Ians Gefühlschaos
Kapitel Eins
Es gab viele Dinge im Leben, die nicht gut waren. Tod, Steuern – und wie jetzt – die Reflexion blinkender roter und blauer Lichter im Rückspiegel.
„Ich hätte auf der Party bleiben sollen“, murmelte Kelly Ann Morgan vor sich hin, während sie an den Straßenrand fuhr. „Blöde Füße.“ Trotz der Warnung ihrer Mutter hatte sie sich dafür entschieden, die sexy Slingpumps mit fünf Zoll hohen Absätzen zu tragen, die sie groß und etwas schlanker aussehen ließen, aber selbst nachdem sie sie vor zwei Stunden ausgezogen hatte, waren die Schmerzen nicht weniger geworden. Nachdem Finn und seine Braut den Empfang verlassen hatten, konnte sie nur noch daran denken, ihre pochenden Füße hochzulegen und ins Bett zu kriechen. Während die anderen noch die ganze Nacht durchtanzten, hatte sie die Schwester des Bräutigams davon überzeugt, mit ihrem Bruder mitzufahren, damit Kelly die Feier gleich nach den Jungvermählten verlassen konnte. Wenn ihre dummen Füße nicht wären, würde sie immer noch mit all ihren Freunden auf dem Hochzeitsempfang tanzen, anstatt mit einem Polizeiauto an ihrer Stoßstange am Straßenrand anzuhalten.
Sie durchsuchte ihre perlenbesetzte Clutch nach ihrem Führerschein, atmete beruhigend ein und ging den letzten Teil der Strecke in Gedanken noch einmal ab, während sie sich fragte, was sie falsch gemacht haben könnte. Mit dem Führerschein in der Hand ließ sie das Fenster herunter und warf einen schnellen Blick auf die Windschutzscheibe. Keine abgelaufene Zulassung. Zumindest das war gut.
„Guten Abend, Miss. Führerschein und Versicherungsnachweis bitte?“
„Ja“, Hicks, „Sir.“ Sie streckte ihre Hand aus. „Es tut mir leid.“ Hicks. „Ich bekomme Schluckauf, wenn ich nervös bin.“
Der Beamte richtete seine Aufmerksamkeit von ihrem Führerschein auf ihr Gesicht. „Ich verstehe. Warten Sie bitte hier.“
Vielleicht hatte sie ein durchgebranntes Rücklicht oder so. Angespannt in den Rückspiegel zu starren und zuzusehen, wie der Beamte auf den Vordersitz seines Streifenwagens stieg, half nicht, ihre verunsicherten Nerven zu beruhigen. Er hatte nur ihre Fahrzeugpapiere überprüft. Routine. Standardverfahren. Kein Grund zur Sorge. Schließlich war sie keine Kriminelle auf der Flucht.
Der hochragende Mann schlenderte mit unlesbarem Gesichtsausdruck zurück zu ihrer Tür.
Ungeduldig platzte sie heraus: „Habe ich etwas falsch gemacht?“
„Ein paar Blocks weiter hinten steht ein Stoppschild.“
„Stoppschild?“
Sein Blick überflog mit einer schnellen Bewegung das Innere des Wagens. „Woher kommen Sie, Miss?“
„Von der Hochzeit eines Freundes.“ Sie holte tief Luft und schluckte schwer, während sie versuchte, diesen dummen nervösen Schluckauf zu unterdrücken.
„Haben Sie gefeiert?“, fragte er ruhig.
Kelly nickte. Sie wagte nicht, den Mund zu öffnen.
„Ein paar Drinks?“
„Nein, Sir. Nun, ja, Sir, aber ich bin vollkommen nüchtern.“
Der Beamte nickte und trat einen halben Schritt zurück. „Wenn Sie bitte aus dem Auto steigen würden?“
„Ich hatte meinen letzten Drink vor mindestens ein paar Stunden.“ Sie ließ einen Fuß aus der Tür baumeln, dann einen anderen. „Glauben Sie mir, niemand hätte mich aus der Halle gelassen, wenn ich mehr gehabt hätte.“ Hicks.
Der Blick des Mannes senkte sich und für ein paar aufregende Sekunden dachte sie, er bewundere ihre Beine. „Miss, wo sind Ihre Schuhe?“
„Schuhe?“ Meinte er diese schrecklich teuren Foltergeräte? Sie warf ihren Daumen über ihre Schulter in Richtung Rücksitz, nur um plötzlich zu realisieren, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, sie überhaupt dorthin geworfen zu haben. „Ich … glaube, ich habe sie auf dem Empfang vergessen.“
„Würden Sie sich bitte mit ausgestreckten Armen gerade hinstellen und Ihren rechten Fuß sechs Zoll über den Boden heben.“
„Ja“, Hicks, „natürlich, aber ich kann die ganze Sache klären, wenn ich nur eine Minute bekäme, um jemanden anzurufen. Sehen Sie …“ Sie kippte mit ausgebreiteten Armen zur Seite. Auf einem Bein zu balancieren war noch nie ihre Stärke gewesen. Mit sechs Jahren war sie aus dem Ballettunterricht geflogen. Sie richtete sich neu aus und versuchte es noch einmal, wobei sie unsicher schwankte, bevor sie fast noch einmal umkippte. „Oh, vergessen wir das. Wenn ich nur kurz einen Anruf –“
Der Beamte hob seine Taschenlampe. „Lehnen sie den Feld-Nüchternheitstest ab?“
Sie nahm all ihren Mut zusammen und straffte die Schultern. Wenn das Stehen auf einem Bein Teil des Tests war, würde sie ihn nie bestehen. „Tue ich.“
„Dann werden Sie ihren einen Anruf definitiv bekommen.“
* * *
„Mom wird überaus enttäuscht sein, dass die Party fast vorbei ist und du mit mir anstatt einer Single-Frau tanzt.“ Ian Farradays kleine Schwester Hannah lächelte zu ihm hinauf.
„Nur weil D.J. seinen zukünftigen Schwager dazu gebracht hat, beim Einladen der Hochzeitsgeschenke zu helfen.“ Auf der anderen Seite der Halle entdeckte er seine Mutter, die sich der Tanzfläche an der Seite seines Vaters näherte. „Außerdem, wenn Dad nicht schlapp macht, bevor das Lied endet, wird Mom es nicht bemerken.“
Hannah kicherte. „Ich schätze, du und Jamie haben Glück, dass sie das Tanzen mehr liebt als das Singen.“
„Aber Jamie tanzt nicht mit seiner Schwester.“
„Nein.“ Hannah runzelte die Stirn. „Diese Blondine hat ihn in Beschlag genommen, seit Joanna den Kuchen angeschnitten hat.“
„Du verlierst dein Gespür, Schwesterchen. Die Blondine hat sich Jamie schon auserkoren, bevor sie das erste Glas Champagner eingeschenkt haben.“
Hannahs Blick wanderte durch die große Halle zu ihrem ältesten Bruder und der Möchtegern-Marilyn-Monroe, die sich zur Musik drehte. „Jamie war derjenige, der sich am besten bei den Tanzstunden gemacht hat, auf die Mom bestanden hat.“
„Es hat geholfen, dass er alt genug war, um zu verstehen, dass alle Mädchen auf Kerle stehen, die eine Runde auf der Tanzfläche drehen können, ohne ihnen auf die Füße zu treten.“ Ian war nur ein paar Jahre jünger als sein Bruder, aber damals hatte er den Tanzunterricht als große Zumutung empfunden. Erst als er auf dem College war und den Two-Step gemeistert hatte – und dadurch die tollsten Mädchen für sich gewann – wurde ihm klar, dass seine Mutter wieder einmal Recht behalten sollte. Was ihn nur kurz dazu brachte, sich zu fragen, warum sie sich jetzt entschieden hatte, immer wieder dieselbe Leier über sein Dasein als Junggeselle anzustimmen.
Der Discjockey kündigte das letzte Lied des Abends an und Ian drehte seine Schwester zu den ersten Tönen der beliebten Melodie von Time of Your Life. Am Ende des Songs lachten sie, waren außer Atem und bereit schlafen zu gehen.
Ein paar Meter von ihrem leeren Tisch entfernt erregte das Klingeln eines Handys Ians Aufmerksamkeit. Er beschleunigte seinen Schritt, folgte dem Geräusch und entdeckte den Übeltäter unter der Serviette neben D.J.s Platz. Die Anrufer-ID verwies auf das Lew Sterrett Justice Center. Normalerweise hätte er das Telefon einer anderen Person auf die Mailbox gehen lassen, aber so spät in der Nacht entschied er sich zu antworten. „Hallo.“
„D.J.?“
„Nein. D.J. ist bald zurück. Hier ist Ian. Kann ich helfen?“
„Hoffentlich.“ Er hörte an der Stimme der Anruferin, dass es einen Haken geben musste. „Hier ist Kelly Morgan und ich habe ein kleines Problem.“
Wenn sie im Lew Sterrett Justice Center war, würde er auf nicht ganz so klein tippen.
„Sie denken, ich hätte getrunken.“
Denken? Alle auf dem Empfang hatten etwas getrunken. Die Eltern der Braut hatten kein Kosten gescheut. Nicht bei der historischen Art-Deco-Location, dem Essen oder dem fließenden Alkohol.
„Ich habe den Feld-Nüchternheitstest abgelehnt.“
Was bedeutete, dass der beteiligte Beamte sie zu Bluttests auf die Wache gebracht hatte. Für ihn klang sie nicht wirklich betrunken, aber er hatte keine Ahnung, wie lange sie schon im Gefängnis war, bevor sie ihren Anruf bekam.
„D.J. muss herkommen und erklären, dass ich keine“, ein schwerer Seufzer ertönte durch das Telefon, „… Säuferin bin. Dann können“, sie atmete tief ein und er könnte schwören, dass er sie schlucken gehört hatte, „... können sie mich nach Hause gehen lassen.“ Sie atmete zittrig aus, was die Angst unter dem selbstbewussten Wagemut entblößte. „Schnell, bitte.“
„Wir kommen.“ Er beendete das Gespräch, ließ den Blick durch die große Halle schweifen und wandte sich dann seiner Schwester zu. „Wir müssen D.J. finden. Schnell.“
Hannah deutete auf die Treppe, die zum halbkreisförmigen Empfangsbereich bei den Vordertüren hinunterführte. „Er kommt gerade rein.“
Er wartete nicht auf seine Schwester, sondern ging so schnell wie möglich, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, zu seinem Cousin. „Wir haben ein Problem.“
D.J.s Augenbrauen zogen sich zu einem Stirnrunzeln nach oben. „Was ist passiert?“
„Kelly hat dich angerufen.“ Ian reichte D.J. sein Handy. „Sie wurde festgenommen. Trunkenheit am Steuer.“
„Was?“ D.J.s Augenbrauen schossen noch höher auf seine Stirn hinauf.
Dale, der vor kurzem die Polizei von Dallas verlassen hatte, trat um seinen Freund herum. „Wo ist sie?“
„Lew Sterrett.“
„Lasst uns gehen“, sagten D.J. und Dale gleichzeitig.
Ian drehte sich zu seiner Schwester um und warf ihr seine Schlüssel zu. „Du bringst mein Auto zurück zum Hotel. Ich treffe dich später.“
„Ich werde euch folgen.“ Hannah beugte sich über einen Tisch in der Nähe und griff nach ihrer Handtasche.
„Nein“, hallte es von Dale und D.J. erneut gleichzeitig, bevor D.J. fortfuhr: „Keine gute Idee. Wir kümmern uns darum. Sag besser niemandem, was los ist. Wir müssen niemanden beunruhigen, solange wir nichts Genaueres wissen.“
Ian konnte sehen, wie sich Protest im Kopf seiner Schwester formte, aber mit einem langsamen Nicken stimmte sie zu.
Das Gefängnis war nicht weit von der Empfangshalle auf dem Messegelände entfernt und Ian und die anderen stürmten im Handumdrehen durch die Türen hinein.
Der Beamte an der Rezeption hob den Blick, als die drei Männer in das Gebäude vordrangen. In der Sekunde, in der sein Blick auf Dale fiel, entspannten sich seine Schultern und freundschaftliche Vertrautheit leuchtete in seinen Augen. „Was führt dich zu dieser Stunde hierher?“
„Wir sind wegen einer Freundin hier.“
Der Kopf des Beamten nahm die Männer zu beiden Seiten von Dale wahr, die beide ihren Abzeichen an ihren Gürteln befestigt hatten. Der ältere Mann konzentrierte sich auf D.J., runzelte die Stirn und verengte seinen Blick. „Farraday?“
DJ nickte, aber das Lächeln war gezwungen. Er war nicht in Stimmung für Smalltalk und Ian verstand warum.
Als er sich Ians Texas-Ranger-Abzeichen zuwandte entspannte sich die steife Haltung des Beamten jedoch nicht. „Wen haben wir in Gewahrsam, der rechtfertigt, dass uns zwei ehemalige Polizisten aus Dallas und ein Ranger einen Besuch abstatten?“
„Kelly Morgan“, antwortete D.J., dessen Haltung viel lockerer und freundlicher war, als die des Mannes hinter dem Schreibtisch.
„Morgan“, murmelte der Beamte und tippte auf einer Tastatur. „Der Fall von Trunkenheit am Steuer?“ Sein Gesichtsausdruck wechselte von territorialer Arroganz zu totaler Verwirrung.
„Sie ist eine Freundin“, wiederholte Dale mit einem beiläufigen Achselzucken. „Wer war der festnehmende Beamte?“
„Cavanaugh.“
Aus dem schnellen Kopfnicken von Dale, das dem von D.J. glich, ging Ian davon aus, dass dies Kumpelsprache für Damit können wir arbeiten war.
„Können wir sie sehen?“, fragte D.J..
Der Beamte musterte die Männer, blickte zu Dale und zuckte mit den Schultern. „Ihr kennt die Routine.“
Diesmal war Dales Grinsen eher das eines Freundes. „Danke Jack.“
Vom Eingangsbereich des Gebäudes bis zu der Zelle, wo Kelly und ein paar andere fehlgeleitete Seelen und mindestens ein paar leichte Mädchen warteten, war es nur ein kurzer Weg. Selbst wenn er Kelly nicht vor kurzem auf dem Empfang gesehen hätte, wäre sie leicht zu erkennen gewesen. Wenn sie sich noch dichter an die hintere Wand drückte, würde sie eins mit ihr werden. Die Begeisterung in ihren Augen als sie D.J. erblickte, ließ Ian wünschen, jemand hätte sie daran gehindert, allein nach Hause zu fahren.
„Du bist hier“, sagte sie, als sie sich den kalten Metallstäben näherte. „Kann ich hier jetzt raus?“ Diesmal konnte ihre schwache Stimme die Angst nicht verbergen.
D.J. deutete mit einem Daumen über die Schulter zu Ian. „Es zahlt sich aus, Freunde in hohen Positionen zu haben.“
Erleichterte und dankbare Augen richteten sich auf Ian. „Wenn das ja bedeutet, schulde ich dir mein erstgeborenes Kind.
Wenigstens hatte sie noch Humor. „Das wird nicht nötig sein.“ Zumal ihre Freiheit ihren Preis hatte. Mindestens für die nächsten vierundzwanzig Stunden würde sich eine gewisse Kelly Morgan in seinem Gewahrsam befinden.
Es gab viele Dinge im Leben, die nicht gut waren. Tod, Steuern – und wie jetzt – die Reflexion blinkender roter und blauer Lichter im Rückspiegel.
„Ich hätte auf der Party bleiben sollen“, murmelte Kelly Ann Morgan vor sich hin, während sie an den Straßenrand fuhr. „Blöde Füße.“ Trotz der Warnung ihrer Mutter hatte sie sich dafür entschieden, die sexy Slingpumps mit fünf Zoll hohen Absätzen zu tragen, die sie groß und etwas schlanker aussehen ließen, aber selbst nachdem sie sie vor zwei Stunden ausgezogen hatte, waren die Schmerzen nicht weniger geworden. Nachdem Finn und seine Braut den Empfang verlassen hatten, konnte sie nur noch daran denken, ihre pochenden Füße hochzulegen und ins Bett zu kriechen. Während die anderen noch die ganze Nacht durchtanzten, hatte sie die Schwester des Bräutigams davon überzeugt, mit ihrem Bruder mitzufahren, damit Kelly die Feier gleich nach den Jungvermählten verlassen konnte. Wenn ihre dummen Füße nicht wären, würde sie immer noch mit all ihren Freunden auf dem Hochzeitsempfang tanzen, anstatt mit einem Polizeiauto an ihrer Stoßstange am Straßenrand anzuhalten.
Sie durchsuchte ihre perlenbesetzte Clutch nach ihrem Führerschein, atmete beruhigend ein und ging den letzten Teil der Strecke in Gedanken noch einmal ab, während sie sich fragte, was sie falsch gemacht haben könnte. Mit dem Führerschein in der Hand ließ sie das Fenster herunter und warf einen schnellen Blick auf die Windschutzscheibe. Keine abgelaufene Zulassung. Zumindest das war gut.
„Guten Abend, Miss. Führerschein und Versicherungsnachweis bitte?“
„Ja“, Hicks, „Sir.“ Sie streckte ihre Hand aus. „Es tut mir leid.“ Hicks. „Ich bekomme Schluckauf, wenn ich nervös bin.“
Der Beamte richtete seine Aufmerksamkeit von ihrem Führerschein auf ihr Gesicht. „Ich verstehe. Warten Sie bitte hier.“
Vielleicht hatte sie ein durchgebranntes Rücklicht oder so. Angespannt in den Rückspiegel zu starren und zuzusehen, wie der Beamte auf den Vordersitz seines Streifenwagens stieg, half nicht, ihre verunsicherten Nerven zu beruhigen. Er hatte nur ihre Fahrzeugpapiere überprüft. Routine. Standardverfahren. Kein Grund zur Sorge. Schließlich war sie keine Kriminelle auf der Flucht.
Der hochragende Mann schlenderte mit unlesbarem Gesichtsausdruck zurück zu ihrer Tür.
Ungeduldig platzte sie heraus: „Habe ich etwas falsch gemacht?“
„Ein paar Blocks weiter hinten steht ein Stoppschild.“
„Stoppschild?“
Sein Blick überflog mit einer schnellen Bewegung das Innere des Wagens. „Woher kommen Sie, Miss?“
„Von der Hochzeit eines Freundes.“ Sie holte tief Luft und schluckte schwer, während sie versuchte, diesen dummen nervösen Schluckauf zu unterdrücken.
„Haben Sie gefeiert?“, fragte er ruhig.
Kelly nickte. Sie wagte nicht, den Mund zu öffnen.
„Ein paar Drinks?“
„Nein, Sir. Nun, ja, Sir, aber ich bin vollkommen nüchtern.“
Der Beamte nickte und trat einen halben Schritt zurück. „Wenn Sie bitte aus dem Auto steigen würden?“
„Ich hatte meinen letzten Drink vor mindestens ein paar Stunden.“ Sie ließ einen Fuß aus der Tür baumeln, dann einen anderen. „Glauben Sie mir, niemand hätte mich aus der Halle gelassen, wenn ich mehr gehabt hätte.“ Hicks.
Der Blick des Mannes senkte sich und für ein paar aufregende Sekunden dachte sie, er bewundere ihre Beine. „Miss, wo sind Ihre Schuhe?“
„Schuhe?“ Meinte er diese schrecklich teuren Foltergeräte? Sie warf ihren Daumen über ihre Schulter in Richtung Rücksitz, nur um plötzlich zu realisieren, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, sie überhaupt dorthin geworfen zu haben. „Ich … glaube, ich habe sie auf dem Empfang vergessen.“
„Würden Sie sich bitte mit ausgestreckten Armen gerade hinstellen und Ihren rechten Fuß sechs Zoll über den Boden heben.“
„Ja“, Hicks, „natürlich, aber ich kann die ganze Sache klären, wenn ich nur eine Minute bekäme, um jemanden anzurufen. Sehen Sie …“ Sie kippte mit ausgebreiteten Armen zur Seite. Auf einem Bein zu balancieren war noch nie ihre Stärke gewesen. Mit sechs Jahren war sie aus dem Ballettunterricht geflogen. Sie richtete sich neu aus und versuchte es noch einmal, wobei sie unsicher schwankte, bevor sie fast noch einmal umkippte. „Oh, vergessen wir das. Wenn ich nur kurz einen Anruf –“
Der Beamte hob seine Taschenlampe. „Lehnen sie den Feld-Nüchternheitstest ab?“
Sie nahm all ihren Mut zusammen und straffte die Schultern. Wenn das Stehen auf einem Bein Teil des Tests war, würde sie ihn nie bestehen. „Tue ich.“
„Dann werden Sie ihren einen Anruf definitiv bekommen.“
* * *
„Mom wird überaus enttäuscht sein, dass die Party fast vorbei ist und du mit mir anstatt einer Single-Frau tanzt.“ Ian Farradays kleine Schwester Hannah lächelte zu ihm hinauf.
„Nur weil D.J. seinen zukünftigen Schwager dazu gebracht hat, beim Einladen der Hochzeitsgeschenke zu helfen.“ Auf der anderen Seite der Halle entdeckte er seine Mutter, die sich der Tanzfläche an der Seite seines Vaters näherte. „Außerdem, wenn Dad nicht schlapp macht, bevor das Lied endet, wird Mom es nicht bemerken.“
Hannah kicherte. „Ich schätze, du und Jamie haben Glück, dass sie das Tanzen mehr liebt als das Singen.“
„Aber Jamie tanzt nicht mit seiner Schwester.“
„Nein.“ Hannah runzelte die Stirn. „Diese Blondine hat ihn in Beschlag genommen, seit Joanna den Kuchen angeschnitten hat.“
„Du verlierst dein Gespür, Schwesterchen. Die Blondine hat sich Jamie schon auserkoren, bevor sie das erste Glas Champagner eingeschenkt haben.“
Hannahs Blick wanderte durch die große Halle zu ihrem ältesten Bruder und der Möchtegern-Marilyn-Monroe, die sich zur Musik drehte. „Jamie war derjenige, der sich am besten bei den Tanzstunden gemacht hat, auf die Mom bestanden hat.“
„Es hat geholfen, dass er alt genug war, um zu verstehen, dass alle Mädchen auf Kerle stehen, die eine Runde auf der Tanzfläche drehen können, ohne ihnen auf die Füße zu treten.“ Ian war nur ein paar Jahre jünger als sein Bruder, aber damals hatte er den Tanzunterricht als große Zumutung empfunden. Erst als er auf dem College war und den Two-Step gemeistert hatte – und dadurch die tollsten Mädchen für sich gewann – wurde ihm klar, dass seine Mutter wieder einmal Recht behalten sollte. Was ihn nur kurz dazu brachte, sich zu fragen, warum sie sich jetzt entschieden hatte, immer wieder dieselbe Leier über sein Dasein als Junggeselle anzustimmen.
Der Discjockey kündigte das letzte Lied des Abends an und Ian drehte seine Schwester zu den ersten Tönen der beliebten Melodie von Time of Your Life. Am Ende des Songs lachten sie, waren außer Atem und bereit schlafen zu gehen.
Ein paar Meter von ihrem leeren Tisch entfernt erregte das Klingeln eines Handys Ians Aufmerksamkeit. Er beschleunigte seinen Schritt, folgte dem Geräusch und entdeckte den Übeltäter unter der Serviette neben D.J.s Platz. Die Anrufer-ID verwies auf das Lew Sterrett Justice Center. Normalerweise hätte er das Telefon einer anderen Person auf die Mailbox gehen lassen, aber so spät in der Nacht entschied er sich zu antworten. „Hallo.“
„D.J.?“
„Nein. D.J. ist bald zurück. Hier ist Ian. Kann ich helfen?“
„Hoffentlich.“ Er hörte an der Stimme der Anruferin, dass es einen Haken geben musste. „Hier ist Kelly Morgan und ich habe ein kleines Problem.“
Wenn sie im Lew Sterrett Justice Center war, würde er auf nicht ganz so klein tippen.
„Sie denken, ich hätte getrunken.“
Denken? Alle auf dem Empfang hatten etwas getrunken. Die Eltern der Braut hatten kein Kosten gescheut. Nicht bei der historischen Art-Deco-Location, dem Essen oder dem fließenden Alkohol.
„Ich habe den Feld-Nüchternheitstest abgelehnt.“
Was bedeutete, dass der beteiligte Beamte sie zu Bluttests auf die Wache gebracht hatte. Für ihn klang sie nicht wirklich betrunken, aber er hatte keine Ahnung, wie lange sie schon im Gefängnis war, bevor sie ihren Anruf bekam.
„D.J. muss herkommen und erklären, dass ich keine“, ein schwerer Seufzer ertönte durch das Telefon, „… Säuferin bin. Dann können“, sie atmete tief ein und er könnte schwören, dass er sie schlucken gehört hatte, „... können sie mich nach Hause gehen lassen.“ Sie atmete zittrig aus, was die Angst unter dem selbstbewussten Wagemut entblößte. „Schnell, bitte.“
„Wir kommen.“ Er beendete das Gespräch, ließ den Blick durch die große Halle schweifen und wandte sich dann seiner Schwester zu. „Wir müssen D.J. finden. Schnell.“
Hannah deutete auf die Treppe, die zum halbkreisförmigen Empfangsbereich bei den Vordertüren hinunterführte. „Er kommt gerade rein.“
Er wartete nicht auf seine Schwester, sondern ging so schnell wie möglich, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, zu seinem Cousin. „Wir haben ein Problem.“
D.J.s Augenbrauen zogen sich zu einem Stirnrunzeln nach oben. „Was ist passiert?“
„Kelly hat dich angerufen.“ Ian reichte D.J. sein Handy. „Sie wurde festgenommen. Trunkenheit am Steuer.“
„Was?“ D.J.s Augenbrauen schossen noch höher auf seine Stirn hinauf.
Dale, der vor kurzem die Polizei von Dallas verlassen hatte, trat um seinen Freund herum. „Wo ist sie?“
„Lew Sterrett.“
„Lasst uns gehen“, sagten D.J. und Dale gleichzeitig.
Ian drehte sich zu seiner Schwester um und warf ihr seine Schlüssel zu. „Du bringst mein Auto zurück zum Hotel. Ich treffe dich später.“
„Ich werde euch folgen.“ Hannah beugte sich über einen Tisch in der Nähe und griff nach ihrer Handtasche.
„Nein“, hallte es von Dale und D.J. erneut gleichzeitig, bevor D.J. fortfuhr: „Keine gute Idee. Wir kümmern uns darum. Sag besser niemandem, was los ist. Wir müssen niemanden beunruhigen, solange wir nichts Genaueres wissen.“
Ian konnte sehen, wie sich Protest im Kopf seiner Schwester formte, aber mit einem langsamen Nicken stimmte sie zu.
Das Gefängnis war nicht weit von der Empfangshalle auf dem Messegelände entfernt und Ian und die anderen stürmten im Handumdrehen durch die Türen hinein.
Der Beamte an der Rezeption hob den Blick, als die drei Männer in das Gebäude vordrangen. In der Sekunde, in der sein Blick auf Dale fiel, entspannten sich seine Schultern und freundschaftliche Vertrautheit leuchtete in seinen Augen. „Was führt dich zu dieser Stunde hierher?“
„Wir sind wegen einer Freundin hier.“
Der Kopf des Beamten nahm die Männer zu beiden Seiten von Dale wahr, die beide ihren Abzeichen an ihren Gürteln befestigt hatten. Der ältere Mann konzentrierte sich auf D.J., runzelte die Stirn und verengte seinen Blick. „Farraday?“
DJ nickte, aber das Lächeln war gezwungen. Er war nicht in Stimmung für Smalltalk und Ian verstand warum.
Als er sich Ians Texas-Ranger-Abzeichen zuwandte entspannte sich die steife Haltung des Beamten jedoch nicht. „Wen haben wir in Gewahrsam, der rechtfertigt, dass uns zwei ehemalige Polizisten aus Dallas und ein Ranger einen Besuch abstatten?“
„Kelly Morgan“, antwortete D.J., dessen Haltung viel lockerer und freundlicher war, als die des Mannes hinter dem Schreibtisch.
„Morgan“, murmelte der Beamte und tippte auf einer Tastatur. „Der Fall von Trunkenheit am Steuer?“ Sein Gesichtsausdruck wechselte von territorialer Arroganz zu totaler Verwirrung.
„Sie ist eine Freundin“, wiederholte Dale mit einem beiläufigen Achselzucken. „Wer war der festnehmende Beamte?“
„Cavanaugh.“
Aus dem schnellen Kopfnicken von Dale, das dem von D.J. glich, ging Ian davon aus, dass dies Kumpelsprache für Damit können wir arbeiten war.
„Können wir sie sehen?“, fragte D.J..
Der Beamte musterte die Männer, blickte zu Dale und zuckte mit den Schultern. „Ihr kennt die Routine.“
Diesmal war Dales Grinsen eher das eines Freundes. „Danke Jack.“
Vom Eingangsbereich des Gebäudes bis zu der Zelle, wo Kelly und ein paar andere fehlgeleitete Seelen und mindestens ein paar leichte Mädchen warteten, war es nur ein kurzer Weg. Selbst wenn er Kelly nicht vor kurzem auf dem Empfang gesehen hätte, wäre sie leicht zu erkennen gewesen. Wenn sie sich noch dichter an die hintere Wand drückte, würde sie eins mit ihr werden. Die Begeisterung in ihren Augen als sie D.J. erblickte, ließ Ian wünschen, jemand hätte sie daran gehindert, allein nach Hause zu fahren.
„Du bist hier“, sagte sie, als sie sich den kalten Metallstäben näherte. „Kann ich hier jetzt raus?“ Diesmal konnte ihre schwache Stimme die Angst nicht verbergen.
D.J. deutete mit einem Daumen über die Schulter zu Ian. „Es zahlt sich aus, Freunde in hohen Positionen zu haben.“
Erleichterte und dankbare Augen richteten sich auf Ian. „Wenn das ja bedeutet, schulde ich dir mein erstgeborenes Kind.
Wenigstens hatte sie noch Humor. „Das wird nicht nötig sein.“ Zumal ihre Freiheit ihren Preis hatte. Mindestens für die nächsten vierundzwanzig Stunden würde sich eine gewisse Kelly Morgan in seinem Gewahrsam befinden.