Finna zweite Chance
Kapitel Eins
Nach vier Jahren an der Texas A&M hatte Joanna Gaines viel vom sogenannten Cow-Country gesehen. Aber nicht einmal das gesamte Ranchland in der Nähe ihres ehemaligen Colleges konnte sich mit dem riesigen Nichts namens West-Texas messen.
Sie hatte am Straßenrand angehalten, um sich ein Wasser aus der Kühlbox zu nehmen, das sie fast in einem Zug austrank. Zu Beginn ihrer Reise von Geisterstadt zu Geisterstadt hatte sie noch ihre Lieblingscola getrunken. Doch schon kurz darauf hatte sie sich wegen der brennenden texanischen Sonne, der sie auf den stundenlangen Fahrten zu ihren Zielen ausgesetzt war, eine Kühlbox gekauft, die sie mit Mineralwasser gefüllt in ihrem Kofferraum aufbewahrte. Als sie die Karte vor sich zusammenfaltete und ins Handschuhfach legte, dachte sie, dass sie bald an Finns Heimatstadt vorbeikommen musste.
In ihrer Brusttasche summte ihr Handy. Linda. „Nein, ich wurde nicht von einem Kojoten gefressen. Nein, ich wurde nicht von einer Schlange gebissen. Und nein, ich wurde nicht von Indianern gefangengenommen.“
„Ich habe kein Wort über Indianer verloren“, schnaubte ihre Schwester.
„Aber du hast Kojoten, Schlangen und, ich glaube, Berglöwen erwähnt.“
„Es waren Luchse.“
„Oh ja, vergib mir.“ Joanna nahm noch einen weiteren Schluck Wasser. „Luchse. Richtig.“
„Weißt du, wenn du einen regulären Bürojob hättest, wie normale Leute mit einem College-Abschluss, müsste ich mir keine Sorgen machen.“
Joanna schraubte den Deckel auf die leere Flasche und warf sie auf den Rücksitz. Sie würde ihr Auto bald ausräumen müssen, denn der Innenraum sah langsam wie eine Müllhalde aus. „Du machst dir gerne Sorgen. Das gibt dir einen Sinn im Leben.“
„Ich würde mich lieber treiben lassen, wenn dich das in der Nähe einer echten Stadt halten würde.“
„Anstatt einer falschen Stadt.“ Auf der anderen Seite des Zauns weideten in der Ferne ein paar Pferde. Besonders eines nutzte diesen Moment, um zu ihr aufzusehen. Die schöne Stute und ihr Fohlen würden ein atemberaubendes Bild abgeben. „Hör zu, ich muss los, wir können diesen alten Streit an einem anderen Tag weiterführen.“
„Und was ist mit Peter?“
Joanna nahm den Gurt ihrer Kamera und stieß einen Seufzer aus. „Was ist mit ihm?“
„Er kam gestern in mein Büro.“
„Beharrlicher kleiner –“
„Joanna …“
„Hör zu, es tut mir leid, aber ein sehr langweiliges Abendessen ist noch keine Beziehung.“
„Ich glaube, er will noch eine Chance.“
Sie wollte unbedingt das Foto machen, bevor sich die Pferde bewegten. „Wenn er wieder vorbeikommt, sag ihm, dass ich dem Friedenscorps beigetreten bin.“
„Joanna.“
„Fremdenlegion?“ Mit dem Kameragurt über die Schulter geschwungen duckte sie sich langsam zwischen den gespannten Zaundrähten auf die Seite der Pferde hindurch und näherte sich dem einzigen schattenspendenden Baum, den sie weit und breit gesehen hatte.
„Ich werde nicht lügen.“
Sie warf einen Blick zurück zu ihrem Auto und der Karte, die sie weggelegt hatte, und lächelte. „Sag ihm, ich bin zu meinem Ehemann gefahren.“
* * * *
„Man, fühlt sich das gut an.“ Finn setzte seinen Hut ab, lehnte sich gegen den Pfosten und hob sein Gesicht zur Sonne.
„Der Viehtrieb ging heute Morgen ziemlich schnell.“ Finns Vater, Sean Farraday, sah über die Weide hinweg auf die zufriedenen Kühe, die tranken und grasten und so ziemlich das taten, was Kühe das ganze Jahr über trieben
„Ja.“ Ein paar Mutterkühe suchten noch immer nach ihren Kälbern, aber auf dem Weg zu dieser Weide waren nicht mehr so viele voneinander getrennt worden wie früher. Bisher sah es so aus, als wären die wenigen, die unbedingt dorthin zurückkehren wollten, woher sie kamen, durch die unsichtbare Linie eingezäunt worden, die die Hunde im Gras gezogen hatten. Finn kratzte sich den Staub aus den Haaren, setzte seinen Hut wieder auf und lauschte dem stetigen Summen der Kühe, die nach ihren Kälbern riefen oder sich einfach nur mit ihren Freunden unterhielten.
Das Schönste daran, im Stockdunkel des frühen Morgens aufzusatteln, um im Morgengrauen mit dem Viehtrieb zu beginnen, war die Gelegenheit, sich zu entspannen und Mutter Natur bis zum Mittag bei der Arbeit zuzusehen. „Der Wasserdruck scheint abzunehmen. Ich werde mir die Pumpe morgen ansehen, bevor wir mit der Arbeit am neuen Zaunabschnitt beginnen.“
Sean nickte und setzte sich neben seinen Sohn. „An manchen Tagen schaue ich auf die Weide und ich könnte schwören, dass ich dich und deine Brüder sehen kann, wie ihr Lassowerfen übt oder mit dem Wasser spielt oder einfach nur erschöpft seid und ein Nickerchen macht.“
Ein Lächeln breitete sich auf Finns Gesicht aus. Er erinnerte sich gut an diese Tage. Vor allem an jene, an denen sie auf den Weiden am Bach waren. Das waren lustige Zeiten, in denen er schwamm, Kröten fing und sein Bestes gab, um bei allem mit seinen älteren Brüdern Schritt zu halten.
„Tore geschlossen. Bis jetzt hat sich kein Tier aus der Herde entfernt.“ Sam, ihr Rancharbeiter, ließ sein Pferd bei den anderen und stellte sich neben seinen Chef. „Gehen wir abwechselnd zum Mittagessen zurück ins Haus?“
Kopfschüttelnd zog Finn einen Grashalm aus dem Boden. „Nein. Tante Eileen bringt uns heute das Mittagessen.“
„Super.“ Sam zog seine Handschuhe aus und steckte sie in seine Gesäßtasche.
Finn stand auf und bemerkte ein paar Stellen im Zaun, die in den kommenden Tagen repariert werden mussten. „Sie ist so in Ethan und das Baby vernarrt.“
„Apropos.“ Sean Farraday stand neben seinem Sohn und seinem Rancharbeiter auf, und alle drei blickten zu dem großen Truck, der über die Weide fuhr. Die Männer lächelten wie verrückt, als die Tür aufging und Tante Eileen heraussprang.
„Ihr wart heute aber schnell.“ Sie knallte die Tür mit dem Fuß zu.
„Kein Fluss zum Überqueren. Die Kälber haben ziemlich gut mitgehalten.“ Sam bewegte sich, um Eileen das Aluminiumtablett abzunehmen. „Erlauben Sie mir.“
Wie schon seit Ewigkeiten, wurden die Tabletts mit warmen Speisen auf dem Heck des Lastwagens ausgebreitet und, angefangen mit Sean, belud einer nach dem anderen seinen Teller und setzte sich, um das leckere Essen zu genießen.
„Junge, ich habe diese warmen Mittagessen vermisst“, sagte Sam.
Stirnrunzelnd sah Eileen von ihrem Teller auf. „Es ist ja nicht so, als hättest du keine Gefriertruhe voll mit meinen Aufläufen.“
„Ich muss zugeben, es ist schön, sich mittags mit einer warmen Mahlzeit den Bauch vollzuschlagen.“ Finn küsste seine Tante auf die Wange und drehte sich zu den anderen.
„Hmm“, grummelte Tante Eileen, den Teller in der Hand, und lehnte sich an den Truck, „nicht meine Schuld, dass ihr zwei immer noch Single seid.“
„Fang doch nicht wieder damit an“, sagte Sean. „Sam und Finn wollten nur sagen, dass wir alle ein herzhaftes Mittagessen zu schätzen wissen. Danke.“
„Ja, Ma'am, Miss Eileen“, wiederholte Sam. „Und egal, wen ich heirate, sie wird es schwer haben, mit Ihren Kochkünsten mitzuhalten.“
Ein Hauch von Rosa überzog die Wangen seiner Tante und Finn fand, dass sie ihr wirklich nicht oft genug Komplimente machten. „Danke, Tante Eileen. Das ist köstlich.“
Einer der Hunde begann zu bellen und Sean drehte sich um, als er Kings Kläffen erkannte. King war einer der besten Hütehunde, die Finn je gesehen hatte. Das Tier erledigte an manchen Tagen die Arbeit von zwei Männern. Ohne die Hunde wären sie niemals in der Lage gewesen, das ganze Vieh nur zu dritt zur Weide zu treiben.
Das lauter werdende Brüllen der Kühe zusammen mit der Unruhe der Tiere in Kings Nähe veranlasste Finn dazu, seinen Teller auf das Heck des Trucks zu stellen und das Gewehr aus der Fahrgastzelle zu holen.
„Glaubst du, die Kühe haben eine Klapperschlange aufgescheucht?“ Tante Eileen suchte den Boden um den Truck herum ab. „All die Jahre und bei dem Gedanken an diese Dinger wird mir immer noch angst und bange.“
„Da sind Sie nicht der Einzige.“ Sam lächelte sie an. „Damals in Wyoming konnten wir eine Schlange mit einer Schaufel töten, aber hier unten sind die Schlangen größer als die Schaufeln.“
Je näher Finn dem Ort kam, an dem der Krach war, desto weniger von den Schlangenwitzen, die beim Truck erzählt wurden, konnte er hören. Sam war ein netter Kerl, er war vor ein paar Jahren während eines Rodeos nach Texas gekommen und hatte sich darüber beschwert, dass es in Wyoming so kalt war, dass eine Kuh an Ort und Stelle am Boden festfrieren konnte. Nach ein paar Tagen Reden und Trinken hatten die Farradays einen neuen Rancharbeiter. Das war das erste Mal, dass jemand, der kein Blutsverwandter war, auf der Ranch lebte und arbeitete, und Sam hatte noch nichts getan, was Finn oder seinen Vater diese Entscheidung bereuen lassen könnte.
„Yep“, murmelte Finn vor sich hin. Nicht ganz so verrückt, wie ein Paar lateinamerikanische Maracas, mit denen auf einer abendlichen Party musiziert wurde, war das Rasseln der Schlange doch laut und deutlich zu hören. King und Bo machten ihre Arbeit und zogen einen großen Bogen um die Klapperschlange, um die wenigen Kühe, die nicht von dem bösen Blick der Schlange verscheucht wurden, auf Distanz zu bringen. Die Wahrheit war, dass in diesem Teil des Landes mehr Hunde als Kühe von Schlangen gebissen wurden, und das Letzte, was Finn wollte, war, dass dies einem ihrer Hunde passierte.
„Das reicht, Bo. Das reicht, King.“ Die beiden gut ausgebildeten Hütehunde gehorchten und eilten an Finns Seite. Wenigstens war das wirkliche Leben nicht wie ein alter Cowboyfilm. Er könnte das fauchende Ding von dort aus erschießen, wo er stand, und das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass eine Kuh ihm einen verstörten Blick zuwarf. Ein wildes Durcheinander der Rinder aufgrund eines Schusses in der Ferne war Hollywood-Mythos.
Ohne Zeit zu verschwenden, hob er das Gewehr, zielte auf das wütende Reptil und feuerte. Sich immer noch windend und zuckend, wie ein Fisch auf dem Trockenen, schlug die Schlange auf dem Boden auf.
Den Blick auf den Eindringling gerichtet, rief Finn über die Schulter: „Hey Sam, bring mir die Schaufel.“
Mit der Schaufel in der Hand rannte Sam zu ihm. „Guter Schuss!“
„Lasst uns ihren Kopf abschlagen und eingraben, bevor einer der Hunde versucht, mit dem Ding zu spielen, und sich verletzt.“
Mit einem Nicken ging Sam ein paar Schritte bis zu der Stelle, an der die Klapperschlange aufgehört hatte, sich zu bewegen.
Finn drehte sich zu seinem Vater und seiner Tante um, die die Aufregung beobachteten, und traute seinen Augen nicht. In der Ferne schlich ein grauer Schatten über die Weide. Ein verdächtig vierbeiniger pelziger Schatten.
„Oh weh. Vierzehn Segmente am Schwanz.“ Sam stieß einen leisen Pfiff aus. „Das Ding muss wirklich Lärm gemacht haben. Allein der Gedanke daran lässt mir die Haare zu Berge stehen.“
Finn nickte. Er fühlte sich genauso, nur dass der Schauer, der ihm den Rücken hinunterlief, rein gar nichts mit der Klapperschlange zu tun hatte.
Nach vier Jahren an der Texas A&M hatte Joanna Gaines viel vom sogenannten Cow-Country gesehen. Aber nicht einmal das gesamte Ranchland in der Nähe ihres ehemaligen Colleges konnte sich mit dem riesigen Nichts namens West-Texas messen.
Sie hatte am Straßenrand angehalten, um sich ein Wasser aus der Kühlbox zu nehmen, das sie fast in einem Zug austrank. Zu Beginn ihrer Reise von Geisterstadt zu Geisterstadt hatte sie noch ihre Lieblingscola getrunken. Doch schon kurz darauf hatte sie sich wegen der brennenden texanischen Sonne, der sie auf den stundenlangen Fahrten zu ihren Zielen ausgesetzt war, eine Kühlbox gekauft, die sie mit Mineralwasser gefüllt in ihrem Kofferraum aufbewahrte. Als sie die Karte vor sich zusammenfaltete und ins Handschuhfach legte, dachte sie, dass sie bald an Finns Heimatstadt vorbeikommen musste.
In ihrer Brusttasche summte ihr Handy. Linda. „Nein, ich wurde nicht von einem Kojoten gefressen. Nein, ich wurde nicht von einer Schlange gebissen. Und nein, ich wurde nicht von Indianern gefangengenommen.“
„Ich habe kein Wort über Indianer verloren“, schnaubte ihre Schwester.
„Aber du hast Kojoten, Schlangen und, ich glaube, Berglöwen erwähnt.“
„Es waren Luchse.“
„Oh ja, vergib mir.“ Joanna nahm noch einen weiteren Schluck Wasser. „Luchse. Richtig.“
„Weißt du, wenn du einen regulären Bürojob hättest, wie normale Leute mit einem College-Abschluss, müsste ich mir keine Sorgen machen.“
Joanna schraubte den Deckel auf die leere Flasche und warf sie auf den Rücksitz. Sie würde ihr Auto bald ausräumen müssen, denn der Innenraum sah langsam wie eine Müllhalde aus. „Du machst dir gerne Sorgen. Das gibt dir einen Sinn im Leben.“
„Ich würde mich lieber treiben lassen, wenn dich das in der Nähe einer echten Stadt halten würde.“
„Anstatt einer falschen Stadt.“ Auf der anderen Seite des Zauns weideten in der Ferne ein paar Pferde. Besonders eines nutzte diesen Moment, um zu ihr aufzusehen. Die schöne Stute und ihr Fohlen würden ein atemberaubendes Bild abgeben. „Hör zu, ich muss los, wir können diesen alten Streit an einem anderen Tag weiterführen.“
„Und was ist mit Peter?“
Joanna nahm den Gurt ihrer Kamera und stieß einen Seufzer aus. „Was ist mit ihm?“
„Er kam gestern in mein Büro.“
„Beharrlicher kleiner –“
„Joanna …“
„Hör zu, es tut mir leid, aber ein sehr langweiliges Abendessen ist noch keine Beziehung.“
„Ich glaube, er will noch eine Chance.“
Sie wollte unbedingt das Foto machen, bevor sich die Pferde bewegten. „Wenn er wieder vorbeikommt, sag ihm, dass ich dem Friedenscorps beigetreten bin.“
„Joanna.“
„Fremdenlegion?“ Mit dem Kameragurt über die Schulter geschwungen duckte sie sich langsam zwischen den gespannten Zaundrähten auf die Seite der Pferde hindurch und näherte sich dem einzigen schattenspendenden Baum, den sie weit und breit gesehen hatte.
„Ich werde nicht lügen.“
Sie warf einen Blick zurück zu ihrem Auto und der Karte, die sie weggelegt hatte, und lächelte. „Sag ihm, ich bin zu meinem Ehemann gefahren.“
* * * *
„Man, fühlt sich das gut an.“ Finn setzte seinen Hut ab, lehnte sich gegen den Pfosten und hob sein Gesicht zur Sonne.
„Der Viehtrieb ging heute Morgen ziemlich schnell.“ Finns Vater, Sean Farraday, sah über die Weide hinweg auf die zufriedenen Kühe, die tranken und grasten und so ziemlich das taten, was Kühe das ganze Jahr über trieben
„Ja.“ Ein paar Mutterkühe suchten noch immer nach ihren Kälbern, aber auf dem Weg zu dieser Weide waren nicht mehr so viele voneinander getrennt worden wie früher. Bisher sah es so aus, als wären die wenigen, die unbedingt dorthin zurückkehren wollten, woher sie kamen, durch die unsichtbare Linie eingezäunt worden, die die Hunde im Gras gezogen hatten. Finn kratzte sich den Staub aus den Haaren, setzte seinen Hut wieder auf und lauschte dem stetigen Summen der Kühe, die nach ihren Kälbern riefen oder sich einfach nur mit ihren Freunden unterhielten.
Das Schönste daran, im Stockdunkel des frühen Morgens aufzusatteln, um im Morgengrauen mit dem Viehtrieb zu beginnen, war die Gelegenheit, sich zu entspannen und Mutter Natur bis zum Mittag bei der Arbeit zuzusehen. „Der Wasserdruck scheint abzunehmen. Ich werde mir die Pumpe morgen ansehen, bevor wir mit der Arbeit am neuen Zaunabschnitt beginnen.“
Sean nickte und setzte sich neben seinen Sohn. „An manchen Tagen schaue ich auf die Weide und ich könnte schwören, dass ich dich und deine Brüder sehen kann, wie ihr Lassowerfen übt oder mit dem Wasser spielt oder einfach nur erschöpft seid und ein Nickerchen macht.“
Ein Lächeln breitete sich auf Finns Gesicht aus. Er erinnerte sich gut an diese Tage. Vor allem an jene, an denen sie auf den Weiden am Bach waren. Das waren lustige Zeiten, in denen er schwamm, Kröten fing und sein Bestes gab, um bei allem mit seinen älteren Brüdern Schritt zu halten.
„Tore geschlossen. Bis jetzt hat sich kein Tier aus der Herde entfernt.“ Sam, ihr Rancharbeiter, ließ sein Pferd bei den anderen und stellte sich neben seinen Chef. „Gehen wir abwechselnd zum Mittagessen zurück ins Haus?“
Kopfschüttelnd zog Finn einen Grashalm aus dem Boden. „Nein. Tante Eileen bringt uns heute das Mittagessen.“
„Super.“ Sam zog seine Handschuhe aus und steckte sie in seine Gesäßtasche.
Finn stand auf und bemerkte ein paar Stellen im Zaun, die in den kommenden Tagen repariert werden mussten. „Sie ist so in Ethan und das Baby vernarrt.“
„Apropos.“ Sean Farraday stand neben seinem Sohn und seinem Rancharbeiter auf, und alle drei blickten zu dem großen Truck, der über die Weide fuhr. Die Männer lächelten wie verrückt, als die Tür aufging und Tante Eileen heraussprang.
„Ihr wart heute aber schnell.“ Sie knallte die Tür mit dem Fuß zu.
„Kein Fluss zum Überqueren. Die Kälber haben ziemlich gut mitgehalten.“ Sam bewegte sich, um Eileen das Aluminiumtablett abzunehmen. „Erlauben Sie mir.“
Wie schon seit Ewigkeiten, wurden die Tabletts mit warmen Speisen auf dem Heck des Lastwagens ausgebreitet und, angefangen mit Sean, belud einer nach dem anderen seinen Teller und setzte sich, um das leckere Essen zu genießen.
„Junge, ich habe diese warmen Mittagessen vermisst“, sagte Sam.
Stirnrunzelnd sah Eileen von ihrem Teller auf. „Es ist ja nicht so, als hättest du keine Gefriertruhe voll mit meinen Aufläufen.“
„Ich muss zugeben, es ist schön, sich mittags mit einer warmen Mahlzeit den Bauch vollzuschlagen.“ Finn küsste seine Tante auf die Wange und drehte sich zu den anderen.
„Hmm“, grummelte Tante Eileen, den Teller in der Hand, und lehnte sich an den Truck, „nicht meine Schuld, dass ihr zwei immer noch Single seid.“
„Fang doch nicht wieder damit an“, sagte Sean. „Sam und Finn wollten nur sagen, dass wir alle ein herzhaftes Mittagessen zu schätzen wissen. Danke.“
„Ja, Ma'am, Miss Eileen“, wiederholte Sam. „Und egal, wen ich heirate, sie wird es schwer haben, mit Ihren Kochkünsten mitzuhalten.“
Ein Hauch von Rosa überzog die Wangen seiner Tante und Finn fand, dass sie ihr wirklich nicht oft genug Komplimente machten. „Danke, Tante Eileen. Das ist köstlich.“
Einer der Hunde begann zu bellen und Sean drehte sich um, als er Kings Kläffen erkannte. King war einer der besten Hütehunde, die Finn je gesehen hatte. Das Tier erledigte an manchen Tagen die Arbeit von zwei Männern. Ohne die Hunde wären sie niemals in der Lage gewesen, das ganze Vieh nur zu dritt zur Weide zu treiben.
Das lauter werdende Brüllen der Kühe zusammen mit der Unruhe der Tiere in Kings Nähe veranlasste Finn dazu, seinen Teller auf das Heck des Trucks zu stellen und das Gewehr aus der Fahrgastzelle zu holen.
„Glaubst du, die Kühe haben eine Klapperschlange aufgescheucht?“ Tante Eileen suchte den Boden um den Truck herum ab. „All die Jahre und bei dem Gedanken an diese Dinger wird mir immer noch angst und bange.“
„Da sind Sie nicht der Einzige.“ Sam lächelte sie an. „Damals in Wyoming konnten wir eine Schlange mit einer Schaufel töten, aber hier unten sind die Schlangen größer als die Schaufeln.“
Je näher Finn dem Ort kam, an dem der Krach war, desto weniger von den Schlangenwitzen, die beim Truck erzählt wurden, konnte er hören. Sam war ein netter Kerl, er war vor ein paar Jahren während eines Rodeos nach Texas gekommen und hatte sich darüber beschwert, dass es in Wyoming so kalt war, dass eine Kuh an Ort und Stelle am Boden festfrieren konnte. Nach ein paar Tagen Reden und Trinken hatten die Farradays einen neuen Rancharbeiter. Das war das erste Mal, dass jemand, der kein Blutsverwandter war, auf der Ranch lebte und arbeitete, und Sam hatte noch nichts getan, was Finn oder seinen Vater diese Entscheidung bereuen lassen könnte.
„Yep“, murmelte Finn vor sich hin. Nicht ganz so verrückt, wie ein Paar lateinamerikanische Maracas, mit denen auf einer abendlichen Party musiziert wurde, war das Rasseln der Schlange doch laut und deutlich zu hören. King und Bo machten ihre Arbeit und zogen einen großen Bogen um die Klapperschlange, um die wenigen Kühe, die nicht von dem bösen Blick der Schlange verscheucht wurden, auf Distanz zu bringen. Die Wahrheit war, dass in diesem Teil des Landes mehr Hunde als Kühe von Schlangen gebissen wurden, und das Letzte, was Finn wollte, war, dass dies einem ihrer Hunde passierte.
„Das reicht, Bo. Das reicht, King.“ Die beiden gut ausgebildeten Hütehunde gehorchten und eilten an Finns Seite. Wenigstens war das wirkliche Leben nicht wie ein alter Cowboyfilm. Er könnte das fauchende Ding von dort aus erschießen, wo er stand, und das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass eine Kuh ihm einen verstörten Blick zuwarf. Ein wildes Durcheinander der Rinder aufgrund eines Schusses in der Ferne war Hollywood-Mythos.
Ohne Zeit zu verschwenden, hob er das Gewehr, zielte auf das wütende Reptil und feuerte. Sich immer noch windend und zuckend, wie ein Fisch auf dem Trockenen, schlug die Schlange auf dem Boden auf.
Den Blick auf den Eindringling gerichtet, rief Finn über die Schulter: „Hey Sam, bring mir die Schaufel.“
Mit der Schaufel in der Hand rannte Sam zu ihm. „Guter Schuss!“
„Lasst uns ihren Kopf abschlagen und eingraben, bevor einer der Hunde versucht, mit dem Ding zu spielen, und sich verletzt.“
Mit einem Nicken ging Sam ein paar Schritte bis zu der Stelle, an der die Klapperschlange aufgehört hatte, sich zu bewegen.
Finn drehte sich zu seinem Vater und seiner Tante um, die die Aufregung beobachteten, und traute seinen Augen nicht. In der Ferne schlich ein grauer Schatten über die Weide. Ein verdächtig vierbeiniger pelziger Schatten.
„Oh weh. Vierzehn Segmente am Schwanz.“ Sam stieß einen leisen Pfiff aus. „Das Ding muss wirklich Lärm gemacht haben. Allein der Gedanke daran lässt mir die Haare zu Berge stehen.“
Finn nickte. Er fühlte sich genauso, nur dass der Schauer, der ihm den Rücken hinunterlief, rein gar nichts mit der Klapperschlange zu tun hatte.