworten. „Oder?“
„Kein oder.“ Er schüttelte den Kopf und wandte sich ihr zu. „Das ist ein guter Plan.“
Das war es, was sie hatte hören wollen. Sie vertraute mehr auf ihr Bauchgefühl als auf sonst etwas, aber ein ermutigendes Wort von Clay half ihr sehr dabei, das große Ganze im Auge zu behalten. „Wir haben weitere Anfragen für sehr große Hochzeiten.“
„Die von Miss Eve war eine schöne Party.“ Der ältere Mann kannte ihre Schwester kaum länger als Paige, aber er hatte sich in die gesamte Familie verguckt.
„Ich glaube, es wird genug in der Kasse sein, um die neue Traube zu pflanzen.“
„Die französische Traube?“
Paige nickte. Jahrelange Reisen durch die französische Landschaft hatten sie mit vielen Winzern in Kontakt gebracht. Einige waren freundlicher als andere gewesen. Ganz wenige, die keine Konkurrenz durch die junge Amerikanerin gefürchtet hatten, hatten ihre Geheimnisse geteilt. Einer von ihnen, ein alternder Mann, der ihren Großvater wie ein junges Reh hatte aussehen lassen und der geschworen hatte, dass Paige das Ebenbild seiner längst verstorbenen Tochter wäre, hatte ihr versprochen, dass sie zu gegebener Zeit seine Stecklinge in die USA bringen könnte. Wenn alles so klappte, wie sie es sich erhoffte, würde sie in ein paar Jahren kräftige Rebstöcke haben, und dann, mit etwas mehr Zeit, könnte sie der Welt eine neue, beeindruckende Baron-Cuvée präsentieren. Allein der Gedanke daran verursachte ihr eine Gänsehaut.
„Bist du sehr beschäftigt?“ Die Stimme des Gouverneurs dröhnte laut über ihre Schulter.
Paige drehte sich um und umarmte ihren Großvater, wie sie es schon als kleines Mädchen getan hatte. „Ich habe immer Zeit für dich.“
Der alte Mann strahlte. „Gut, denn ich muss kurz mit dir reden.“
Clay räusperte sich. „Ich werde nach dem neuen Mädchen im Verkostungsraum sehen.“
Der ehemalige Gouverneur des großen Staates Texas stellte sich neben Paige. „Man munkelt, dass die Comets ihr Franchise verlegen wollen.“
Sie kniff die Augen zusammen, als sie gedanklich von Wein auf Sport umschwenkte und ein paar Sekunden länger brauchte, um den Teamnamen einzuordnen. „Hockey.“
„Ja. National Hockey League, also NHL.“ Ihr Großvater senkte leicht das Kinn. „Wir haben uns bemüht, ein Farmteam nach Houston zu holen, aber wenn wir die Comets an Land ziehen könnten …“
Er verstummte, aber Paige konnte das Funkeln in den Augen des Gouverneurs sehen. Sie hatte schon viele Geschichten aus seiner Kindheit gehört, als er die Winterferien mit all seinen Cousins und Cousinen im Haus seines Großvaters in Colorado verbracht hatte. Das Eishockeyspielen auf dem See war eine seiner schönsten Erinnerungen. Zweifellos konnte ihr Großvater eine Eisbearbeitungsmaschine in dem wenig genutzten Stadion sehen, alles für ein hochrangiges Spiel vorbereitend, und zwar so deutlich, wie sie sich das derzeit brachliegende Land voller üppiger Weinreben vorstellen konnte. Ihr Großvater war in vielerlei Hinsicht ein Visionär. Er hatte viele Jahre lang hart für seinen Bundesstaat gekämpft und setzte sich auch weiterhin für seine Stadt, seinen Bezirk und seinen Staat ein, wann immer seine Zeit und sein Geld vonnöten waren.
„Es wird nicht leicht sein, die Yankee-Besitzer im Norden davon zu überzeugen, dass die Golfküste der perfekte Ort für eine Umsiedlung ist.“
„Das Geld wird die Überzeugungsarbeit leisten.“ Das war eines der ersten Dinge, die sie als Baron gelernt hatte. Das zweite war gewesen, dass das Geld der Barons für das Allgemeinwohl eingesetzt werden sollte. Nicht immer eine leichte Aufgabe.
„Soweit ich weiß, leitet Daniel Dupree den ersten Prüfungsausschuss.“
„Der Name kommt mir bekannt vor.“ Sie konnte ihn allerdings nicht genau zuordnen.
„Kanadier. Er spielte für die Bruins, dann für die Comets. MVP-Torwart bei drei Stanley Cups in Folge. Seine Karriere wurde unterbrochen, als ein Autounfall eines seiner Beine zerquetschte. Man hat das Bein retten können, aber nicht seine Karriere.“
Ja, natürlich. „Er und sein Bruder spielten im selben Team. Mitch muss ihr größter Fan gewesen sein.“
Der Gouverneur nickte. „Soweit ich weiß, besucht Dupree persönlich die sich bewerbenden Städte.“
„Ist Houston eine davon?“
„Wir arbeiten daran.“
Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum, aber keiner erklärte, warum ihr Großvater dies ausgerechnet mit ihr besprach. Sie kannte sich mit Wein aus, allerdings nicht mit Hockey.
Er wippte vor und zurück und atmete leise aus. „Eines habe ich in meinem Leben gelernt, politisch korrekt oder nicht – eine Frau im Raum hilft, hitzköpfige Männer zivilisiert zu halten.“
„Vielleicht.“
„Nein, nicht vielleicht. Eve kann nicht teilnehmen, und Siobhan ist unterwegs, um Fotos von Afrikanischen Elefanten zu machen. Kann ich auf deine Hilfe zählen?“
Alles, was sie über Eishockey wusste, konnte sie praktisch in drei Sätzen abhandeln, aber wenn ihr Großvater der Meinung war, sie könnte helfen … „Auf jeden Fall.“
* * *
Zehn Städte und jetzt Houston. Daniel hatte den größten Teil der vergangenen Wochen gebraucht, um mehrere Städte aus dem Rennen zu nehmen und die beste, jetzt elf, herauszufiltern. Die meisten hatten hohe Ziele gehabt, allerdings nicht die finanziellen Mittel, die sein Team wollte. Sosehr es ihm auch missfiel, noch eine weitere Stadt auf die Liste zu setzen, anstatt diese zu kürzen, so hatte der Vorschlag aus Houston in letzter Minute doch alles, wonach das Team suchte. Einschließlich eines bereits gebauten Stadions, zwar etwas klein, aber für Eishockey geeignet. Es war nicht nötig, mit Gemeinden zu feilschen, um das Team in den Bundesstaat zu holen. Dennoch zog er einen Staat mit kälteren Temperaturen und ohne jährliche Hurrikans wie Utah oder Wyoming vor. Utah war auf der Liste geblieben, aber leider war Wyoming herausgefallen. Die Rechnung für einen Staat, in dem es mehr Antilopen als Menschen gab, war einfach nicht aufgegangen.
Ein bestehendes, ungenutztes Stadion war nicht das Einzige, was für Houston sprach. Daniel musste zugeben, dass der Gedanke an zwei Eishockeyteams, die die profitable Rivalität zwischen den beiden Teams aus Pennsylvania widerspiegelte, sein Interesse geweckt hatte. Die potenziellen Einnahmen würden jeden Menschen zum Sabbern bringen. Andererseits sprach der Mangel an Fans bei den letzten Spielen dafür, dass der Süden möglicherweise ungeeignet für mehrere Eishockey-Franchises war. Vielleicht.
„Bist du bereit?“ Kevin, Daniels rechte Hand bei diesem Projekt, stand in der Tür.
Daniel schaute auf seine Armbanduhr. Der Flug nach Utah ging in etwas weniger als vier Stunden. Gerade genug Zeit, um zum Flughafen zu fahren und sich durch die Sicherheitskontrolle zu quälen. „So bereit, wie ich nur sein kann.“
Kevin legte ein Stück Papier auf Daniels Schreibtisch. „Das kam gerade rein. New Mexico zieht sein Angebot zurück.“
Daniel sah auf das Blatt vor sich und nickte. „Wer hat es sich wohl anders überlegt?“
„Keine Ahnung.“
Daniel hatte sich von Anfang an gefragt, wie ein Staat mit nur wenigen Millionen Einwohnern auf die Liste hatte kommen können. Er war zu dem Schluss gekommen, dass jemand in New Mexico außergewöhnlich spendabel war. Jetzt fragte er sich, was ihn dazu gebracht hatte, seine Meinung zu ändern und sein Bankkonto zu sperren.
„Hast du die Daten für den Neuen?“
Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass Kevin Houston meinte und nicht irgendeine andere Stadt, die ihm die Eigentümer aufgedrängt hatten. „Ich weiß nur, dass Gouverneur Baron einer der Unterstützer ist. Das erklärt wahrscheinlich, warum Houston die einzige Stadt im Rennen ist, die die Kosten für ein Fünf-Sterne-Hotel aufbringen kann.“
„Texas ist sicher nicht der einzige Staat mit einer gut gefüllten Haushaltskasse.“
Daniel zuckte mit den Schultern. „Nein, aber es heißt, in Texas sei alles größer. Es wird interessant sein, zu erfahren, was man dort geplant hat.“
„Ich frage mich, ob sie dich in einer dieser Stretch-Limousinen mit Kuhhörnern auf dem Kühlergrill abholen werden …“
„Das bezweifle ich. Ich miete ein Auto. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass die Hörner nur von Stieren stammen.“
„Nö. Die Longhorn-Rinder haben alle Hörner. Bei ihnen gibt’s keine Geschlechterdiskriminierung.“
Daniel lachte. „Alles klar.“ Warum sein Assistent aus Brooklyn etwas über texanische Rinder wusste, war ihm allerdings schleierhaft.
„Willst du eine Aspirin?“
Erst bei Kevins Frage wurde Daniel klar, dass er sich das Knie rieb. Als der betrunkene Idiot, der die rote Ampel überfahren hatte, in die Fahrerseite seines Autos gekracht war und es über die Kreuzung gegen einen Laternenpfahl geschleudert hatte, hatte er gedacht, sein Leben sei zu Ende. Dank eines erstklassigen Trauma-Teams und seines brillanten Chirurgen hatte sein Leben gerettet werden können, nicht aber seine Karriere. Nach all den Jahren war es für ihn so normal, sich die Beschwerden in seinem linken Bein wegzureiben, dass er gar nicht mehr merkte, dass es ihm zu schaffen machte – erst, wenn Kevin in den Kümmerer-Modus wechselte. Für einen Mann war er ziemlich gut darin, Kleinigkeiten zu bemerken. „Nein, es ist nicht weiter wild.“
Sein Assistent sagte kein weiteres Wort über sein Bein, sondern überreichte ihm lediglich einen dicken Umschlag mit allen wichtigen Informationen für jede Stadt. Daniel hatte alles auf seinem Laptop, aber auf Flugreisen zog er es vor, es auf altmodischem Papier statt auf einem beleuchteten Bildschirm zu lesen. Seine primäre Aufgabe bestand darin, alles über den ehemaligen Gouverneur, den Ausschuss, die Stadt und weiteres, was ihm helfen würde, diesen Besuch rasch über die Bühne zu bringen, zu erfahren. Jemand mochte zwar den Ausschuss davon überzeugt haben, mehr Tage in Houston zu verbringen als in den anderen Städten auf der Liste, aber für ihn galt: Je schneller er diesen Besuch hinter sich bringen konnte, desto besser. Kopfschüttelnd stopfte er den Umschlag in seine Aktentasche. Wie zum Teufel konnte jemand erwarten, Eishockey und eine Million Grad Hitze neun Monate im Jahr erfolgreich zu kombinieren? Auch wenn zwei rivalisierende Teams innerhalb eines Staates durchaus ihren Reiz hatten, war er sich ziemlich sicher, dass er sich bereits entschieden hatte. Das Team brauchte kühle Temperaturen und eine Stadt, die für Eishockey brannte. In Houston gab es nicht genug Leute, bei denen man eine Begeisterung für Eishockey wecken könnte. Er bezweifelte, dass die riesige Stadt irgendwelche Überraschungen für ihn bereithielt. Nein, Houston würde definitiv die reinste Zeitverschwendung sein.