Ethans Himmel auf Erden
Kapitel Eins
„Bereit zum Abheben.“
Nach wochenlanger Planung und intensivem Training war das Team in der Lage gewesen diese Mission im
Schlaf zu erledigen. Nun war er mit acht Seelen und seinem Co-Piloten endlich auf dem Heimweg.
Plötzlich ertönte ein lautes „Rakete, Rakete, Rakete!“ über Ethans Kopfhörer. Über die Schulter sah er die
herannahende Boden-Luft-Rakete. Verdammt. Ein Kaleidoskop aus orangen und gelben Lichtern blitze rechts von
ihm auf, als der Helikopter einen Ruck nach links machte. Verdammter … Der Hubschrauber kippte vor und zurück,
dann von einer Seite zur anderen. Das war nicht, wie er das Ende der Mission geplant hatte. Über den Bordfunk wies
er seinen Co-Piloten an, die Waffensysteme zu entleeren. „Schieß alles ab.“ Trudelnd stürzte sein Vogel in Richtung
Boden. Scheiße.
Umgeben von schwierigem Gelände würden GPS, Funk und Notfallfunkfeuer vermutlich nicht von Nutzen
sein und die Zeit war nicht auf seiner Seite. Einen wilden Bullen zu zureiten, war ein Klacks dagegen, einen
Helikopter zu kontrollieren, dessen Heckrotor zerstört worden war. Er hatte neun Menschen an Bord. Sie hatten zu
viel durchgemacht, um nicht wieder zu ihren Familien zurückzukehren. Ihr werdet wieder nach Hause zu euren
Liebsten kommen. Heute würden sie nicht sterben. Er hatte sie hierhergebracht und er würde sie auch wieder
zurückbringen.
Das unaufhörliche Trommeln des Flakfeuers überzog sie wie das Rauschen eines defekten Funkgeräts.
Rauch drang ins Cockpit und der Bergrücken kam immer näher. „Nicht heute“, murmelte er. Flammen züngelten
wie eine Schlange auf Beutesuche an seinem Hubschrauber. „Bereitmachen für Aufschlag!“
Ethans Augen schossen auf. Atme. Ruhig. Er lebte und … hing nicht kopfüber. Blinzelnd blickte er auf
seine Hände. Kein Schrapnell, kein Blut. Ein Verband. Er blinzelte erneut und schluckte schwer. „Die Männer“,
murmelte er, bevor er sich daran erinnerte, dass sein durchlöcherter Hubschrauber all seine Passagiere in einem
Stück auf festen Boden gebracht hatte.
„Sind wohlauf, Major.“ Eine große attraktive Frau kam mit einem Waschlappen in der Hand aus dem
Badezimmer zu ihm. Ohne ein Wort zu sagen, tupfte sie ihm den Scheiß von der Stirn.
Ihr Name lag ihm auf der Zunge. Er kannte diese Frau, aber sein Kopf war immer noch benebelt.
„Ich habe gehört, Sie haben ein kleines Wunder vollbracht. Nicht viele Leute überleben einen
Hubschrauberabsturz –“
„Kontrollierte harte Landung.“ Das Wort Absturz wollte er nicht hören.
„Entschuldigung. Wie ich sagte, nicht viele überleben eine harte Landung, geschweige denn, die ganze
Crew.“
Jetzt erinnerte er sich. Commander Billings. Seine Chirurgin. Man musste ihn wieder auf stärkere
Medikamente gesetzt haben. Er hasste, wie die Schmerzmittel seinen Kopf vernebelten. „Wie wohlauf ist wohlauf?“
Die hübsche Ärztin runzelte die Stirn und lächelte wieder. „Ihr Copilot ist bereits zusammengeflickt und
wieder bei Ihrer Einheit.“
Der Nebel in Ethans Kopf lichtete sich immer mehr. Er wusste das. Er wusste, dass sein Kumpel Hammer
okay war.
„Der Großteil des Teams erholt sich von Knochenbrüchen, leichten Gehirnerschütterungen und
Schnittwunden. Ein paar Verbrennungen ersten Grades. Lieutenant Bishop musste wegen eines Milzrisses operiert
werden, aber er erholt sich gut.“
Auch das wusste Ethan. „Sie haben mir das bereits erzählt, nicht wahr?“
Der Commander nickte. Seine Vergesslichkeit musste ihr vorheriges Stirnrunzeln verursacht haben, doch
jetzt schien sie froh zu sein, dass er sich erinnerte. „Sie machen gute Fortschritte. Der Fuß sieht gut aus. Ihre Hand
ebenfalls.“
Er wackelte mit den Fingern und Zehen. Ethan war sich nicht sicher, wie viele Tage er bereits hier war,
aber er wusste, dass er bereit war, wieder loszulegen. „Wie lange, bis ich meinen Dienst wieder aufnehmen kann?“
Eine einzelne Augenbraue wanderte ihre Stirn hinauf. „Marines“, murmelte sie leise, während sie den Kopf
schüttelte. „Das ist ein ernster Bruch. Sie hatten mehrere Operationen und eine schwere Infektion mit hohem Fieber,
weswegen sie die Woche fast nur geschlafen hatten. Ihre Knochen brauchen sechs bis acht Wochen, um völlig zu
heilen, genauso wie die von anderen Sterblichen.“
Etwas an der Art, wie sie ihn neckte, entspannte ihn. Erinnerte ihn an Zuhause. Jetzt erinnerte er sich. Er
war an seinem Laptop gewesen, um auf den Neuesten Stand zu kommen, bis er sich nicht mehr hatte wachhalten
können. Wie lange war das her? „Meine Familie?“
„Ja, nun. Es scheint, als hätte es eine Panne mit den Papieren gegeben.“
„Panne?“
„Sie haben erst gestern eine offizielle Nachricht über Ihren Status bekommen. Ich habe gehört, ihr Vater
und ihr Bruder sind auf dem Weg.“
„Nein.“ Wenn die Ärztin vorhatte, ihn zwei Monate für den aktiven Dienst untauglich zu schreiben,
bedeutete das, dass er bei seiner Entlassung zurück auf seiner Heimatbasis verlegt werden würde. In diesem Fall
könnte er auch seinen aufgesparten Urlaub nehmen und seinen Arsch nach Hause schaffen. Wenn er schon aus dem
Verkehr gezogen war, dann doch lieber auf der Ranch. Nicht, dass es in Pendleton schlimm wäre – doch es war
einfach nicht Zuhause. „Das ist nicht notwendig.“
„Den Teufel ist es nicht.“ Sean Farraday betrat das Zimmer. Mit über ein Meter achtzig, gekleidet in das für
West-Texas typische Outfit, bestehend aus Jeans, Hemd, Rodeo-Gürtelschnalle, abgetragenen – aber polierten –
Stiefeln und natürlich einem Statson, war der Mann ein beeindruckender Anblick. Und eine kleine Anomalie in
Washington D.C.. „Du hast Glück, dass Tante Eileen nicht hier ist, ansonsten würde sie dich drücken, bis dir die
Luft wegbleibt.“
Ethan fing an zu kichern, was ihm einen stechenden Schmerz in der Seite bescherte.
„Rippenprellung“, erklärte die Ärztin. Daran erinnerte er sich nicht. Natürlich, denn seit er im Walter Reed
eingetroffen war, hatte er nicht viel zu lachen gehabt. „Ich bin Commander Billings“, sagte sie und streckte die Hand
aus.
„Wie geht es Ihnen?“ Sein Dad, der den Hut abgenommen hatte, schüttelte ihr die Hand. „Haben Sie sich
gut um meinen kleinen Jungen gekümmert?“
Die Augen der Frau funkelten belustigt, aber sie hatte den Anstand, nicht darüber zu lachen, dass Ethan als
kleiner Junge bezeichnet wurde. „Wir alle geben unser Bestes.“
„Gut.“ Sein Vater drehte sich um und trat mit in Falten gelegten Augenbrauen zu seinem Sohn. „Wie geht
es dir, ehrlich?“
„Bereit für einen Sprung in den Bach. Sollte jetzt schön tief sein.“
Sein Dad lächelte. „Könnte besser sein.“
„Nicht genug Regen?“ Der Nebel in seinem Kopf hatte sich noch nicht verzogen. Er sollte die Antwort
kennen.
„Ausreichend“, antwortete Sean und studierte seinen Sohn wie ein neugeborenes Kälbchen von Kopf bis
Fuß.
„Wie sieht der andere aus?“ Sein Bruder D.J. kam in den Raum und steckte sein Handy in die Tasche.
Dann reichte er der Ärztin, die etwas erstaunt über den Anblick eines zweiten über ein Meter achtzig großen Mannes
in Statson und Cowboystiefeln wirkte, die Hand. „Ich bin Declan.“
„Declan?“, murmelte Ethan überrascht. „Bist du in Ungnade gefallen?“
Sein Dad schüttelte lächelnd den Kopf. „Es scheint, als denkt Becky, dass Declan ein schöner Name ist.“
Also hatte er die Posts im Internet nicht falsch interpretiert. „Hol mich der …“
„Wenn Sie mich entschuldigen würden.“ Dr. Billings trat beiseite. „Ich muss mit meiner Visite
weitermachen. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, kann die Krankenschwester mich anpiepsen. Aber wenn ihr
Sohn weiter solche Fortschritte zeigt, sollte er noch diese Woche wieder nach Kalifornien können.“
D.J. und sein Vater wechselten einen Blick, der Ethan nicht gefiel. Irgendwann zwischen den
Nachwirkungen seiner zweiten OP und dem hohen Fieber war ihm die Unmenge an Kontaktversuchen seiner
Geschwister aufgefallen und er fragte sich, was los war. Langsam kam ihm alles wieder in den Sinn. Nachdem er die
Fotos von Becky und seinem Bruder gesehen hatte, hatte er gedacht, dass die Nachrichten davon handeln mussten.
Die Farraday Brüder fielen wie die Fliegen. Er wusste, dass Becky ein guter Fang war, und er würde den Arsch
seines Bruders von hier bis nach Bagram treten, sollte er sie enttäuschen. Doch der Gesichtsausdruck seines Vaters
schien nichts mit seinen liebestrunkenen Söhnen zu tun zu haben.
„Also, was zum Teufel ist los?“
* * *
Als das heiße Wasser auf ihren Rücken prasselte, konnte Allison Monroe schwören, dass es nichts Besseres
im Leben gab, als fließend Wasser. Wenn sie zwischen einer Toilette und einem Boiler wählen müsste, würde die
heiße Dusche immer gewinnen.
Morgen früh würde sie das kleine Büro bei MHI, Mobile Healthcare International, aufsuchen und sich über
die Geschehnisse in der zivilisierten Welt zu informieren. Doch bis dahin hatte sie ein Date mit einer sehr warmen
und äußerst bequemen Matratze. Nachdem sie in den letzten Monaten, die sie in abgelegenen Dörfern verbracht
hatte, entweder auf einem Boot oder in einem Zelt gewohnt hatte, nahm ein echtes Bett den zweiten Platz hinter
einer heißen Dusche ein, was die Toilette auf den dritten Platz verwies. Bis nach dem Sonnenaufgang zu schlafen,
war ein lang ersehnter Luxus.
Der Aspekt des Stadtlebens, auf den sie sich jedoch nicht freute, war das Ritual, sich die Haare aufwendig
zurechtzumachen und Make-up aufzutragen, bevor sie in die Öffentlichkeit ging. Mit ihren nassen Haaren in ein
Handtuch gewickelt und eingehüllt in einen Frotteebademantel sank Allison in ihr flauschiges Bett und griff nach
ihrem Laptop. Wenn sie sich gestattete, jetzt, um erst sieben Uhr, einzuschlafen, würde sie weit vor Sonnenaufgang
wach sein.
„Was für ein Schwachsinn.“ Das war der Grund, warum sie jedes Jahr sieben Monate fern der Zivilisation
verbrachte. Die Dinge, über die sich die Leute in den Sozialen Medien beschwerten, als ginge es dabei um Leben
und Tod, waren lächerlich. „Ich würde dich gerne zwischen kranken und sterbenden Kindern sehen und dann kannst
du erzählen, wie wichtig es ist, dass dein Stadtrat keine Werbung für seine Alma Mater machen darf. Echt.“
Allison schob sich von der Matratze, nahm das Handtuch ab und schüttelte ihr Haar aus. Nicht einmal in
der tropischen Hitze fiel ihr Haar anders als kerzengerade. Nachdem sie das Handtuch ins Badezimmer geworfen
hatte, ging sie durch den Raum und nahm sich eine frische Mango. Das würde sie vermissen. Und ganz besonders
die einheimischen Früchte, die es selbst in den üppigen Tälern Nord-Kaliforniens nicht gab. Und die freundliche
Bedienung. An den meisten Tagen, wenn die Leute sich besondere Mühe gaben, la doctora zu helfen, fühlte sie sich
eher wie eine Königin als wie eine Ärztin.
Mit ein paar ciduelas in der Hand, einer kleinen roten und orangen Frucht, die einer Pflaume ähnelte, aber
nichts mit ihr gemein hatte, und einer Schale mit klein geschnittener Mango, setzte sich Allison wieder vor ihren
Laptop. „Vielleicht sind E-Mails nicht so schlimm.“ Nachdem sie sämtlichen Spam von afrikanischen Prinzen, die
ihr Millionen schenken wollten und Seminaren, wie man als Immobilien-Mogul ohne Vorkenntnisse Millionen
scheffeln konnte, sowie weitere sinnlose Werbungen gelöscht hatte, konzentrierte sich Allison auf E-Mails von
Leuten, die sie wirklich kannte.
Die meisten ihrer Freunde verstanden, dass es auf ihren Reisen von einem abgelegenen Dorf zum anderen
fast genauso wahrscheinlich war, einen WLAN-Hotspot zu finden, wie über den sagenumwobenen Jungbrunnen zu
stolpern. Manche aber auch nicht. Was ihr eine lange Liste von Leuten bescherte, bei denen sie sich wegen,
verpassten Grillfeiern, Geburtstagen und anderen Events entschuldigen musste.
„Meredith?“ Die E-Mail ihrer Vermieterin sprang ihr ins Auge. Meredith war definitiv eine der Personen,
die wissen sollte, dass Allison E-Mails nicht bekommen würde.
Ich bin mir nicht sicher, wann du das lesen wirst, ich habe dir auch eine Nachricht aufs Handy gesprochen.
Sehr seltsam, ich hatte einen Besuch eines Mannes von Brooklyn Security and Investigation aus Miami, der nach dir
gesucht hat. Nun, eigentlich nach deiner Schwester. Ich sagte ihm, dass er sich irren musste, da du keine Schwester
hast, doch er war ziemlich hartnäckig.
„Oh Francine. Was ist jetzt?“ Allisons Brust schnürte sich zusammen. Es war derselbe atemraubende
Druck, den sie immer verspürte, wenn sie an die Schwester denken musste, die einen ganz anderen Pfad wie sie
eingeschlagen hatte. Solange sich Allison zurückerinnern konnte, steckte ihre Schwester in einem desaströsen Chaos
nach dem anderen. Zuerst mit ihrer armen Tante, die keine Ahnung hatte, was sie mit ihr machen sollte, dann mit
ihren Lehrern und schließlich mit der Polizei, bis sie eines Tages einfach verschwunden war. Gelegentlich erhielt
Allison eine Postkarte, wie damals, als Francine geheiratet hatte. Dann wieder, als sie sich hatte scheiden lassen.
Und eine weitere, in der sie verkündete, dass sie nun ein Star werden würde, da sie jetzt Model war. Diese Karten,
mit dem Poststempel von Kalifornien, hatten sie dazu veranlasst, ein Stipendium in Stanford anzunehmen. Auch
wenn sie damals nie wusste, wo ihre Schwester war, oder was sie anstellte, fühlte sie sich doch wohler, wenn sie
wusste, dass sie zumindest im selben Bundesstaat lebten.
Er gab mir seine Karte, aber ich dachte nicht weiter darüber nach, bis Mark erwähnte, dass derselbe
Ermittler im Krankenhaus aufgetaucht war, und dort ebenfalls nach dir gefragt hat. Der Kerl beharrt darauf, dass
es wichtig ist, dass er deine Schwester findet. Nur für den Fall, dass du ihn erreichen willst, sobald du das liest,
habe ich einen Scan der Karte mit den Kontaktdaten beigefügt.
Allison öffnete den Anhang. Simple Karte. Nichts Außergewöhnliches. Nur das Wesentliche. Vermutlich
noch ein Betrüger wie die ausländischen Prinzen. Sie schloss die Datei und wandte sich den anderen E-Mails zu.
Fünf oder sechs E-Mails weiter unten wusste sie schon nicht mehr alles. Doch was, wenn der Ermittler kein
Betrüger war? Was, wenn Francine etwas zugestoßen war? Nein, das ergab keinen Sinn. Wenn der Kerl nach ihr
suchte, dann würde er nicht wissen, ob etwas nicht stimmte. Oder doch? „Verdammt.“
Allison öffnete Merediths E-Mail erneut und schrieb die Nummer auf den Notizblock auf ihrem
Nachtkästchen. Dann sprang sie auf und kramte in ihrem Koffer nach ihrem Handy. Es war ganz unten in einem
Plastikbeutel verstaut, da sie nicht erwartet hatte, das Telefon zu benutzen, bis sie in einer Woche oder zwei wieder
zuhause war. Zumindest hatte sie für dieses sinnlose Unterfangen den passenden Roaming-Vertrag. Allison tippte
die Ziffern der Telefonnummer ein und wartete ungeduldig, bis es klingelte.
„Brooklyn Security“, antwortete eine tiefe Stimme mit einem leichten New Yorker Akzent.
„Ja“, sie räusperte sich, „hier ist Allison Monroe. Ich habe gehört, dass jemand aus Ihrem Büro mich
sucht.“
Das Geräusch von klackernden Schlüsseln hallte in ihrem Ohr wider, bevor die Stimme antwortete. „Oh ja,
wir haben gehofft, dass Sie in letzter Zeit Kontakt zu Ihrer Schwester, Francine, hatten.“
Offensichtlich war der Kerl nicht sehr gut in seinem Job, ansonsten hätte er gewusst, dass Allison die
letzten sieben Monate im Dschungel Südamerikas verbracht hatte.
„Irgendwann im letzten Jahr“, berichtigte er.
„Nein.“ Das war einfach. Allison hatte nichts von ihrer Schwester gehört, seit diese sie vor über einem Jahr
kontaktiert hatte, weil sie Geld für eine Kaution benötigte. Francine hatte darauf beharrt, dass die Drogen nicht ihr
gehörten. Allison hatte ihr so gerne glauben wollen, doch bis sie in einen Flieger nach San Diego gehüpft war, war
Francine bereits verschwunden. Wieder einmal. Die Telefonnummer war nicht erreichbar und die Frau bei der
Adresse, die ihr ihre Schwester gegeben hatte, behauptete, dass sie Francine schon über sechs Monate nicht gesehen
hatte. Es überraschte Allison, dass es in diesen Zeiten für jemanden so einfach sein konnte, nicht auffindbar zu sein.
Sie hoffte nur, dass dies nicht bedeutete, dass ihre Schwester auf der Straße lebte. Dieser Gedanke verängstigte
Allison fast genauso wie die Albträume von Drogenhöhlen und Unfällen unter Alkoholeinfluss.
„Es ist ziemlich wichtig, dass mein Klient mit Francine spricht. Wann war das letzte Mal, dass Sie Ihre
Schwester gesehen haben?“
„Am Tag nach ihrem sechzehnten Geburtstag.“ Allison schloss die Augen. Dieser Streit zwischen Francine
und ihrer Tante Millicent war der schlimmste gewesen, den sie erlebt hatte, seit sie zu ihr gezogen waren.
„Mit ihr gesprochen?“, fragte er.
Immer wenn sie schnell Geld brauchte.
„Dr. Monroe?“
„Vor über einem Jahr.“ Sie war sich nicht sicher, warum sie antwortete. Irgendwo tief in ihr hoffte sie
vermutlich, dass dieser Mann schaffen konnte, was keiner der Privatdetektive, die ihre Tante Millicent angeheuert
hatte, fertiggebracht hatte.
„Anklagen wegen Drogenbesitz.“ Das war keine Frage. Allison nickte. Auch wenn das dem Kerl am
anderen Ender der Leitung nicht half. Aber er schien ihre Bestätigung sowieso nicht zu brauchen. „Und sie hat nicht
versucht, Sie in den letzten paar Monaten zu kontaktieren?“
Allison schüttelte den Kopf? „Nicht, dass ich wüsste, aber ich bin immer noch im Ausland.“
„Verstehe. Wann kommen Sie wieder in die vereinigten Staaten zurück?“
„Vielleicht sollten Sie mir sagen, warum Sie mir all diese Fragen über meine Schwester stellen?“ Schwere
Stille herrschte am anderen Ende, während im Hintergrund erneut Schlüssel klimperten. Allison hielt den Atem an.
Sie hatte ein ungutes Gefühl.
„Dr. Monroe, ist Ihnen bewusst, dass Sie eine neugeborene Nichte haben?“
„Eine was?“ Das musste ein Irrtum sein. Dieser Mann musste nach einer anderen Francine Langdon
suchen, oder welchen Namen sie gerade benutzte.
„Ihre Schwester hat ein Baby vor der Tür meines Klienten ausgesetzt. Ich wurde angeheuert, um Francine
zu finden, jetzt wo die Vaterschaft bestätigt wurde.“
Vaterschaft? Allison war aufgesprungen und schmiss Dinge zurück in ihre Taschen. Das morgendliche
Meeting mit den Leitern der mobilen Klinik im Dschungel des Amazonas würde das kürzeste in der Geschichte des
MHI werden. Gleich danach würde sie in einem Flugzeug in die Staaten sitzen und nach … sie erstarrte. „Wo genau
hat meine Schwester meine Nichte ausgesetzt?“
* * *
Fassungslos beschrieb das Gefühl, das sich in Ethan ausbreitete, nicht einmal annähernd. Er war schon
wütenden Vorgesetzten, streitlustigen Rekruten, verrückten Aufständischen und sogar dem Tod
gegenübergestanden, doch nichts hatte ihn so erstarren lassen wie der Gedanke an Vaterschaft. „Seid ihr sicher?“
D.J. und sein Vater nickten synchron.
Natürlich waren sie sicher. Sie hatten ihm bereits von den DNS-Tests erzählt. Auch wenn seine DNS nicht
getestet wurde, warum sollte irgendeine Frau, die mit einem seiner Brüder geschlafen haben könnte, nach
Kalifornien gehen, um dort ihr Kind zur Welt zu bringen, und dann zurück nach Texas reisen, um es als das von
Ethan auszugeben? Er blickte auf die Geburtsurkunde in seiner Hand. Francine Langdon. Wieso machte es nicht
Klick? Ja, er mochte Frauen, und ja, wie viele Männer genoss er ihre Gesellschaft, doch es war nicht so, als hätte er
bei jeder Gelegenheit mit einem ganzen Harem geschlafen.
Keine Verpflichtungen, keine Bindungen waren Standartprozedur. Militärpiloten waren lausige
Ehemänner. Die meisten Frauen wussten das. Zumindest die, mit denen er etwas gehabt hatte. Aber er sollte
verdammt sein, wenn er dabei nicht immer ein Gentleman gewesen war. Er kannte immer die Namen der Frauen,
wusste, was sie mochten, und er stellte immer sicher, dass sie sich im Guten trennten, wenn sie beide wieder ihre
eigenen Wege gingen.
„Francine“, wiederholte er leise.
Die Braue über D.J.s linkem Auge wanderte hoch auf seine Stirn und Ethan wusste, dass er ertappt worden
war.
„Es war auch ein Brief bei der Geburtsurkunde“, sagte D.J. ebenso leise.
Ihr Vater drehte den Kopf, um D.J. anzusehen und wirkte etwas überrascht.
D.J. zog eine Schulter hoch und drehte sich dann zu Ethan. „Sie hat mit Fancy unterschrieben.“
Fancy. Er hatte von Anfang an gewusst, dass das nicht ihr echter Name sein konnte, aber sie hatte ihm
nicht mehr über sich erzählt. Es war ein sehr langes Wochenende nach einer sehr lagen und zermürbenden Übung
gewesen. Er wollte nur ein paar Biere, ein paar Runden Billard und eine Chance, an nicht denken zu müssen,
besonders nicht an den Grund für all das Training.
Sie war gerade aus einer Beziehung mit einem Kerl gekommen, den sie wenig liebevoll als König der
Arschlöscher bezeichnet hatte. Mehr als einmal wäre sie wegen des Drogenkonsums des Kerls fast im Gefängnis
gelandet, doch letztendlich war sie zu Verstand gekommen und hatte ihn abserviert. Er hatte das Gefühl gehabt, dass
sie es allein sehr schwer hatte. Und er erinnerte sich gut an jene Nacht.
Eine Blondine mit umwerfend blauen Augen und südkalifornischer Bräune. Fancy hatte etwas zu glücklich
ausgesehen, als sie die Bar betreten hatte, fast so, als wäre das nicht ihr erster Stopp gewesen. Doch sie konnte
gerade gehen und hatte eine Freundin an ihrer Seite. Eine Stunde später war die Freundin nirgends zu finden und ein
SEAL, der sein eigenes Gewicht in Tequila getrunken hatte, schmiegte sich an sie. Zehn Minuten später, als Ethan
fast schon zur Tür hinaus war, blickte er ein letztes Mal über die Schulter. Der Kerl mit den Oktopus-Händen war
aufdringlicher geworden und die Blondine versuchte, von ihm wegzukommen.
Ethan würde keine erwachsene Frau davon abhalten, Spaß zu haben, wenn diese das wollte, doch es gab
Regeln, an die sich jeder anständige Mann halten sollte, selbst solche, die viel zu lange im Einsatz gewesen waren.
Nein bedeutete nein und ein ja unter viel zu viel Alkoholeinfluss zählte nicht.
Er brauchte nicht mehr als ein paar zusätzliche Sekunden, um zu realisieren, dass diese Frau ihre Meinung
geändert hatte, egal, was sie zuvor gesagt hatte. Mit wenigen langen Schritten ging er hinüber und blieb neben der
Blondine stehen. Sie sah von Nahem sogar noch schöner aus und war definitiv nicht mehr in der Lage, ihre
Zustimmung zu geben. „Sorry, dass ich mich verspätet habe“, sagte er mit seinem besten Lächeln.
Mit geweiteten Augen blickte die Blondine über ihre Schulter und ein Funken Angst tauchte in ihren
Augen auf. Der Rüpel, der ihren Arm fest umklammerte, knurrte lediglich.
„Bereit nach Hause zu fahren?“, fragte Ethan, während er die bösen Blicke des Kerls ignorierte, der gerade
merkte, dass ihm die Chance auf etwas Spaß entglitt.
„Ich, ähm.“ Sie blinzelte und blickte ihn erneut an. Ihr Kopf schoss zu dem anderen Kerl und dann schnell
wieder zu Ethan. Dann nickte sie.
Vorsichtig legte er seine Hand um ihren Unterarm. „Lass uns gehen.“
Sofort fiel ihr Blick auf seine Hand und im selben Augenblick löste sich die Anspannung in ihrem Körper.
Vielleicht lag es an der Tatsache, dass er sie im Gegensatz zu dem groben notgeilen Gorilla kaum berührte, oder
daran, dass sie instinktiv erkannte, dass er ihr nicht schaden wollte. Doch egal was der Grund war, sie blickte in sein
Gesicht und lächelte. „Ja, gehen wir.“
Nicht gerade froh über die Planänderung stürzte sich der Idiot auf ihn, doch Ethan streckte den
Betrunkenen mit ein paar schnellen Schlägen nieder. Als Entschuldigung für die Umstände legte er ein paar
Geldscheine auf die Bar und verschwand gerade noch rechtzeitig mit der Blondine, bevor eine Marines-gegen-Navy-
Schlägerei ausbrach.
„Bist du noch bei uns?“, fragte sein Vater.
Ethan nickte. Er fühlte sich wie betäubt, doch nicht von den Schmerzmitteln. „Ich nehme Urlaub.“
„Die Ärztin meinte, dass du noch eine Woche hier sein könntest.“
„Das ist egal.“
„Ist es nicht“, sagte sein Vater. „Du tust niemandem einen Gefallen, wenn du nicht richtig gesund wirst.“
„Ich bin im Krankenstand. Ich soll nach Pendleton zurückkehren. Nachbehandlung und dann Reha.“
„Wann musst du wieder auf der Basis sein?“, fragte D.J..
Ethan schüttelte den Kopf. „Bald. Ich rede mit meinem Vorgesetzten. Ich habe etwas Urlaub angespart. Es
gibt keinen Grund, warum ich nicht bis zu Reha zuhause bleiben kann.“ Zuhause. Er wackelte mit den Zehen und
realisierte, dass er sich nicht mehr so große Sorgen um seinen Knöchel machte. Jetzt gab es etwas viel Wichtigeres,
um das er sich kümmern musste.
„Bereit zum Abheben.“
Nach wochenlanger Planung und intensivem Training war das Team in der Lage gewesen diese Mission im
Schlaf zu erledigen. Nun war er mit acht Seelen und seinem Co-Piloten endlich auf dem Heimweg.
Plötzlich ertönte ein lautes „Rakete, Rakete, Rakete!“ über Ethans Kopfhörer. Über die Schulter sah er die
herannahende Boden-Luft-Rakete. Verdammt. Ein Kaleidoskop aus orangen und gelben Lichtern blitze rechts von
ihm auf, als der Helikopter einen Ruck nach links machte. Verdammter … Der Hubschrauber kippte vor und zurück,
dann von einer Seite zur anderen. Das war nicht, wie er das Ende der Mission geplant hatte. Über den Bordfunk wies
er seinen Co-Piloten an, die Waffensysteme zu entleeren. „Schieß alles ab.“ Trudelnd stürzte sein Vogel in Richtung
Boden. Scheiße.
Umgeben von schwierigem Gelände würden GPS, Funk und Notfallfunkfeuer vermutlich nicht von Nutzen
sein und die Zeit war nicht auf seiner Seite. Einen wilden Bullen zu zureiten, war ein Klacks dagegen, einen
Helikopter zu kontrollieren, dessen Heckrotor zerstört worden war. Er hatte neun Menschen an Bord. Sie hatten zu
viel durchgemacht, um nicht wieder zu ihren Familien zurückzukehren. Ihr werdet wieder nach Hause zu euren
Liebsten kommen. Heute würden sie nicht sterben. Er hatte sie hierhergebracht und er würde sie auch wieder
zurückbringen.
Das unaufhörliche Trommeln des Flakfeuers überzog sie wie das Rauschen eines defekten Funkgeräts.
Rauch drang ins Cockpit und der Bergrücken kam immer näher. „Nicht heute“, murmelte er. Flammen züngelten
wie eine Schlange auf Beutesuche an seinem Hubschrauber. „Bereitmachen für Aufschlag!“
Ethans Augen schossen auf. Atme. Ruhig. Er lebte und … hing nicht kopfüber. Blinzelnd blickte er auf
seine Hände. Kein Schrapnell, kein Blut. Ein Verband. Er blinzelte erneut und schluckte schwer. „Die Männer“,
murmelte er, bevor er sich daran erinnerte, dass sein durchlöcherter Hubschrauber all seine Passagiere in einem
Stück auf festen Boden gebracht hatte.
„Sind wohlauf, Major.“ Eine große attraktive Frau kam mit einem Waschlappen in der Hand aus dem
Badezimmer zu ihm. Ohne ein Wort zu sagen, tupfte sie ihm den Scheiß von der Stirn.
Ihr Name lag ihm auf der Zunge. Er kannte diese Frau, aber sein Kopf war immer noch benebelt.
„Ich habe gehört, Sie haben ein kleines Wunder vollbracht. Nicht viele Leute überleben einen
Hubschrauberabsturz –“
„Kontrollierte harte Landung.“ Das Wort Absturz wollte er nicht hören.
„Entschuldigung. Wie ich sagte, nicht viele überleben eine harte Landung, geschweige denn, die ganze
Crew.“
Jetzt erinnerte er sich. Commander Billings. Seine Chirurgin. Man musste ihn wieder auf stärkere
Medikamente gesetzt haben. Er hasste, wie die Schmerzmittel seinen Kopf vernebelten. „Wie wohlauf ist wohlauf?“
Die hübsche Ärztin runzelte die Stirn und lächelte wieder. „Ihr Copilot ist bereits zusammengeflickt und
wieder bei Ihrer Einheit.“
Der Nebel in Ethans Kopf lichtete sich immer mehr. Er wusste das. Er wusste, dass sein Kumpel Hammer
okay war.
„Der Großteil des Teams erholt sich von Knochenbrüchen, leichten Gehirnerschütterungen und
Schnittwunden. Ein paar Verbrennungen ersten Grades. Lieutenant Bishop musste wegen eines Milzrisses operiert
werden, aber er erholt sich gut.“
Auch das wusste Ethan. „Sie haben mir das bereits erzählt, nicht wahr?“
Der Commander nickte. Seine Vergesslichkeit musste ihr vorheriges Stirnrunzeln verursacht haben, doch
jetzt schien sie froh zu sein, dass er sich erinnerte. „Sie machen gute Fortschritte. Der Fuß sieht gut aus. Ihre Hand
ebenfalls.“
Er wackelte mit den Fingern und Zehen. Ethan war sich nicht sicher, wie viele Tage er bereits hier war,
aber er wusste, dass er bereit war, wieder loszulegen. „Wie lange, bis ich meinen Dienst wieder aufnehmen kann?“
Eine einzelne Augenbraue wanderte ihre Stirn hinauf. „Marines“, murmelte sie leise, während sie den Kopf
schüttelte. „Das ist ein ernster Bruch. Sie hatten mehrere Operationen und eine schwere Infektion mit hohem Fieber,
weswegen sie die Woche fast nur geschlafen hatten. Ihre Knochen brauchen sechs bis acht Wochen, um völlig zu
heilen, genauso wie die von anderen Sterblichen.“
Etwas an der Art, wie sie ihn neckte, entspannte ihn. Erinnerte ihn an Zuhause. Jetzt erinnerte er sich. Er
war an seinem Laptop gewesen, um auf den Neuesten Stand zu kommen, bis er sich nicht mehr hatte wachhalten
können. Wie lange war das her? „Meine Familie?“
„Ja, nun. Es scheint, als hätte es eine Panne mit den Papieren gegeben.“
„Panne?“
„Sie haben erst gestern eine offizielle Nachricht über Ihren Status bekommen. Ich habe gehört, ihr Vater
und ihr Bruder sind auf dem Weg.“
„Nein.“ Wenn die Ärztin vorhatte, ihn zwei Monate für den aktiven Dienst untauglich zu schreiben,
bedeutete das, dass er bei seiner Entlassung zurück auf seiner Heimatbasis verlegt werden würde. In diesem Fall
könnte er auch seinen aufgesparten Urlaub nehmen und seinen Arsch nach Hause schaffen. Wenn er schon aus dem
Verkehr gezogen war, dann doch lieber auf der Ranch. Nicht, dass es in Pendleton schlimm wäre – doch es war
einfach nicht Zuhause. „Das ist nicht notwendig.“
„Den Teufel ist es nicht.“ Sean Farraday betrat das Zimmer. Mit über ein Meter achtzig, gekleidet in das für
West-Texas typische Outfit, bestehend aus Jeans, Hemd, Rodeo-Gürtelschnalle, abgetragenen – aber polierten –
Stiefeln und natürlich einem Statson, war der Mann ein beeindruckender Anblick. Und eine kleine Anomalie in
Washington D.C.. „Du hast Glück, dass Tante Eileen nicht hier ist, ansonsten würde sie dich drücken, bis dir die
Luft wegbleibt.“
Ethan fing an zu kichern, was ihm einen stechenden Schmerz in der Seite bescherte.
„Rippenprellung“, erklärte die Ärztin. Daran erinnerte er sich nicht. Natürlich, denn seit er im Walter Reed
eingetroffen war, hatte er nicht viel zu lachen gehabt. „Ich bin Commander Billings“, sagte sie und streckte die Hand
aus.
„Wie geht es Ihnen?“ Sein Dad, der den Hut abgenommen hatte, schüttelte ihr die Hand. „Haben Sie sich
gut um meinen kleinen Jungen gekümmert?“
Die Augen der Frau funkelten belustigt, aber sie hatte den Anstand, nicht darüber zu lachen, dass Ethan als
kleiner Junge bezeichnet wurde. „Wir alle geben unser Bestes.“
„Gut.“ Sein Vater drehte sich um und trat mit in Falten gelegten Augenbrauen zu seinem Sohn. „Wie geht
es dir, ehrlich?“
„Bereit für einen Sprung in den Bach. Sollte jetzt schön tief sein.“
Sein Dad lächelte. „Könnte besser sein.“
„Nicht genug Regen?“ Der Nebel in seinem Kopf hatte sich noch nicht verzogen. Er sollte die Antwort
kennen.
„Ausreichend“, antwortete Sean und studierte seinen Sohn wie ein neugeborenes Kälbchen von Kopf bis
Fuß.
„Wie sieht der andere aus?“ Sein Bruder D.J. kam in den Raum und steckte sein Handy in die Tasche.
Dann reichte er der Ärztin, die etwas erstaunt über den Anblick eines zweiten über ein Meter achtzig großen Mannes
in Statson und Cowboystiefeln wirkte, die Hand. „Ich bin Declan.“
„Declan?“, murmelte Ethan überrascht. „Bist du in Ungnade gefallen?“
Sein Dad schüttelte lächelnd den Kopf. „Es scheint, als denkt Becky, dass Declan ein schöner Name ist.“
Also hatte er die Posts im Internet nicht falsch interpretiert. „Hol mich der …“
„Wenn Sie mich entschuldigen würden.“ Dr. Billings trat beiseite. „Ich muss mit meiner Visite
weitermachen. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, kann die Krankenschwester mich anpiepsen. Aber wenn ihr
Sohn weiter solche Fortschritte zeigt, sollte er noch diese Woche wieder nach Kalifornien können.“
D.J. und sein Vater wechselten einen Blick, der Ethan nicht gefiel. Irgendwann zwischen den
Nachwirkungen seiner zweiten OP und dem hohen Fieber war ihm die Unmenge an Kontaktversuchen seiner
Geschwister aufgefallen und er fragte sich, was los war. Langsam kam ihm alles wieder in den Sinn. Nachdem er die
Fotos von Becky und seinem Bruder gesehen hatte, hatte er gedacht, dass die Nachrichten davon handeln mussten.
Die Farraday Brüder fielen wie die Fliegen. Er wusste, dass Becky ein guter Fang war, und er würde den Arsch
seines Bruders von hier bis nach Bagram treten, sollte er sie enttäuschen. Doch der Gesichtsausdruck seines Vaters
schien nichts mit seinen liebestrunkenen Söhnen zu tun zu haben.
„Also, was zum Teufel ist los?“
* * *
Als das heiße Wasser auf ihren Rücken prasselte, konnte Allison Monroe schwören, dass es nichts Besseres
im Leben gab, als fließend Wasser. Wenn sie zwischen einer Toilette und einem Boiler wählen müsste, würde die
heiße Dusche immer gewinnen.
Morgen früh würde sie das kleine Büro bei MHI, Mobile Healthcare International, aufsuchen und sich über
die Geschehnisse in der zivilisierten Welt zu informieren. Doch bis dahin hatte sie ein Date mit einer sehr warmen
und äußerst bequemen Matratze. Nachdem sie in den letzten Monaten, die sie in abgelegenen Dörfern verbracht
hatte, entweder auf einem Boot oder in einem Zelt gewohnt hatte, nahm ein echtes Bett den zweiten Platz hinter
einer heißen Dusche ein, was die Toilette auf den dritten Platz verwies. Bis nach dem Sonnenaufgang zu schlafen,
war ein lang ersehnter Luxus.
Der Aspekt des Stadtlebens, auf den sie sich jedoch nicht freute, war das Ritual, sich die Haare aufwendig
zurechtzumachen und Make-up aufzutragen, bevor sie in die Öffentlichkeit ging. Mit ihren nassen Haaren in ein
Handtuch gewickelt und eingehüllt in einen Frotteebademantel sank Allison in ihr flauschiges Bett und griff nach
ihrem Laptop. Wenn sie sich gestattete, jetzt, um erst sieben Uhr, einzuschlafen, würde sie weit vor Sonnenaufgang
wach sein.
„Was für ein Schwachsinn.“ Das war der Grund, warum sie jedes Jahr sieben Monate fern der Zivilisation
verbrachte. Die Dinge, über die sich die Leute in den Sozialen Medien beschwerten, als ginge es dabei um Leben
und Tod, waren lächerlich. „Ich würde dich gerne zwischen kranken und sterbenden Kindern sehen und dann kannst
du erzählen, wie wichtig es ist, dass dein Stadtrat keine Werbung für seine Alma Mater machen darf. Echt.“
Allison schob sich von der Matratze, nahm das Handtuch ab und schüttelte ihr Haar aus. Nicht einmal in
der tropischen Hitze fiel ihr Haar anders als kerzengerade. Nachdem sie das Handtuch ins Badezimmer geworfen
hatte, ging sie durch den Raum und nahm sich eine frische Mango. Das würde sie vermissen. Und ganz besonders
die einheimischen Früchte, die es selbst in den üppigen Tälern Nord-Kaliforniens nicht gab. Und die freundliche
Bedienung. An den meisten Tagen, wenn die Leute sich besondere Mühe gaben, la doctora zu helfen, fühlte sie sich
eher wie eine Königin als wie eine Ärztin.
Mit ein paar ciduelas in der Hand, einer kleinen roten und orangen Frucht, die einer Pflaume ähnelte, aber
nichts mit ihr gemein hatte, und einer Schale mit klein geschnittener Mango, setzte sich Allison wieder vor ihren
Laptop. „Vielleicht sind E-Mails nicht so schlimm.“ Nachdem sie sämtlichen Spam von afrikanischen Prinzen, die
ihr Millionen schenken wollten und Seminaren, wie man als Immobilien-Mogul ohne Vorkenntnisse Millionen
scheffeln konnte, sowie weitere sinnlose Werbungen gelöscht hatte, konzentrierte sich Allison auf E-Mails von
Leuten, die sie wirklich kannte.
Die meisten ihrer Freunde verstanden, dass es auf ihren Reisen von einem abgelegenen Dorf zum anderen
fast genauso wahrscheinlich war, einen WLAN-Hotspot zu finden, wie über den sagenumwobenen Jungbrunnen zu
stolpern. Manche aber auch nicht. Was ihr eine lange Liste von Leuten bescherte, bei denen sie sich wegen,
verpassten Grillfeiern, Geburtstagen und anderen Events entschuldigen musste.
„Meredith?“ Die E-Mail ihrer Vermieterin sprang ihr ins Auge. Meredith war definitiv eine der Personen,
die wissen sollte, dass Allison E-Mails nicht bekommen würde.
Ich bin mir nicht sicher, wann du das lesen wirst, ich habe dir auch eine Nachricht aufs Handy gesprochen.
Sehr seltsam, ich hatte einen Besuch eines Mannes von Brooklyn Security and Investigation aus Miami, der nach dir
gesucht hat. Nun, eigentlich nach deiner Schwester. Ich sagte ihm, dass er sich irren musste, da du keine Schwester
hast, doch er war ziemlich hartnäckig.
„Oh Francine. Was ist jetzt?“ Allisons Brust schnürte sich zusammen. Es war derselbe atemraubende
Druck, den sie immer verspürte, wenn sie an die Schwester denken musste, die einen ganz anderen Pfad wie sie
eingeschlagen hatte. Solange sich Allison zurückerinnern konnte, steckte ihre Schwester in einem desaströsen Chaos
nach dem anderen. Zuerst mit ihrer armen Tante, die keine Ahnung hatte, was sie mit ihr machen sollte, dann mit
ihren Lehrern und schließlich mit der Polizei, bis sie eines Tages einfach verschwunden war. Gelegentlich erhielt
Allison eine Postkarte, wie damals, als Francine geheiratet hatte. Dann wieder, als sie sich hatte scheiden lassen.
Und eine weitere, in der sie verkündete, dass sie nun ein Star werden würde, da sie jetzt Model war. Diese Karten,
mit dem Poststempel von Kalifornien, hatten sie dazu veranlasst, ein Stipendium in Stanford anzunehmen. Auch
wenn sie damals nie wusste, wo ihre Schwester war, oder was sie anstellte, fühlte sie sich doch wohler, wenn sie
wusste, dass sie zumindest im selben Bundesstaat lebten.
Er gab mir seine Karte, aber ich dachte nicht weiter darüber nach, bis Mark erwähnte, dass derselbe
Ermittler im Krankenhaus aufgetaucht war, und dort ebenfalls nach dir gefragt hat. Der Kerl beharrt darauf, dass
es wichtig ist, dass er deine Schwester findet. Nur für den Fall, dass du ihn erreichen willst, sobald du das liest,
habe ich einen Scan der Karte mit den Kontaktdaten beigefügt.
Allison öffnete den Anhang. Simple Karte. Nichts Außergewöhnliches. Nur das Wesentliche. Vermutlich
noch ein Betrüger wie die ausländischen Prinzen. Sie schloss die Datei und wandte sich den anderen E-Mails zu.
Fünf oder sechs E-Mails weiter unten wusste sie schon nicht mehr alles. Doch was, wenn der Ermittler kein
Betrüger war? Was, wenn Francine etwas zugestoßen war? Nein, das ergab keinen Sinn. Wenn der Kerl nach ihr
suchte, dann würde er nicht wissen, ob etwas nicht stimmte. Oder doch? „Verdammt.“
Allison öffnete Merediths E-Mail erneut und schrieb die Nummer auf den Notizblock auf ihrem
Nachtkästchen. Dann sprang sie auf und kramte in ihrem Koffer nach ihrem Handy. Es war ganz unten in einem
Plastikbeutel verstaut, da sie nicht erwartet hatte, das Telefon zu benutzen, bis sie in einer Woche oder zwei wieder
zuhause war. Zumindest hatte sie für dieses sinnlose Unterfangen den passenden Roaming-Vertrag. Allison tippte
die Ziffern der Telefonnummer ein und wartete ungeduldig, bis es klingelte.
„Brooklyn Security“, antwortete eine tiefe Stimme mit einem leichten New Yorker Akzent.
„Ja“, sie räusperte sich, „hier ist Allison Monroe. Ich habe gehört, dass jemand aus Ihrem Büro mich
sucht.“
Das Geräusch von klackernden Schlüsseln hallte in ihrem Ohr wider, bevor die Stimme antwortete. „Oh ja,
wir haben gehofft, dass Sie in letzter Zeit Kontakt zu Ihrer Schwester, Francine, hatten.“
Offensichtlich war der Kerl nicht sehr gut in seinem Job, ansonsten hätte er gewusst, dass Allison die
letzten sieben Monate im Dschungel Südamerikas verbracht hatte.
„Irgendwann im letzten Jahr“, berichtigte er.
„Nein.“ Das war einfach. Allison hatte nichts von ihrer Schwester gehört, seit diese sie vor über einem Jahr
kontaktiert hatte, weil sie Geld für eine Kaution benötigte. Francine hatte darauf beharrt, dass die Drogen nicht ihr
gehörten. Allison hatte ihr so gerne glauben wollen, doch bis sie in einen Flieger nach San Diego gehüpft war, war
Francine bereits verschwunden. Wieder einmal. Die Telefonnummer war nicht erreichbar und die Frau bei der
Adresse, die ihr ihre Schwester gegeben hatte, behauptete, dass sie Francine schon über sechs Monate nicht gesehen
hatte. Es überraschte Allison, dass es in diesen Zeiten für jemanden so einfach sein konnte, nicht auffindbar zu sein.
Sie hoffte nur, dass dies nicht bedeutete, dass ihre Schwester auf der Straße lebte. Dieser Gedanke verängstigte
Allison fast genauso wie die Albträume von Drogenhöhlen und Unfällen unter Alkoholeinfluss.
„Es ist ziemlich wichtig, dass mein Klient mit Francine spricht. Wann war das letzte Mal, dass Sie Ihre
Schwester gesehen haben?“
„Am Tag nach ihrem sechzehnten Geburtstag.“ Allison schloss die Augen. Dieser Streit zwischen Francine
und ihrer Tante Millicent war der schlimmste gewesen, den sie erlebt hatte, seit sie zu ihr gezogen waren.
„Mit ihr gesprochen?“, fragte er.
Immer wenn sie schnell Geld brauchte.
„Dr. Monroe?“
„Vor über einem Jahr.“ Sie war sich nicht sicher, warum sie antwortete. Irgendwo tief in ihr hoffte sie
vermutlich, dass dieser Mann schaffen konnte, was keiner der Privatdetektive, die ihre Tante Millicent angeheuert
hatte, fertiggebracht hatte.
„Anklagen wegen Drogenbesitz.“ Das war keine Frage. Allison nickte. Auch wenn das dem Kerl am
anderen Ender der Leitung nicht half. Aber er schien ihre Bestätigung sowieso nicht zu brauchen. „Und sie hat nicht
versucht, Sie in den letzten paar Monaten zu kontaktieren?“
Allison schüttelte den Kopf? „Nicht, dass ich wüsste, aber ich bin immer noch im Ausland.“
„Verstehe. Wann kommen Sie wieder in die vereinigten Staaten zurück?“
„Vielleicht sollten Sie mir sagen, warum Sie mir all diese Fragen über meine Schwester stellen?“ Schwere
Stille herrschte am anderen Ende, während im Hintergrund erneut Schlüssel klimperten. Allison hielt den Atem an.
Sie hatte ein ungutes Gefühl.
„Dr. Monroe, ist Ihnen bewusst, dass Sie eine neugeborene Nichte haben?“
„Eine was?“ Das musste ein Irrtum sein. Dieser Mann musste nach einer anderen Francine Langdon
suchen, oder welchen Namen sie gerade benutzte.
„Ihre Schwester hat ein Baby vor der Tür meines Klienten ausgesetzt. Ich wurde angeheuert, um Francine
zu finden, jetzt wo die Vaterschaft bestätigt wurde.“
Vaterschaft? Allison war aufgesprungen und schmiss Dinge zurück in ihre Taschen. Das morgendliche
Meeting mit den Leitern der mobilen Klinik im Dschungel des Amazonas würde das kürzeste in der Geschichte des
MHI werden. Gleich danach würde sie in einem Flugzeug in die Staaten sitzen und nach … sie erstarrte. „Wo genau
hat meine Schwester meine Nichte ausgesetzt?“
* * *
Fassungslos beschrieb das Gefühl, das sich in Ethan ausbreitete, nicht einmal annähernd. Er war schon
wütenden Vorgesetzten, streitlustigen Rekruten, verrückten Aufständischen und sogar dem Tod
gegenübergestanden, doch nichts hatte ihn so erstarren lassen wie der Gedanke an Vaterschaft. „Seid ihr sicher?“
D.J. und sein Vater nickten synchron.
Natürlich waren sie sicher. Sie hatten ihm bereits von den DNS-Tests erzählt. Auch wenn seine DNS nicht
getestet wurde, warum sollte irgendeine Frau, die mit einem seiner Brüder geschlafen haben könnte, nach
Kalifornien gehen, um dort ihr Kind zur Welt zu bringen, und dann zurück nach Texas reisen, um es als das von
Ethan auszugeben? Er blickte auf die Geburtsurkunde in seiner Hand. Francine Langdon. Wieso machte es nicht
Klick? Ja, er mochte Frauen, und ja, wie viele Männer genoss er ihre Gesellschaft, doch es war nicht so, als hätte er
bei jeder Gelegenheit mit einem ganzen Harem geschlafen.
Keine Verpflichtungen, keine Bindungen waren Standartprozedur. Militärpiloten waren lausige
Ehemänner. Die meisten Frauen wussten das. Zumindest die, mit denen er etwas gehabt hatte. Aber er sollte
verdammt sein, wenn er dabei nicht immer ein Gentleman gewesen war. Er kannte immer die Namen der Frauen,
wusste, was sie mochten, und er stellte immer sicher, dass sie sich im Guten trennten, wenn sie beide wieder ihre
eigenen Wege gingen.
„Francine“, wiederholte er leise.
Die Braue über D.J.s linkem Auge wanderte hoch auf seine Stirn und Ethan wusste, dass er ertappt worden
war.
„Es war auch ein Brief bei der Geburtsurkunde“, sagte D.J. ebenso leise.
Ihr Vater drehte den Kopf, um D.J. anzusehen und wirkte etwas überrascht.
D.J. zog eine Schulter hoch und drehte sich dann zu Ethan. „Sie hat mit Fancy unterschrieben.“
Fancy. Er hatte von Anfang an gewusst, dass das nicht ihr echter Name sein konnte, aber sie hatte ihm
nicht mehr über sich erzählt. Es war ein sehr langes Wochenende nach einer sehr lagen und zermürbenden Übung
gewesen. Er wollte nur ein paar Biere, ein paar Runden Billard und eine Chance, an nicht denken zu müssen,
besonders nicht an den Grund für all das Training.
Sie war gerade aus einer Beziehung mit einem Kerl gekommen, den sie wenig liebevoll als König der
Arschlöscher bezeichnet hatte. Mehr als einmal wäre sie wegen des Drogenkonsums des Kerls fast im Gefängnis
gelandet, doch letztendlich war sie zu Verstand gekommen und hatte ihn abserviert. Er hatte das Gefühl gehabt, dass
sie es allein sehr schwer hatte. Und er erinnerte sich gut an jene Nacht.
Eine Blondine mit umwerfend blauen Augen und südkalifornischer Bräune. Fancy hatte etwas zu glücklich
ausgesehen, als sie die Bar betreten hatte, fast so, als wäre das nicht ihr erster Stopp gewesen. Doch sie konnte
gerade gehen und hatte eine Freundin an ihrer Seite. Eine Stunde später war die Freundin nirgends zu finden und ein
SEAL, der sein eigenes Gewicht in Tequila getrunken hatte, schmiegte sich an sie. Zehn Minuten später, als Ethan
fast schon zur Tür hinaus war, blickte er ein letztes Mal über die Schulter. Der Kerl mit den Oktopus-Händen war
aufdringlicher geworden und die Blondine versuchte, von ihm wegzukommen.
Ethan würde keine erwachsene Frau davon abhalten, Spaß zu haben, wenn diese das wollte, doch es gab
Regeln, an die sich jeder anständige Mann halten sollte, selbst solche, die viel zu lange im Einsatz gewesen waren.
Nein bedeutete nein und ein ja unter viel zu viel Alkoholeinfluss zählte nicht.
Er brauchte nicht mehr als ein paar zusätzliche Sekunden, um zu realisieren, dass diese Frau ihre Meinung
geändert hatte, egal, was sie zuvor gesagt hatte. Mit wenigen langen Schritten ging er hinüber und blieb neben der
Blondine stehen. Sie sah von Nahem sogar noch schöner aus und war definitiv nicht mehr in der Lage, ihre
Zustimmung zu geben. „Sorry, dass ich mich verspätet habe“, sagte er mit seinem besten Lächeln.
Mit geweiteten Augen blickte die Blondine über ihre Schulter und ein Funken Angst tauchte in ihren
Augen auf. Der Rüpel, der ihren Arm fest umklammerte, knurrte lediglich.
„Bereit nach Hause zu fahren?“, fragte Ethan, während er die bösen Blicke des Kerls ignorierte, der gerade
merkte, dass ihm die Chance auf etwas Spaß entglitt.
„Ich, ähm.“ Sie blinzelte und blickte ihn erneut an. Ihr Kopf schoss zu dem anderen Kerl und dann schnell
wieder zu Ethan. Dann nickte sie.
Vorsichtig legte er seine Hand um ihren Unterarm. „Lass uns gehen.“
Sofort fiel ihr Blick auf seine Hand und im selben Augenblick löste sich die Anspannung in ihrem Körper.
Vielleicht lag es an der Tatsache, dass er sie im Gegensatz zu dem groben notgeilen Gorilla kaum berührte, oder
daran, dass sie instinktiv erkannte, dass er ihr nicht schaden wollte. Doch egal was der Grund war, sie blickte in sein
Gesicht und lächelte. „Ja, gehen wir.“
Nicht gerade froh über die Planänderung stürzte sich der Idiot auf ihn, doch Ethan streckte den
Betrunkenen mit ein paar schnellen Schlägen nieder. Als Entschuldigung für die Umstände legte er ein paar
Geldscheine auf die Bar und verschwand gerade noch rechtzeitig mit der Blondine, bevor eine Marines-gegen-Navy-
Schlägerei ausbrach.
„Bist du noch bei uns?“, fragte sein Vater.
Ethan nickte. Er fühlte sich wie betäubt, doch nicht von den Schmerzmitteln. „Ich nehme Urlaub.“
„Die Ärztin meinte, dass du noch eine Woche hier sein könntest.“
„Das ist egal.“
„Ist es nicht“, sagte sein Vater. „Du tust niemandem einen Gefallen, wenn du nicht richtig gesund wirst.“
„Ich bin im Krankenstand. Ich soll nach Pendleton zurückkehren. Nachbehandlung und dann Reha.“
„Wann musst du wieder auf der Basis sein?“, fragte D.J..
Ethan schüttelte den Kopf. „Bald. Ich rede mit meinem Vorgesetzten. Ich habe etwas Urlaub angespart. Es
gibt keinen Grund, warum ich nicht bis zu Reha zuhause bleiben kann.“ Zuhause. Er wackelte mit den Zehen und
realisierte, dass er sich nicht mehr so große Sorgen um seinen Knöchel machte. Jetzt gab es etwas viel Wichtigeres,
um das er sich kümmern musste.