Hannahs edler Ritter
Kapitel Eins
„Was zum Teufel machst du da oben?“
Hannah Siobhan Farraday hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Cousin Connor so schnell mit den Pferden fertig sein würde, und wäre bei seinem Bellen beinahe von der Steinsäule gefallen. „Die Aussicht genießen.“ Sie klammerte sich fester an den Pfosten. „Nach was sieht es denn aus?“
„Als würdest du dich darauf vorbereiten, von der Mauer zu springen und dir das Genick zu brechen.“
„Sagt der Mann, der auf einer Bohrinsel herumgetanzt ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.“
Connor sah zu dem Handwerker hinüber, den er angeheuert hatte, um den hundert Jahre alten Torbogen durch einen mit dem Namen der neuen Stallung zu ersetzen. „Wo ist der Rest der Crew?“
„Spät dran.“ Der glatzköpfige Mann mittleren Alters mit dem runden Bauch warf Connor kaum einen Blick zu. „Diese kleine Lady hier hilft beim Aufbau.“
Irgendwie zweifelte Hannah daran, dass das Ende eines Maßbands festzuhalten, als Aufbau bezeichnet werden konnte. Doch als sie den Mann herumtrotten und auf seine Crew warten sah, hatte sie sich gedacht, dass sie wenigstens helfen sollte, das Ende des Maßbands festzuhalten. Nie im Leben hätte dieser Kerl auf etwas Höheres als einen Ameisenhaufen springen können. Sie neigte den Kopf von ihrem Cousin zur Ladefläche des großen Trucks. „Hast du schon gesehen?“
Die Besorgnis verschwand aus Connors Gesicht, als sein Blick auf dem massiven neuen Bogen landete. Ein langsames Grinsen wölbte eine Seite seines Mundes gen Himmel und wanderte dann über seine Lippen. „Nicht übel.“
„Ja.“ So aufgeregt sie wegen der neuen Stallungen war, würde jeder denken, dass mehr als nur ihr Familienstolz in diesem Unterfangen steckte. Doch sie hätte sich nicht mehr über die neuen Ställe und das Pferdeprogramm freuen können, selbst wenn dieser Ort ihr gehört hätte. Die Gelegenheit, von Anfang an mit dabei zu sein war ein unbeschreibliches Gefühl. Menschen, die normalerweise keinen Zugang zu dieser Art Therapie hatten oder sie sich nicht leisten konnten, Veränderung und Hoffnung zu bringen, war es wert gewesen, alles hinter sich zu lassen, was sie sich in Dallas aufgebaut hatte. Obwohl sie hoffte, dass der Ruf, den sie sich erarbeitet hatte, ihr nacheilen würde.
Der Vorarbeiter kritzelte etwas auf das Klemmbrett in seiner Hand und reichte Hannah dann die Metallhülle des Maßbands. „Hier, schnapp dir diese Seite und sag mir dann, wie weit es ist.” Dann schritt er mit dem anderen Ende des Maßbandes in der Hand auf die gegenüberliegende Seite des Eingangs und legte es, auf der ersten Sprosse einer Leiter balancierend, mittig an den Stützpfosten an. „Was hast du?“
„Genau Zweihundertvierundsechzig.“
„Gut. Gut“, murmelte der Mann vor sich hin.
Sie hätte gedacht, dass sie bei einem Projekt dieser Größe bereits ein paar hundert Mal gemessen und nachgemessen hätten, aber noch einmal konnte nicht schaden. Sie rollte das Band auf, nickte dem Mann zu und drehte sich auf der schmalen Wand um.
„Hier.“ Connor trat vor und hob einen Arm. „Lass mich dir helfen.“
„Ich bin ohne dich hier hochgekommen. Ich komme auch allein wieder hinunter.“ Sie balancierte die Mauer entlang und kletterte sie dann so mühelos hinab, wie sie hinaufgestiegen war.
Connor schüttelte den Kopf und kicherte, wobei sein Lächeln immer noch sein ganzes Gesicht einnahm. „Ich weiß nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe mache.“
Hannah beugte sich vor und küsste ihren Cousin auf die Wange. Obwohl die West-Texas-Farradays und die Hill-Country-Farradays nach den Maßstäben normaler Menschen überhaupt nicht nahe beieinander lebten, verbrachten sie dennoch genug Zeit zusammen, um sich eher als Geschwister denn als Cousins zu betrachten. „Weil du mich liebst.“
Connor lachte lauthals. „Unter anderem.“
Staub aufwirbelnd, als er von der Hauptstraße abfuhr, näherte sich der kleine Lastwagen mit den restlichen Handwerkern und parkte neben der gewaltigen Eisenkonstruktion. Das Leuchten in Connors Augen ließ die Haare auf Hannahs Arm zu Berge stehen. Ihr Cousin hatte sein ganzes Leben lang von diesem Tag geträumt und auch sie konnte die Vorfreude kaum ertragen. Ja, der Bau der Koppeln und Gehege und zusätzlicher Ställe für das sich im Aufbau befindende Pferdetherapieprogramm waren der Hauptteil zur Verwirklichung seines Traums gewesen, doch das hier – dieser traditionelle eiserne Schriftzug – war das i-Tüpfelchen.
Das Anheben einer Eisenkonstruktion, die mehrere hundert Pfund wog, ging nicht wirklich schnell von Statten und war wenig komplex. Dennoch standen Hannah und Connor, gefesselt von der langsamen Bewegung, wie angewurzelt da. Zufrieden, der Entstehung von etwas Neuem beizuwohnen.
Aus der Stadt kommend hielt hinter ihnen der Truck mit Catherine, Connors Frau an. Türen schlugen zu, und Catherine eilte zu ihrem Mann und schmiegte sich an ihn. „Ich hatte Angst, ich würde es verpassen.“
Connor legte einen Arm um die Schulter seiner Frau und zog sie an sich. Es war wirklich süß, wie sich ihre Cousins den Frauen in ihrem Leben widmeten. Für einige, wie Adam, hatte es länger gedauert als für andere, doch sobald ein Farraday-Mann seine Partnerin gefunden hatte, bekam sie hundert Prozent von dem, was er zu geben hatte. Das Komplizierte für Hannah würde in den nächsten zehn Jahren, oder so, darin bestehen, einen eigenen Mann zu finden, der mit ihren Cousins mithalten konnte.
„Jetzt geht es los“, flüsterte Catherine.
Das große Kunstwerk senkte sich über dem Eingang und mit etwas Hilfe durch die Männer auf beiden Seiten glitten die Enden in die für sie bestimmten Fassungen, während Hannahs Herz hüpfte, als ob ihr die Capaill Stables gehörten.
Noch ein paar Minuten standen die drei direkt hinter den offenen Toren und starrten nach oben, während die Arbeiter den neuen Schriftzug an Ort und Stelle fixierten.
„Sieht ziemlich gut aus“, flüsterte Catherine.
„Besser als gut“, fügte Hannah hinzu.
„Großvater würde es gefallen“, sagte Catherine.
Connor löste seinen Blick von dem geschwungenen Capaill, dem alten gälischen Namen, den sein Vater treffend für die Ranch vorgeschlagen hatte, und studierte das Gesicht seiner Frau. „Denkst du?“
„Ja, das tue ich.“ Catherine strahlte. „Er liebte diesen Ort. Er war stolz auf seine Geschichte und ich weiß tief im Inneren, dass er begeistert gewesen wäre, hier zu sein, wenn die Brennans und die Farradays auf diesem Land zusammenkommen.“
„Und das“, Hannah rieb sich die Hände, „ist mein Stichwort, wieder an die Arbeit zu gehen. Ich möchte mit der neuen Fjord-Stute ausreiten. Sie kommt mir noch etwas scheu vor. Das ruft nach etwas gemeinsamer Zeit, nur wir beide.“
„Glaubst du nicht, dass sie gut für die Therapie ist?“, fragte Catharine. Der einzige Grund, warum sie sich für diese kleinere, stämmigere Rasse entschieden hatten, war ihre Fähigkeit, ein höheres Gewicht zu tragen. Ihre Größe würde es den Patienten und ihren Betreuern erleichtern, das Pferd zu führen. Niemand wollte, dass diese Stute schlecht in das neue Programm passte.
„Wir werden sehen. Vielleicht muss sie sich einfach nur an die neue Umgebung gewöhnen.“ Das war zumindest die Geschichte, an der sie festhielt. Ein gutes Therapiepferd zu finden, war ein bisschen wie die Suche nach einem guten Mann; sie mochten auf den ersten Blick ziemlich hübsch aussehen, aber sobald man sie kennenlernte, konnten sie sich schnell als ein Problem anstatt als Preis entpuppen.
* * *
Der Komfort von weichen Ledersitzen in einem hochwertig verarbeiteten Luxusauto hatte einiges zu bieten. Schade, dass Dale Johnson nicht dasselbe über die beiden Räder unter ihm sagen konnte. Anfangs, als er aus der Stadt fuhr, waren das Dröhnen des Motors unter ihm und der Wind in seinem Gesicht fantastisch gewesen. Das Gefühl der Freiheit hatte zu lange in seinem Leben gefehlt. All das entschädigte ihn fast für den Schlamassel, in den er sich gebracht hatte. Fast.
Jetzt, da er mehr Stunden auf diesen endlosen Nebenstraßen in Texas verbracht hatte, als er zählen wollte, wünschte er sich, er hätte sich statt dieses zweirädrigen Gefährts einen Gebrauchtwagen gekauft, der nicht so häufig aufgetankt werden müsste.
Natürlich könnte sich das nach einer erholsamen Nacht auf einer richtigen Matratze wieder ändern. Andererseits würde er viel mehr als nur eine einzige Nacht Schlaf brauchen, um sein Leben wieder in Ordnung zu bringen – und seinen Rücken. Nach seinen Berechnungen und dem letzten Straßenschild, das er gesehen hatte, sollte er in etwa einer Stunde oder so in Tuckers Bluff ankommen. Langsam benötigte er dringend eine Pause, um die Taubheit loszuwerden, die die wenigen Körperteile einnahm, die nicht wie verrückt schmerzten. Nachdem er Dallas verlassen hatte, hatte es nicht lange gedauert um zu erkennen, dass er es nicht aushalten würde, ein paar Stunden ohne Unterbrechung auf einem Motorrad zu fahren. Und mit jedem weiteren Kilometer pochte sein Rücken energisch auf mehr Pausen. Schade, dass er kein Heizkissen an den Motor anschließen konnte. Er bremste am Straßenrand ab, kam zum Stehen und stieg vorsichtig von seiner Maschine ab. Viel langsamer, als ihm lieb war, aber immerhin konnte er sich bewegen. Besser als die Alternative.
Ein Schluck kühles Wasser linderte das Brennen in seiner Kehle, wenn auch nicht die Schmerzen in seinem Rücken. Darauf bedacht, sich nicht zu verrenken, tat er sein Bestes, um seine schmerzenden Muskeln zu dehnen, und entschied, dass es sicher hilfreich sein könnte, sich ein paar Minuten länger als geplant die Füße zu vertreten. An einem Zaun in der Nähe machte er Halt und starrte auf den sich vor ihm ausbreitenden Horizont. Es war verdammt lange her, seit er so viel Nichts an einem Ort gesehen hatte. Er konzentrierte sich auf den klaren Himmel, der so blau wie der Malstift eines Kindes war, und zwang sich, an Kindheitszeichnungen zu denken, an das hellblaue Kleid, das sein Date auf dem Abschlussball getragen hatte – das Kleid, das er ihr so mühevoll abgerungen hatte – und an das Glitzern in den schieferblauen Augen seiner Großmutter, wenn sie ihm einen irischen Limerick vorsang. All das, um nicht daran zu denken, dass dieser Ort so sehr der trocken, flachen und höllisch heißen Wüste ähnelte, in der er im Nahen Osten stationiert gewesen war.
An manchen Tagen schien das Marine Corps so weit weg zu sein, so lange her. An anderen Tagen wirkten die Jahre, die er an einem Ort verbracht hatte, an dem ihn niemand haben wollte, schon gar nicht die Einheimischen, so frisch, dass er nicht zur Ruhe kommen konnte. Jetzt, zurück in der zivilisierten Welt – in der er sich gelegentlich fragte, was am modernen urbanen Leben zivilisiert war –, schien es verdammt schwer zu sein, an der Hoffnung auf eine bessere Welt festzuhalten.
Er schraubte den Deckel wieder auf die Wasserflasche und gab sich einen mentalen Tritt. An diesen negativen Gedanken festhalten, würde die Dinge auch nicht besser machen. Es war nun einmal, wie es war. Er packte die Flasche wieder in seinen Rucksack und verweilte noch einen Augenblick in dieser endlosen Weite. Es war Zeit, weiterzufahren. Er schwang sein Bein etwas beweglicher über den Sitz als beim Absteigen von seinem neuen Motorrad, klappte den Seitenständer hoch und startete den Motor.
Die Reifen spuckten Schmutz und Kies als er vom Straßenrand auf den Asphalt fuhr. Bereit, jedes einzelne PS an seine Grenzen zu bringen, beugte er sich vor, als dieser sechste Sinn, der ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte, ihn über die Straße blicken ließ. Sein Herz und sein Motorrad kamen blitzschnell zum Stehen.
Das letzte, von dem er erwartet hatte, es mitten im verdammten Nirgendwo von West-Texas zu sehen, war ein Pferd, das sich tretend aufbäumte und die zierliche Schönheit auf seinem Rücken abwarf, sodass diese hart auf dem unbarmherzigen staubigen Boden aufschlug. Der Blick auf die schweren Hufe, die mit Schwung auf die hübsche Reiterin niederprasselten, war alles, was er brauchte, um kehrt zu machen und über die Straße zu rasen. Ob im Nahen Osten oder hier in der zivilisierten Welt, er hatte genug unnötige Todesfälle für mehr als ein Leben gesehen. Und genug war genug.
„Was zum Teufel machst du da oben?“
Hannah Siobhan Farraday hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Cousin Connor so schnell mit den Pferden fertig sein würde, und wäre bei seinem Bellen beinahe von der Steinsäule gefallen. „Die Aussicht genießen.“ Sie klammerte sich fester an den Pfosten. „Nach was sieht es denn aus?“
„Als würdest du dich darauf vorbereiten, von der Mauer zu springen und dir das Genick zu brechen.“
„Sagt der Mann, der auf einer Bohrinsel herumgetanzt ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.“
Connor sah zu dem Handwerker hinüber, den er angeheuert hatte, um den hundert Jahre alten Torbogen durch einen mit dem Namen der neuen Stallung zu ersetzen. „Wo ist der Rest der Crew?“
„Spät dran.“ Der glatzköpfige Mann mittleren Alters mit dem runden Bauch warf Connor kaum einen Blick zu. „Diese kleine Lady hier hilft beim Aufbau.“
Irgendwie zweifelte Hannah daran, dass das Ende eines Maßbands festzuhalten, als Aufbau bezeichnet werden konnte. Doch als sie den Mann herumtrotten und auf seine Crew warten sah, hatte sie sich gedacht, dass sie wenigstens helfen sollte, das Ende des Maßbands festzuhalten. Nie im Leben hätte dieser Kerl auf etwas Höheres als einen Ameisenhaufen springen können. Sie neigte den Kopf von ihrem Cousin zur Ladefläche des großen Trucks. „Hast du schon gesehen?“
Die Besorgnis verschwand aus Connors Gesicht, als sein Blick auf dem massiven neuen Bogen landete. Ein langsames Grinsen wölbte eine Seite seines Mundes gen Himmel und wanderte dann über seine Lippen. „Nicht übel.“
„Ja.“ So aufgeregt sie wegen der neuen Stallungen war, würde jeder denken, dass mehr als nur ihr Familienstolz in diesem Unterfangen steckte. Doch sie hätte sich nicht mehr über die neuen Ställe und das Pferdeprogramm freuen können, selbst wenn dieser Ort ihr gehört hätte. Die Gelegenheit, von Anfang an mit dabei zu sein war ein unbeschreibliches Gefühl. Menschen, die normalerweise keinen Zugang zu dieser Art Therapie hatten oder sie sich nicht leisten konnten, Veränderung und Hoffnung zu bringen, war es wert gewesen, alles hinter sich zu lassen, was sie sich in Dallas aufgebaut hatte. Obwohl sie hoffte, dass der Ruf, den sie sich erarbeitet hatte, ihr nacheilen würde.
Der Vorarbeiter kritzelte etwas auf das Klemmbrett in seiner Hand und reichte Hannah dann die Metallhülle des Maßbands. „Hier, schnapp dir diese Seite und sag mir dann, wie weit es ist.” Dann schritt er mit dem anderen Ende des Maßbandes in der Hand auf die gegenüberliegende Seite des Eingangs und legte es, auf der ersten Sprosse einer Leiter balancierend, mittig an den Stützpfosten an. „Was hast du?“
„Genau Zweihundertvierundsechzig.“
„Gut. Gut“, murmelte der Mann vor sich hin.
Sie hätte gedacht, dass sie bei einem Projekt dieser Größe bereits ein paar hundert Mal gemessen und nachgemessen hätten, aber noch einmal konnte nicht schaden. Sie rollte das Band auf, nickte dem Mann zu und drehte sich auf der schmalen Wand um.
„Hier.“ Connor trat vor und hob einen Arm. „Lass mich dir helfen.“
„Ich bin ohne dich hier hochgekommen. Ich komme auch allein wieder hinunter.“ Sie balancierte die Mauer entlang und kletterte sie dann so mühelos hinab, wie sie hinaufgestiegen war.
Connor schüttelte den Kopf und kicherte, wobei sein Lächeln immer noch sein ganzes Gesicht einnahm. „Ich weiß nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe mache.“
Hannah beugte sich vor und küsste ihren Cousin auf die Wange. Obwohl die West-Texas-Farradays und die Hill-Country-Farradays nach den Maßstäben normaler Menschen überhaupt nicht nahe beieinander lebten, verbrachten sie dennoch genug Zeit zusammen, um sich eher als Geschwister denn als Cousins zu betrachten. „Weil du mich liebst.“
Connor lachte lauthals. „Unter anderem.“
Staub aufwirbelnd, als er von der Hauptstraße abfuhr, näherte sich der kleine Lastwagen mit den restlichen Handwerkern und parkte neben der gewaltigen Eisenkonstruktion. Das Leuchten in Connors Augen ließ die Haare auf Hannahs Arm zu Berge stehen. Ihr Cousin hatte sein ganzes Leben lang von diesem Tag geträumt und auch sie konnte die Vorfreude kaum ertragen. Ja, der Bau der Koppeln und Gehege und zusätzlicher Ställe für das sich im Aufbau befindende Pferdetherapieprogramm waren der Hauptteil zur Verwirklichung seines Traums gewesen, doch das hier – dieser traditionelle eiserne Schriftzug – war das i-Tüpfelchen.
Das Anheben einer Eisenkonstruktion, die mehrere hundert Pfund wog, ging nicht wirklich schnell von Statten und war wenig komplex. Dennoch standen Hannah und Connor, gefesselt von der langsamen Bewegung, wie angewurzelt da. Zufrieden, der Entstehung von etwas Neuem beizuwohnen.
Aus der Stadt kommend hielt hinter ihnen der Truck mit Catherine, Connors Frau an. Türen schlugen zu, und Catherine eilte zu ihrem Mann und schmiegte sich an ihn. „Ich hatte Angst, ich würde es verpassen.“
Connor legte einen Arm um die Schulter seiner Frau und zog sie an sich. Es war wirklich süß, wie sich ihre Cousins den Frauen in ihrem Leben widmeten. Für einige, wie Adam, hatte es länger gedauert als für andere, doch sobald ein Farraday-Mann seine Partnerin gefunden hatte, bekam sie hundert Prozent von dem, was er zu geben hatte. Das Komplizierte für Hannah würde in den nächsten zehn Jahren, oder so, darin bestehen, einen eigenen Mann zu finden, der mit ihren Cousins mithalten konnte.
„Jetzt geht es los“, flüsterte Catherine.
Das große Kunstwerk senkte sich über dem Eingang und mit etwas Hilfe durch die Männer auf beiden Seiten glitten die Enden in die für sie bestimmten Fassungen, während Hannahs Herz hüpfte, als ob ihr die Capaill Stables gehörten.
Noch ein paar Minuten standen die drei direkt hinter den offenen Toren und starrten nach oben, während die Arbeiter den neuen Schriftzug an Ort und Stelle fixierten.
„Sieht ziemlich gut aus“, flüsterte Catherine.
„Besser als gut“, fügte Hannah hinzu.
„Großvater würde es gefallen“, sagte Catherine.
Connor löste seinen Blick von dem geschwungenen Capaill, dem alten gälischen Namen, den sein Vater treffend für die Ranch vorgeschlagen hatte, und studierte das Gesicht seiner Frau. „Denkst du?“
„Ja, das tue ich.“ Catherine strahlte. „Er liebte diesen Ort. Er war stolz auf seine Geschichte und ich weiß tief im Inneren, dass er begeistert gewesen wäre, hier zu sein, wenn die Brennans und die Farradays auf diesem Land zusammenkommen.“
„Und das“, Hannah rieb sich die Hände, „ist mein Stichwort, wieder an die Arbeit zu gehen. Ich möchte mit der neuen Fjord-Stute ausreiten. Sie kommt mir noch etwas scheu vor. Das ruft nach etwas gemeinsamer Zeit, nur wir beide.“
„Glaubst du nicht, dass sie gut für die Therapie ist?“, fragte Catharine. Der einzige Grund, warum sie sich für diese kleinere, stämmigere Rasse entschieden hatten, war ihre Fähigkeit, ein höheres Gewicht zu tragen. Ihre Größe würde es den Patienten und ihren Betreuern erleichtern, das Pferd zu führen. Niemand wollte, dass diese Stute schlecht in das neue Programm passte.
„Wir werden sehen. Vielleicht muss sie sich einfach nur an die neue Umgebung gewöhnen.“ Das war zumindest die Geschichte, an der sie festhielt. Ein gutes Therapiepferd zu finden, war ein bisschen wie die Suche nach einem guten Mann; sie mochten auf den ersten Blick ziemlich hübsch aussehen, aber sobald man sie kennenlernte, konnten sie sich schnell als ein Problem anstatt als Preis entpuppen.
* * *
Der Komfort von weichen Ledersitzen in einem hochwertig verarbeiteten Luxusauto hatte einiges zu bieten. Schade, dass Dale Johnson nicht dasselbe über die beiden Räder unter ihm sagen konnte. Anfangs, als er aus der Stadt fuhr, waren das Dröhnen des Motors unter ihm und der Wind in seinem Gesicht fantastisch gewesen. Das Gefühl der Freiheit hatte zu lange in seinem Leben gefehlt. All das entschädigte ihn fast für den Schlamassel, in den er sich gebracht hatte. Fast.
Jetzt, da er mehr Stunden auf diesen endlosen Nebenstraßen in Texas verbracht hatte, als er zählen wollte, wünschte er sich, er hätte sich statt dieses zweirädrigen Gefährts einen Gebrauchtwagen gekauft, der nicht so häufig aufgetankt werden müsste.
Natürlich könnte sich das nach einer erholsamen Nacht auf einer richtigen Matratze wieder ändern. Andererseits würde er viel mehr als nur eine einzige Nacht Schlaf brauchen, um sein Leben wieder in Ordnung zu bringen – und seinen Rücken. Nach seinen Berechnungen und dem letzten Straßenschild, das er gesehen hatte, sollte er in etwa einer Stunde oder so in Tuckers Bluff ankommen. Langsam benötigte er dringend eine Pause, um die Taubheit loszuwerden, die die wenigen Körperteile einnahm, die nicht wie verrückt schmerzten. Nachdem er Dallas verlassen hatte, hatte es nicht lange gedauert um zu erkennen, dass er es nicht aushalten würde, ein paar Stunden ohne Unterbrechung auf einem Motorrad zu fahren. Und mit jedem weiteren Kilometer pochte sein Rücken energisch auf mehr Pausen. Schade, dass er kein Heizkissen an den Motor anschließen konnte. Er bremste am Straßenrand ab, kam zum Stehen und stieg vorsichtig von seiner Maschine ab. Viel langsamer, als ihm lieb war, aber immerhin konnte er sich bewegen. Besser als die Alternative.
Ein Schluck kühles Wasser linderte das Brennen in seiner Kehle, wenn auch nicht die Schmerzen in seinem Rücken. Darauf bedacht, sich nicht zu verrenken, tat er sein Bestes, um seine schmerzenden Muskeln zu dehnen, und entschied, dass es sicher hilfreich sein könnte, sich ein paar Minuten länger als geplant die Füße zu vertreten. An einem Zaun in der Nähe machte er Halt und starrte auf den sich vor ihm ausbreitenden Horizont. Es war verdammt lange her, seit er so viel Nichts an einem Ort gesehen hatte. Er konzentrierte sich auf den klaren Himmel, der so blau wie der Malstift eines Kindes war, und zwang sich, an Kindheitszeichnungen zu denken, an das hellblaue Kleid, das sein Date auf dem Abschlussball getragen hatte – das Kleid, das er ihr so mühevoll abgerungen hatte – und an das Glitzern in den schieferblauen Augen seiner Großmutter, wenn sie ihm einen irischen Limerick vorsang. All das, um nicht daran zu denken, dass dieser Ort so sehr der trocken, flachen und höllisch heißen Wüste ähnelte, in der er im Nahen Osten stationiert gewesen war.
An manchen Tagen schien das Marine Corps so weit weg zu sein, so lange her. An anderen Tagen wirkten die Jahre, die er an einem Ort verbracht hatte, an dem ihn niemand haben wollte, schon gar nicht die Einheimischen, so frisch, dass er nicht zur Ruhe kommen konnte. Jetzt, zurück in der zivilisierten Welt – in der er sich gelegentlich fragte, was am modernen urbanen Leben zivilisiert war –, schien es verdammt schwer zu sein, an der Hoffnung auf eine bessere Welt festzuhalten.
Er schraubte den Deckel wieder auf die Wasserflasche und gab sich einen mentalen Tritt. An diesen negativen Gedanken festhalten, würde die Dinge auch nicht besser machen. Es war nun einmal, wie es war. Er packte die Flasche wieder in seinen Rucksack und verweilte noch einen Augenblick in dieser endlosen Weite. Es war Zeit, weiterzufahren. Er schwang sein Bein etwas beweglicher über den Sitz als beim Absteigen von seinem neuen Motorrad, klappte den Seitenständer hoch und startete den Motor.
Die Reifen spuckten Schmutz und Kies als er vom Straßenrand auf den Asphalt fuhr. Bereit, jedes einzelne PS an seine Grenzen zu bringen, beugte er sich vor, als dieser sechste Sinn, der ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte, ihn über die Straße blicken ließ. Sein Herz und sein Motorrad kamen blitzschnell zum Stehen.
Das letzte, von dem er erwartet hatte, es mitten im verdammten Nirgendwo von West-Texas zu sehen, war ein Pferd, das sich tretend aufbäumte und die zierliche Schönheit auf seinem Rücken abwarf, sodass diese hart auf dem unbarmherzigen staubigen Boden aufschlug. Der Blick auf die schweren Hufe, die mit Schwung auf die hübsche Reiterin niederprasselten, war alles, was er brauchte, um kehrt zu machen und über die Straße zu rasen. Ob im Nahen Osten oder hier in der zivilisierten Welt, er hatte genug unnötige Todesfälle für mehr als ein Leben gesehen. Und genug war genug.