Declans überraschende Begegnung
Kapitel Eins
„Der Typ mit dem Baseballschläger hat wieder zugeschlagen.“ D.J. legte den Hörer auf und schob sich von seinem Schreibtisch weg. „Das ist der fünfte Briefkasten diese Woche.“
Teenager Streiche waren eine Sache, aber das hier nahm überhand. Und dieses Mal hatte man es auf Mrs. Peabody abgesehen. Seit ihr Ehemann gestorben war, hatte die Frau mehr als ein imaginäres Problem, sie brauchte nicht auch noch ein echtes. Wer konnte sagen, wie lange er und seine Abteilung regelmäßig an ihrem Haus vorbeifahren müssten, bis sie etwas anderes fand, das sie beunruhigte. Da er neben sich selbst, nicht einmal eine Handvoll Officers für die kleine Stadt und die umliegenden Ranches hatte, war es nicht praktikabel, den ganzen Tag – und die ganze Nacht – in Mrs. Peabodys Nachbarschaft Streife zu fahren, doch er würde es tun.
Esther, seine Fahrdienstleiterin, streckte den Arm aus. Zwischen ihren Fingern baumelte eine rosa Haftnotiz. „Du könntest deinen Bruder zurückrufen.“
„Welchen?“
„Brooks. Ich habe den Anruf angenommen, während du Mrs. Peabody beruhigt hast.“
D.J. blickte auf den Notizzettel. „Danke.“ Ein raschelndes Geräusch an der Eingangstür erweckte seine Aufmerksamkeit, doch sein klingelndes Handy lenkte ihn ab. „Farraday.“
„Wenn du vorbeikommst, dann besser gleich als später“, sagte Brooks schnell. „Ich bin fast fertig mir Christopher Brady.“
„Christopher?“ Eine weitere Bewegung vor dem Gebäude ließ ihn zum Fenster gehen. „Was ist mit ihm?“
„Seine Mom hat ihn mit einem gebrochenen Arm vorbeigebracht.“
„Ach wirklich?“ Christopher würde auf die harte Tour lernen, dass man dem Karma nicht entkommen konnte.
„Ja. Ich denke, du hattest einen weiteren zerstörten Briefkasten.“
D.J. blickte die Straße auf und ab und nickte, obwohl sein Bruder ihn nicht sehen konnte. „Den von Mrs. Peabody.“
„Wenn du meine professionelle Meinung hören willst, sieht es so aus, als würde dieser Brady-Sohn es nicht gut aufnehmen, dass die Zwillinge jetzt all die Aufmerksamkeit bekommen.“
„Ja, da könntest du recht haben. Ich komme gleich vorbei.“ D.J. steckte sein Handy in die Tasche und machte einen Schritt in Richtung des kratzenden Geräuschs, das aus der Richtung der Vordertür kam. Er wartete. Nichts. Vielleicht hatte seine Familie recht und er brauchte wirklich Urlaub. Tuckers Bluff war kein Mekka des Verbrechens, aber manchmal war es genauso anstrengend, den ganzen Tag nichts zu tun, wie mit Arbeit überhäuft zu werden. Doch diese langen ereignislosen Winter und die Streiche der Jugendlichen waren ihm tausendmal lieber als die Scheiße, die den ganzen Tag in der Großstadt ablief. Er blickte zu Ester, seiner unverzichtbaren Fahrdienstleiterin, die schon eine Marke getragen hatte, bevor er überhaupt die Polizeiakademie besucht hatte und wartete, bis sie ihr Telefonat beendete.
„Ja, Ma’am“, sagte Esther lächelnd. „Ich weiß, wie Sie sich fühlen.“ Sie nickte ebenfalls, obwohl die Anruferin sie nicht sehen konnte. „Sie können sicher sein, dass ich ihn erinnere.“ Dieses Mal kicherte Esther. „Und ich weiß nicht, ob ich das so sagen würde.“ Ihr Kopf wackelt noch ein paarmal, bevor sie die Augen verdrehte und wieder lächelte. „Ja, Ma’am, haben Sie einen schönen Tag.“
„Lass mich raten“, D.J. verlagerte sein Gewicht. „Mrs. Peabody.“
Esther nickte. „Hast du mit deinem Bruder gesprochen?“
„Ich wollte mich gerade auf den Weg machen.“ Fast an der Tür, erweckte ein weiteres kratzendes Geräusch seine Aufmerksamkeit. Er winkte Esther, machte eine großen Schritt zur Tür und riss sie auf.
Neben einer der alten Bänke an der Wand des Reviers saß ein Hund, der mit dem Schwanz wedelte und hechelte. Er sah so wild wie ein Wolf aus, aber wirkte so freundlich wie ein Familienmaskottchen.“
„Na du.“ D.J. bewegte sich langsam vorwärts, da er sich nicht sicher war, wie lange das Schwanzwedeln noch anhalten würde. Er wurde mit einer erhobenen Pfote belohnt. „Oh, du gibst Pfötchen.“ D.J. nutzte die Chance und schüttelte ihm die Pfote. Dann kraulte er das Tier am Hals und suchte gleichzeitig nach einem Halsband oder einer Marke. „Du musst irgendwem gehören. Kein Streuner weiß, wie man Pfötchen gibt.“ Moment. „Ich wette, du bist das Kerlchen, das hier überall auftaucht.“
D.J. hätte schwören können, dass der Hund nickte.
„Geh nirgends hin. Ich kenne ein paar Leute, die dich gerne ansehen würden. D.J. kraulte den Hund weiter am Hals und zog sein Handy heraus, um im Büro seines anderen Bruders anzurufen. Es war praktisch, sowohl einen Arzt als auch einen Tierarzt in der Familie zu haben.
„Tierklinik, wie kann ich helfen?“ Becky Wilsons fröhliche Stimme drang durchs Telefon und brachte ihn zum Lächeln. Die kleine war immer fröhlich und aufgeweckt und der Klang ihrer Stimme, könnte sogar den größten Griesgram zum Lächeln bringen.
„Ich habe hier jemanden, den Adam sich sicher ansehen möchte.“
„Er ist leider nicht hier. Es war nicht viel los, also sind er und Meg zum Shoppen nach Butler Springs gefahren.“
„Mist. Ich habe den Hund.“
„Den Hund?“, wiederholte sie. „Oh, warte, Du meinst diesen Hund?“ Ihre Stimme wurde eine Oktave höher und jetzt grinste er wirklich.
„Ich denke schon.“
„Cool! Lass ihn nicht abhauen. Ich bin auf dem Weg.“
Bevor er noch etwas sagen konnte, war die Leitung tot und er entschied sich, dass der Brady-Junge noch warten könnte. Es war ja nicht so, als wüsste D.J. nicht, wo die Familie wohnte. Doch er wünschte sich, dass Christopher nicht von Häusern mit Toilettenpapier dekorieren zu mutwilliger Zerstörung fremden Eigentums übergegangen wäre. Ein Auge zuzudrücken war hier keine Option mehr und bei diesem Maß an Vandalismus war auch eine Rüge nicht mehr ausreichend.
„Becky ist auf dem Weg“, erklärte er dem Hund. „Du wirst sie mögen.“
Erneut wackelte der Hund mit dem Kopf, als würde er nicken. Er drehte sich herum, sprang auf die Hinterbeine, als würde er tanzen wollen, und ging dann zur Seite, sodass D.J. besser sehen konnte, was unter der alten Bank hinter dem flauschigen Hündchen versteckt war.
„Sag mir nicht, dass jemand deine Welpen hier ausgesetzt hat und dass du deshalb aufgetaucht bist.“ Den Hund mit einer Hand festhaltend, lehnte sich D.J. vor und zog einen Pappkarton unter der Bank hervor. Einen Sekundenbruchteil lang dachte er, er würde halluzinieren. Erst einmal und dann noch einmal blinzelnd schüttelte er den Kopf. Keine Halluzination. Er bückte sich und griff hinein. „Verdammte –“
* * *
Becky sprang auf und drehte sich zu ihrer Freundin Kelly, der Rezeptionistin, um. „Sieht so aus, als hätte D.J. den geheimnisvollen Hund gefunden. Er hat ihn auf dem Revier. Ich renne schnell rüber.“
„Ist er verletzt?“ Wie alle anderen in der Stadt, die von dem geisterhaften Hund gehört hatten, wusste auch Kelly, dass der Streuner laut einiger Aussagen hinkte. Niemandem gefiel die Vorstellung eines verletzten Tieres, das ganz auf sich allein gestellt war.
„Wir werden es herausfinden. Ich bringe ihn her. Selbst wenn er nicht verletzt ist, braucht der arme Kerl ein gutes Zuhause.“
„So wie er sich um Tonis Ehemann und die kleine Stacey gekümmert hat, denke ich, dass er ein guter Beschützer ist. Vielleicht hätte deine Großmutter gerne noch einen Hund, jetzt wo du ausgezogen bist.“
Becky verdrehte die Augen und fischte ihre Schlüssel aus ihrer Handtasche. „Bring sie nicht auf Gedanken.“ Sie huschte um den Empfangstresen herum und winkte Kelly. „Bin bald wieder da.“
„Keine Eile“, rief ihr Kelly hinterher.
Einer der schönen Aspekte an Beckys Job, war es, mit einer ihrer besten Freundinnen und dem coolsten Boss auf der ganzen Welt zusammenarbeiten zu können. Es schadete auch nicht, dass sie, weil sie für den ältesten der Farraday-Brüder arbeitete, immer das neueste über Ethan erfuhr, ohne direkt nach ihm fragen zu müssen. Auch wenn sie viele seiner Social-Media-Beiträge verfolgte, wusste sie, dass es noch viel gab, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Und sie versuchte gar nicht, sich die vielen Dinge vorzustellen, von denen nicht einmal seine Familie wusste.
Das Polizeirevier lag ziemlich zentral an der Main Street. Keine Distanz, wenn man die Größe von Tuckers Bluff betrachtete. Doch unter diesen Umständen würde es zu lange dauern, zu Fuß zu gehen. Ohne unnötige Aufmerksamkeit zu erregen, fuhr sie so schnell wie möglich mit ihrem kleinen Pickup zu D.J.s Arbeitsplatz. Natürlich musste sie sich die Zeit nehmen, Burt Larson zu winken, der gerade einige Fässer vom Bürgersteig in seinen Eisenwarenladen zog. Diese Dinger den ganzen Tag rein und raus zu hieven, war ohne Zweifel einer der Gründe, warum er immer über jeden Klatsch auf dem Laufenden war. Natürlich verlangte der Kleinstadtcodex es auch, dass sie das Fenster herunterkurbelte und kurz mit Polly plauderte, als diese gerade das Cut and Curl absperrte. „Heute früh Schluss?“
„Ja, Mrs. Thorton hat ihren Termin zum Färben abgesagt. Ich dachte mir, das wäre eine gute Gelegenheit, mir den Nachmittag frei zu nehmen.“ Becky nickte und winkte. „Viel Spaß.“
Die meisten Geschäfte schlossen unter der Woche relativ früh. Hätte sie noch ein paar Minuten länger gewartet, müsste sie jetzt wahrscheinlich an jedem Laden für einen kleinen Plausch anhalten.
Für einen Ort, an dem Gesetzesbrecher verwahrt werden sollten, sah das Polizeirevier von der Straße aus sehr einladend aus. Becky fand direkt davor eine leere Parklücke und eilte an den Bänken und Topfpflanzen vorbei. Sie stürmte praktisch durch die Glastür, nur um sofort abrupt stehenzubleiben.
Wie erwartet stand D.J. neben dem mittelgroßen felligen grauen Tier. Doch anstatt die beiden in seinem Büro anzutreffen, waren sie auf Esther fixiert, die ein Baby in ihren Armen wiegte. „Verdient ihr euch jetzt ein Zubrot als Babysitter?“, fragte Becky.
„Sieht so aus.“ Esther summte für das Baby an ihrer Schulter.
Der Hund riss sich von D.J. los und sprang in Beckys Richtung.“
„Hey.“ D.J. drehte sich dem Hund hinterher.
Mit wackelndem Schwanz erreichte der Streuner Becky vor ihm, machte vor ihr Sitz und bot ihr seine Pfote an.
„Das hat er bei mir auch gemacht.“ D.J. stoppte vor ihr und seine dunklen Augen wanderten wieder zu dem Baby.
„Du bist ein Gentleman, nicht wahr?“ Sie ging in die Hocke und kraulte den Hund mit beiden Händen am Hals. Dann hob sie den Kopf und blickte zu D.J.. „Wem gehört das Baby?“
„Das wollen wir gerade herausfinden.“
„Herausfinden?“ Sie blickte von D.J. zu Esther und wieder zurück.
D.J. winkte mit ein paar Briefen. „Das Baby wurde hier in einer Pappschachtel an der Treppe ausgesetzt. Die hier lagen darin.“ Er drehte sich zu seinem Büro und zeigte auf den Hund.“ „Rin Tin Tin hier hat Wache gehalten.“
„Du bist aber ein guter Hund.“ Sie kraulte ihn weiter hinter den Ohren. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand aus der Gegend ein Baby ohne Schutz an der Türschwelle ablegen würde.“ Sie tätschelte den Kopf des Hundes, erhob sich und ging zu Esther hinüber. „Mädchen oder Junge?“
„Wir haben noch nicht nachgesehen. Als der Chief die Box aufgehoben hatte, wachte das arme Ding auf und Mr. Dad da drüben gab mir das Baby so schnell, als würde es in Flammen stehen.“
Gurrend tätschelte Becky dem Baby den Rücken. „Sind Babys nicht süß?“
D.J. riss einen Umschlag auf und ging in sein Büro.
Das Telefon klingelte. Esther blickte zu ihrem Boss, schüttelte den Kopf und reichte Becky das Baby. „Jemand muss da rangehen.“
„Ja, das muss jemand“, rief D.J. von seinem Schreibtisch aus und öffnete das gefaltete Blatt Papier.
Becky folgte ihm. Der Hund ließ sich in der Tür nieder und blickte zum Eingang.
Behutsam wiegte Becky das kleine Wesen in ihren Armen wieder in den Schlaf. Sie liebte Babys. Eigentlich alle Kinder. Seit sie selbst ein kleines Kind war, träumte sie von einem schönen weißen Ranch-Haus mit einem kleinen umzäunten Garten an der Seite und Kindern mit gemeißelten Farraday-Gesichtszügen, blaugrünen Augen und Ethans sandblonden Haaren. Doch mit jedem Jahr, das verging und in dem Ethan weiter mit dem Marine-Corps verheiratet war, schien es unwahrscheinlicher zu werden, dass ihr Traum vom glücklich-bis-an-ihr-Lebensende in Erfüllung gehen würde. Aber sie war nicht bereit, ihren Traum aufzugeben. Noch nicht. Irgendwann würde er nach Hause kommen und sie als die erwachsene Frau sehen, die aus ihr geworden war. Und dann hätte er keine andere Wahl, als sich Hals über Kopf in sie zu verlieben, so wie es ihr im ersten Jahr an der Grundschule widerfahren war. „Wer würde etwas so kostbares aussetzen?“
„Das versuche ich gerade herauszufinden.“ D.J. blickte weiter auf das Blatt Papier vor ihm. „Hier steht nur, dass die paar Tage, die sie und der Vater zusammen verbracht hatten fantastisch waren.“ Er blickte über den Rand des Papiers. „Ich erspare dir die, ähm … intimen Details.“
Becky blickte nach unten, um zu verbergen, dass sie errötete. Sie konnte mit den Mädels ohne Probleme über Sex witzeln und reden, aber umgeben von starken, gutaussehenden Männern, oder in diesem Fall einem Mann, meldete sich ihre altmodische Erziehung immer zu Wort.
„Klingt so, als wäre – ist – Mama von der wilden Sorte.“ D.J. las weiter. „Sie dachte, es wäre an der Zeit, eine Familie zu gründen. Dass die Schwangerschaft trotz Verhütung ein Zeichen von Gott war.“ D.J. zog bei diesen Worten eine seiner dunklen Augenbrauen nach oben.
„Ich denke, die Neuartigkeit wurde schnell langweilig.“
„Ja.“ Er blätterte zur zweiten Seite. „Sie fährt einfach weiter, wo das helle Licht sie hinzieht und weiß, dass Brittany –“
„Also bist du ein Mädchen.“ Becky küsste das süße Kind auf die Stirn. „Ich hätte es wissen müssen. So ein hübsches Gesicht.“
D.J. fuhr fort: „Die Mutter weiß, dass sie es bei einer stabilen Familie besser haben wird. Familie? Sch …“ D.J. seufzte laut, schloss die Augen und drückte seinen Nasenrücken. „Hört sich so an, als hätte der ahnungslose liebende Vater bereits eine eigene Familie. Ich frage mich, wie Mrs. Liebender Vater das aufnehmen wird.“
„Ich weiß nicht, wie stabil eine Familie sein kann, wenn dieser liebende Vater seine Frau betrügt. Steht in dem Brief, wer dieser Vater ist?“
D.J. schüttelte den Kopf, legte den Brief auf den Schreibtisch und zog sein Handy heraus. „Reed, ich will, dass du dich an der Auffahrt zum Highway positionierst.“
„Soll ich nach Rasern Ausschau halten?“, fragte der junge Officer.
„Dieses Mal nicht. Wenn du ein Auto siehst, dass du nicht kennst, frag das Nummernschild ab und ruf mich zurück.“ D.J. legte auf und las weiter.
„Du denkst, die Mutter ist nicht von hier?“
D.J. nickte. „Hier in dieser Stadt gibt es keinen Ort, an dem ein Mann ein Wochenende seinen Spaß haben könnte, ohne dass seine Frau es herausfindet.“
„Wieso hat sie Brittany hier und nicht bei ihrem Vater ausgesetzt?“
„Wahrscheinlich“, D.J. steckte den Brief wieder in den Umschlag und holte ein weiteres Blatt Papier heraus, „damit sie nicht festgenommen wird. Das Baby vor einer sicheren Einrichtung auszusetzen, schützt sie in Texas vor strafrechtlicher Verfolgung.“
„Ich würde die Treppe keinen sicheren Ort nennen.“
„Ja, sie wusste vermutlich, dass einer von uns rein oder raus gehen würde.“ Er blickte durch das Glasfenster seines Büros zur Eingangstür. „Das wird ein Chaos werden. Selbst wenn wir herausfinden, wer der Vater ist, muss ich das Jugendamt einschalten, damit wir eine zertifizierte Pflegefamilie für sie finden. Der Vater wird einen Vaterschaftstest verlangen und, anders als im Fernsehen, wird das nicht über Nacht passieren, wenn der Staat involviert ist.“
Durch das Wiegen war das süße Baby trotz der Unterhaltung eingeschlafen. Becky verlagerte ihr Gewicht. „Ich kann helfen.“
D.J. faltete das nächste Blatt Papier auf und blickte Becky an. „Weißt du etwas, das ich nicht weiß?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin offiziell immer noch zertifizierte Pflegemutter. Erinnerst du dich an Omas Cousine Gert, die während eines Besuchs vor ein paar Jahren gestorben ist? Sie hatte ihren Enkel Chase bei sich. Seine Mama war damals einige Zeit verschwunden und sie hatte Gert nie gesagt, wer der Vater war.“
„Richtig. Ihr hattet den Jungen ein paar Monate, bis das Jugendamt den Vater fand.“
„Wir hätten ihn auch behalten, hätte Oma den Kerl nicht gemocht. Scheinbar wusste er nicht einmal, dass er einen Sohn hatte.“
„So etwas scheint öfter vorzukommen.“ D.J. wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Brief vor sich zu. Plötzlich wurden seine Augen so groß wie ein Vollmond im Herbst.
„Was ist?“
Seine Hand fiel auf den Tisch. „Das ist die Geburtsurkunde.“
„Gut. Zumindest wissen wir, wer die Mutter ist.“
D.J. nickte. „Und wir wissen auch, wer der Vater ist.“
Etwas in seiner Stimme verpasste ihr eine Gänsehaut. Sicherlich war D.J. nicht derjenige, der mit seltsamen Frauen feierte. Doch jetzt, wo sie darüber nachdachte. Keiner der Farraday-Männer hatte etwas mit Frauen aus der Gegend und sie müsste sehr naiv sein, wenn sie dachte, dass sie zölibatär lebten. Sie schluckte und wartete auf seine nächsten Worte.
„Becky.“ Er atmete tief ein. „Es ist Ethan.“
„Der Typ mit dem Baseballschläger hat wieder zugeschlagen.“ D.J. legte den Hörer auf und schob sich von seinem Schreibtisch weg. „Das ist der fünfte Briefkasten diese Woche.“
Teenager Streiche waren eine Sache, aber das hier nahm überhand. Und dieses Mal hatte man es auf Mrs. Peabody abgesehen. Seit ihr Ehemann gestorben war, hatte die Frau mehr als ein imaginäres Problem, sie brauchte nicht auch noch ein echtes. Wer konnte sagen, wie lange er und seine Abteilung regelmäßig an ihrem Haus vorbeifahren müssten, bis sie etwas anderes fand, das sie beunruhigte. Da er neben sich selbst, nicht einmal eine Handvoll Officers für die kleine Stadt und die umliegenden Ranches hatte, war es nicht praktikabel, den ganzen Tag – und die ganze Nacht – in Mrs. Peabodys Nachbarschaft Streife zu fahren, doch er würde es tun.
Esther, seine Fahrdienstleiterin, streckte den Arm aus. Zwischen ihren Fingern baumelte eine rosa Haftnotiz. „Du könntest deinen Bruder zurückrufen.“
„Welchen?“
„Brooks. Ich habe den Anruf angenommen, während du Mrs. Peabody beruhigt hast.“
D.J. blickte auf den Notizzettel. „Danke.“ Ein raschelndes Geräusch an der Eingangstür erweckte seine Aufmerksamkeit, doch sein klingelndes Handy lenkte ihn ab. „Farraday.“
„Wenn du vorbeikommst, dann besser gleich als später“, sagte Brooks schnell. „Ich bin fast fertig mir Christopher Brady.“
„Christopher?“ Eine weitere Bewegung vor dem Gebäude ließ ihn zum Fenster gehen. „Was ist mit ihm?“
„Seine Mom hat ihn mit einem gebrochenen Arm vorbeigebracht.“
„Ach wirklich?“ Christopher würde auf die harte Tour lernen, dass man dem Karma nicht entkommen konnte.
„Ja. Ich denke, du hattest einen weiteren zerstörten Briefkasten.“
D.J. blickte die Straße auf und ab und nickte, obwohl sein Bruder ihn nicht sehen konnte. „Den von Mrs. Peabody.“
„Wenn du meine professionelle Meinung hören willst, sieht es so aus, als würde dieser Brady-Sohn es nicht gut aufnehmen, dass die Zwillinge jetzt all die Aufmerksamkeit bekommen.“
„Ja, da könntest du recht haben. Ich komme gleich vorbei.“ D.J. steckte sein Handy in die Tasche und machte einen Schritt in Richtung des kratzenden Geräuschs, das aus der Richtung der Vordertür kam. Er wartete. Nichts. Vielleicht hatte seine Familie recht und er brauchte wirklich Urlaub. Tuckers Bluff war kein Mekka des Verbrechens, aber manchmal war es genauso anstrengend, den ganzen Tag nichts zu tun, wie mit Arbeit überhäuft zu werden. Doch diese langen ereignislosen Winter und die Streiche der Jugendlichen waren ihm tausendmal lieber als die Scheiße, die den ganzen Tag in der Großstadt ablief. Er blickte zu Ester, seiner unverzichtbaren Fahrdienstleiterin, die schon eine Marke getragen hatte, bevor er überhaupt die Polizeiakademie besucht hatte und wartete, bis sie ihr Telefonat beendete.
„Ja, Ma’am“, sagte Esther lächelnd. „Ich weiß, wie Sie sich fühlen.“ Sie nickte ebenfalls, obwohl die Anruferin sie nicht sehen konnte. „Sie können sicher sein, dass ich ihn erinnere.“ Dieses Mal kicherte Esther. „Und ich weiß nicht, ob ich das so sagen würde.“ Ihr Kopf wackelt noch ein paarmal, bevor sie die Augen verdrehte und wieder lächelte. „Ja, Ma’am, haben Sie einen schönen Tag.“
„Lass mich raten“, D.J. verlagerte sein Gewicht. „Mrs. Peabody.“
Esther nickte. „Hast du mit deinem Bruder gesprochen?“
„Ich wollte mich gerade auf den Weg machen.“ Fast an der Tür, erweckte ein weiteres kratzendes Geräusch seine Aufmerksamkeit. Er winkte Esther, machte eine großen Schritt zur Tür und riss sie auf.
Neben einer der alten Bänke an der Wand des Reviers saß ein Hund, der mit dem Schwanz wedelte und hechelte. Er sah so wild wie ein Wolf aus, aber wirkte so freundlich wie ein Familienmaskottchen.“
„Na du.“ D.J. bewegte sich langsam vorwärts, da er sich nicht sicher war, wie lange das Schwanzwedeln noch anhalten würde. Er wurde mit einer erhobenen Pfote belohnt. „Oh, du gibst Pfötchen.“ D.J. nutzte die Chance und schüttelte ihm die Pfote. Dann kraulte er das Tier am Hals und suchte gleichzeitig nach einem Halsband oder einer Marke. „Du musst irgendwem gehören. Kein Streuner weiß, wie man Pfötchen gibt.“ Moment. „Ich wette, du bist das Kerlchen, das hier überall auftaucht.“
D.J. hätte schwören können, dass der Hund nickte.
„Geh nirgends hin. Ich kenne ein paar Leute, die dich gerne ansehen würden. D.J. kraulte den Hund weiter am Hals und zog sein Handy heraus, um im Büro seines anderen Bruders anzurufen. Es war praktisch, sowohl einen Arzt als auch einen Tierarzt in der Familie zu haben.
„Tierklinik, wie kann ich helfen?“ Becky Wilsons fröhliche Stimme drang durchs Telefon und brachte ihn zum Lächeln. Die kleine war immer fröhlich und aufgeweckt und der Klang ihrer Stimme, könnte sogar den größten Griesgram zum Lächeln bringen.
„Ich habe hier jemanden, den Adam sich sicher ansehen möchte.“
„Er ist leider nicht hier. Es war nicht viel los, also sind er und Meg zum Shoppen nach Butler Springs gefahren.“
„Mist. Ich habe den Hund.“
„Den Hund?“, wiederholte sie. „Oh, warte, Du meinst diesen Hund?“ Ihre Stimme wurde eine Oktave höher und jetzt grinste er wirklich.
„Ich denke schon.“
„Cool! Lass ihn nicht abhauen. Ich bin auf dem Weg.“
Bevor er noch etwas sagen konnte, war die Leitung tot und er entschied sich, dass der Brady-Junge noch warten könnte. Es war ja nicht so, als wüsste D.J. nicht, wo die Familie wohnte. Doch er wünschte sich, dass Christopher nicht von Häusern mit Toilettenpapier dekorieren zu mutwilliger Zerstörung fremden Eigentums übergegangen wäre. Ein Auge zuzudrücken war hier keine Option mehr und bei diesem Maß an Vandalismus war auch eine Rüge nicht mehr ausreichend.
„Becky ist auf dem Weg“, erklärte er dem Hund. „Du wirst sie mögen.“
Erneut wackelte der Hund mit dem Kopf, als würde er nicken. Er drehte sich herum, sprang auf die Hinterbeine, als würde er tanzen wollen, und ging dann zur Seite, sodass D.J. besser sehen konnte, was unter der alten Bank hinter dem flauschigen Hündchen versteckt war.
„Sag mir nicht, dass jemand deine Welpen hier ausgesetzt hat und dass du deshalb aufgetaucht bist.“ Den Hund mit einer Hand festhaltend, lehnte sich D.J. vor und zog einen Pappkarton unter der Bank hervor. Einen Sekundenbruchteil lang dachte er, er würde halluzinieren. Erst einmal und dann noch einmal blinzelnd schüttelte er den Kopf. Keine Halluzination. Er bückte sich und griff hinein. „Verdammte –“
* * *
Becky sprang auf und drehte sich zu ihrer Freundin Kelly, der Rezeptionistin, um. „Sieht so aus, als hätte D.J. den geheimnisvollen Hund gefunden. Er hat ihn auf dem Revier. Ich renne schnell rüber.“
„Ist er verletzt?“ Wie alle anderen in der Stadt, die von dem geisterhaften Hund gehört hatten, wusste auch Kelly, dass der Streuner laut einiger Aussagen hinkte. Niemandem gefiel die Vorstellung eines verletzten Tieres, das ganz auf sich allein gestellt war.
„Wir werden es herausfinden. Ich bringe ihn her. Selbst wenn er nicht verletzt ist, braucht der arme Kerl ein gutes Zuhause.“
„So wie er sich um Tonis Ehemann und die kleine Stacey gekümmert hat, denke ich, dass er ein guter Beschützer ist. Vielleicht hätte deine Großmutter gerne noch einen Hund, jetzt wo du ausgezogen bist.“
Becky verdrehte die Augen und fischte ihre Schlüssel aus ihrer Handtasche. „Bring sie nicht auf Gedanken.“ Sie huschte um den Empfangstresen herum und winkte Kelly. „Bin bald wieder da.“
„Keine Eile“, rief ihr Kelly hinterher.
Einer der schönen Aspekte an Beckys Job, war es, mit einer ihrer besten Freundinnen und dem coolsten Boss auf der ganzen Welt zusammenarbeiten zu können. Es schadete auch nicht, dass sie, weil sie für den ältesten der Farraday-Brüder arbeitete, immer das neueste über Ethan erfuhr, ohne direkt nach ihm fragen zu müssen. Auch wenn sie viele seiner Social-Media-Beiträge verfolgte, wusste sie, dass es noch viel gab, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Und sie versuchte gar nicht, sich die vielen Dinge vorzustellen, von denen nicht einmal seine Familie wusste.
Das Polizeirevier lag ziemlich zentral an der Main Street. Keine Distanz, wenn man die Größe von Tuckers Bluff betrachtete. Doch unter diesen Umständen würde es zu lange dauern, zu Fuß zu gehen. Ohne unnötige Aufmerksamkeit zu erregen, fuhr sie so schnell wie möglich mit ihrem kleinen Pickup zu D.J.s Arbeitsplatz. Natürlich musste sie sich die Zeit nehmen, Burt Larson zu winken, der gerade einige Fässer vom Bürgersteig in seinen Eisenwarenladen zog. Diese Dinger den ganzen Tag rein und raus zu hieven, war ohne Zweifel einer der Gründe, warum er immer über jeden Klatsch auf dem Laufenden war. Natürlich verlangte der Kleinstadtcodex es auch, dass sie das Fenster herunterkurbelte und kurz mit Polly plauderte, als diese gerade das Cut and Curl absperrte. „Heute früh Schluss?“
„Ja, Mrs. Thorton hat ihren Termin zum Färben abgesagt. Ich dachte mir, das wäre eine gute Gelegenheit, mir den Nachmittag frei zu nehmen.“ Becky nickte und winkte. „Viel Spaß.“
Die meisten Geschäfte schlossen unter der Woche relativ früh. Hätte sie noch ein paar Minuten länger gewartet, müsste sie jetzt wahrscheinlich an jedem Laden für einen kleinen Plausch anhalten.
Für einen Ort, an dem Gesetzesbrecher verwahrt werden sollten, sah das Polizeirevier von der Straße aus sehr einladend aus. Becky fand direkt davor eine leere Parklücke und eilte an den Bänken und Topfpflanzen vorbei. Sie stürmte praktisch durch die Glastür, nur um sofort abrupt stehenzubleiben.
Wie erwartet stand D.J. neben dem mittelgroßen felligen grauen Tier. Doch anstatt die beiden in seinem Büro anzutreffen, waren sie auf Esther fixiert, die ein Baby in ihren Armen wiegte. „Verdient ihr euch jetzt ein Zubrot als Babysitter?“, fragte Becky.
„Sieht so aus.“ Esther summte für das Baby an ihrer Schulter.
Der Hund riss sich von D.J. los und sprang in Beckys Richtung.“
„Hey.“ D.J. drehte sich dem Hund hinterher.
Mit wackelndem Schwanz erreichte der Streuner Becky vor ihm, machte vor ihr Sitz und bot ihr seine Pfote an.
„Das hat er bei mir auch gemacht.“ D.J. stoppte vor ihr und seine dunklen Augen wanderten wieder zu dem Baby.
„Du bist ein Gentleman, nicht wahr?“ Sie ging in die Hocke und kraulte den Hund mit beiden Händen am Hals. Dann hob sie den Kopf und blickte zu D.J.. „Wem gehört das Baby?“
„Das wollen wir gerade herausfinden.“
„Herausfinden?“ Sie blickte von D.J. zu Esther und wieder zurück.
D.J. winkte mit ein paar Briefen. „Das Baby wurde hier in einer Pappschachtel an der Treppe ausgesetzt. Die hier lagen darin.“ Er drehte sich zu seinem Büro und zeigte auf den Hund.“ „Rin Tin Tin hier hat Wache gehalten.“
„Du bist aber ein guter Hund.“ Sie kraulte ihn weiter hinter den Ohren. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand aus der Gegend ein Baby ohne Schutz an der Türschwelle ablegen würde.“ Sie tätschelte den Kopf des Hundes, erhob sich und ging zu Esther hinüber. „Mädchen oder Junge?“
„Wir haben noch nicht nachgesehen. Als der Chief die Box aufgehoben hatte, wachte das arme Ding auf und Mr. Dad da drüben gab mir das Baby so schnell, als würde es in Flammen stehen.“
Gurrend tätschelte Becky dem Baby den Rücken. „Sind Babys nicht süß?“
D.J. riss einen Umschlag auf und ging in sein Büro.
Das Telefon klingelte. Esther blickte zu ihrem Boss, schüttelte den Kopf und reichte Becky das Baby. „Jemand muss da rangehen.“
„Ja, das muss jemand“, rief D.J. von seinem Schreibtisch aus und öffnete das gefaltete Blatt Papier.
Becky folgte ihm. Der Hund ließ sich in der Tür nieder und blickte zum Eingang.
Behutsam wiegte Becky das kleine Wesen in ihren Armen wieder in den Schlaf. Sie liebte Babys. Eigentlich alle Kinder. Seit sie selbst ein kleines Kind war, träumte sie von einem schönen weißen Ranch-Haus mit einem kleinen umzäunten Garten an der Seite und Kindern mit gemeißelten Farraday-Gesichtszügen, blaugrünen Augen und Ethans sandblonden Haaren. Doch mit jedem Jahr, das verging und in dem Ethan weiter mit dem Marine-Corps verheiratet war, schien es unwahrscheinlicher zu werden, dass ihr Traum vom glücklich-bis-an-ihr-Lebensende in Erfüllung gehen würde. Aber sie war nicht bereit, ihren Traum aufzugeben. Noch nicht. Irgendwann würde er nach Hause kommen und sie als die erwachsene Frau sehen, die aus ihr geworden war. Und dann hätte er keine andere Wahl, als sich Hals über Kopf in sie zu verlieben, so wie es ihr im ersten Jahr an der Grundschule widerfahren war. „Wer würde etwas so kostbares aussetzen?“
„Das versuche ich gerade herauszufinden.“ D.J. blickte weiter auf das Blatt Papier vor ihm. „Hier steht nur, dass die paar Tage, die sie und der Vater zusammen verbracht hatten fantastisch waren.“ Er blickte über den Rand des Papiers. „Ich erspare dir die, ähm … intimen Details.“
Becky blickte nach unten, um zu verbergen, dass sie errötete. Sie konnte mit den Mädels ohne Probleme über Sex witzeln und reden, aber umgeben von starken, gutaussehenden Männern, oder in diesem Fall einem Mann, meldete sich ihre altmodische Erziehung immer zu Wort.
„Klingt so, als wäre – ist – Mama von der wilden Sorte.“ D.J. las weiter. „Sie dachte, es wäre an der Zeit, eine Familie zu gründen. Dass die Schwangerschaft trotz Verhütung ein Zeichen von Gott war.“ D.J. zog bei diesen Worten eine seiner dunklen Augenbrauen nach oben.
„Ich denke, die Neuartigkeit wurde schnell langweilig.“
„Ja.“ Er blätterte zur zweiten Seite. „Sie fährt einfach weiter, wo das helle Licht sie hinzieht und weiß, dass Brittany –“
„Also bist du ein Mädchen.“ Becky küsste das süße Kind auf die Stirn. „Ich hätte es wissen müssen. So ein hübsches Gesicht.“
D.J. fuhr fort: „Die Mutter weiß, dass sie es bei einer stabilen Familie besser haben wird. Familie? Sch …“ D.J. seufzte laut, schloss die Augen und drückte seinen Nasenrücken. „Hört sich so an, als hätte der ahnungslose liebende Vater bereits eine eigene Familie. Ich frage mich, wie Mrs. Liebender Vater das aufnehmen wird.“
„Ich weiß nicht, wie stabil eine Familie sein kann, wenn dieser liebende Vater seine Frau betrügt. Steht in dem Brief, wer dieser Vater ist?“
D.J. schüttelte den Kopf, legte den Brief auf den Schreibtisch und zog sein Handy heraus. „Reed, ich will, dass du dich an der Auffahrt zum Highway positionierst.“
„Soll ich nach Rasern Ausschau halten?“, fragte der junge Officer.
„Dieses Mal nicht. Wenn du ein Auto siehst, dass du nicht kennst, frag das Nummernschild ab und ruf mich zurück.“ D.J. legte auf und las weiter.
„Du denkst, die Mutter ist nicht von hier?“
D.J. nickte. „Hier in dieser Stadt gibt es keinen Ort, an dem ein Mann ein Wochenende seinen Spaß haben könnte, ohne dass seine Frau es herausfindet.“
„Wieso hat sie Brittany hier und nicht bei ihrem Vater ausgesetzt?“
„Wahrscheinlich“, D.J. steckte den Brief wieder in den Umschlag und holte ein weiteres Blatt Papier heraus, „damit sie nicht festgenommen wird. Das Baby vor einer sicheren Einrichtung auszusetzen, schützt sie in Texas vor strafrechtlicher Verfolgung.“
„Ich würde die Treppe keinen sicheren Ort nennen.“
„Ja, sie wusste vermutlich, dass einer von uns rein oder raus gehen würde.“ Er blickte durch das Glasfenster seines Büros zur Eingangstür. „Das wird ein Chaos werden. Selbst wenn wir herausfinden, wer der Vater ist, muss ich das Jugendamt einschalten, damit wir eine zertifizierte Pflegefamilie für sie finden. Der Vater wird einen Vaterschaftstest verlangen und, anders als im Fernsehen, wird das nicht über Nacht passieren, wenn der Staat involviert ist.“
Durch das Wiegen war das süße Baby trotz der Unterhaltung eingeschlafen. Becky verlagerte ihr Gewicht. „Ich kann helfen.“
D.J. faltete das nächste Blatt Papier auf und blickte Becky an. „Weißt du etwas, das ich nicht weiß?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin offiziell immer noch zertifizierte Pflegemutter. Erinnerst du dich an Omas Cousine Gert, die während eines Besuchs vor ein paar Jahren gestorben ist? Sie hatte ihren Enkel Chase bei sich. Seine Mama war damals einige Zeit verschwunden und sie hatte Gert nie gesagt, wer der Vater war.“
„Richtig. Ihr hattet den Jungen ein paar Monate, bis das Jugendamt den Vater fand.“
„Wir hätten ihn auch behalten, hätte Oma den Kerl nicht gemocht. Scheinbar wusste er nicht einmal, dass er einen Sohn hatte.“
„So etwas scheint öfter vorzukommen.“ D.J. wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Brief vor sich zu. Plötzlich wurden seine Augen so groß wie ein Vollmond im Herbst.
„Was ist?“
Seine Hand fiel auf den Tisch. „Das ist die Geburtsurkunde.“
„Gut. Zumindest wissen wir, wer die Mutter ist.“
D.J. nickte. „Und wir wissen auch, wer der Vater ist.“
Etwas in seiner Stimme verpasste ihr eine Gänsehaut. Sicherlich war D.J. nicht derjenige, der mit seltsamen Frauen feierte. Doch jetzt, wo sie darüber nachdachte. Keiner der Farraday-Männer hatte etwas mit Frauen aus der Gegend und sie müsste sehr naiv sein, wenn sie dachte, dass sie zölibatär lebten. Sie schluckte und wartete auf seine nächsten Worte.
„Becky.“ Er atmete tief ein. „Es ist Ethan.“