Owens widerwilliges Glück
Kapitel Eins
An manchen Tagen wünschte sich Owen Michael Farraday, er könnte einfach auf sein Hemd klopfen und Scotty sagen, er solle ihn hochbeamen. Wobei natürlich die Familienranch in Oklahoma das Mutterschiff sein musste. Im Idealfall wäre das Hochbeamen auch eher wie bei der TV-Hexe, die mit der Nase wackelte und sofort an einem anderen Ort war. Dann wäre das Pendeln zwischen zwei Bundesstaaten nicht so anstrengend.
Die lange, heiße Dusche war ein kleines Stück vom Himmel gewesen. Nach der fast siebenstündigen Fahrt zum Haus der Familie in Oklahoma hatte ihm sein Rücken klar gemacht, dass Pendeln zwischen Oklahoma und Texas trotz des Komforts seines schönen neuen Pickups zu anstrengend wurde. Die moderne Welt war so weit fortgeschritten. Man konnte ohne Tastatur mit Computern sprechen, von überall auf der Welt sofort über Mobiltelefone kommunizieren – und dabei per Video-Call sogar die lächelnden Gesichter der Gesprächspartner sehen. Wie schwierig wäre es also, neben diesen und weiteren Science-Fiction-Erfindungen, auch Hochgeschwindigkeitsreisen zu verwirklichen? Aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, gewann das Leben und Arbeiten in Texas und die Abgabe der Projekte in Oklahoma immer mehr an Reiz. Vor allem, wenn er an die ständigen Fahrten und die stetigen Versuche dachte, seine Mutter bei Laune zu halten, während er hier war.
In der Zwischenzeit war es ihm, dank all der wunderbaren Fortschritte der modernen Technologie, zumindest gelungen, mehrere Telefonanrufe zu tätigen, um zwei der laufenden Renovierungsarbeiten in Oklahoma wieder auf die richtigen Bahnen zu lenken. Obwohl er seine Geschäfte lieber von einem bequemen ergonomischen Stuhl aus erledigte – ja, so alt war er schon geworden –, war Fortschritt beim Autofahren immer noch Fortschritt. Die Bautrupps der Farraday Brothers Construction gehörten zu den Besten und waren in der Lage, ihre Arbeit zu erledigen, ohne dass er oder seine Brüder sie bis ins kleinste Detail beaufsichtigen mussten. Wenn er nur dasselbe über einige ihrer Subunternehmer sagen könnte.
Speziell eine davon war Ursache für beide Telefonanrufe. Eine der von ihnen beauftragten Innenarchitektinnen hatte die unangenehme Angewohnheit, bei ihrer Arbeit das Budget zu überschreiten. Die Frau hatte überhaupt kein Gespür für Zahlen, aber bei den Renovierungsarbeiten im Chez Gerard, einem der exklusivsten Restaurants im gesamten Bundesstaat Oklahoma, musste sie den Verstand verloren haben. Farraday Brothers Construction hatte es geschafft, sich bei diesem Projekt gegen fünf der besten Konkurrenten durchzusetzen. Der Spielraum war knapp und im Gegensatz zu den meisten anderen Projekten war das Notfallbudget so gut wie nicht vorhanden. Sein Bruder Neil hatte darauf bestanden, dass Constance Swenson die richtige Wahl wäre. Wenn man bedachte, wie oft Owen sich mit ihr wegen der Zahlen streiten musste, war er nicht ganz davon überzeugt, dass sie dafür geeignet war. Nach mehreren Anrufen bei ihrem Buchhalter, der Möbelgalerie und dem Logistikunternehmen, das für die Lieferung der importierten Stühle – speziell aus Frankreich – verantwortlich war, würde es ihm nichts ausmachen, ihr ihren hübschen kleinen Hals umzudrehen. Aber würde er das tun, wären sich seine Mutter und Tante Eileen einig: Sie würden ihn beide umbringen.
Nun lag es an ihm und seinen Brüdern, einen Weg zu finden, die unerwarteten Kosten für importierte Restaurantstühle auszugleichen. Er trocknete sich mit einem Handtuch die Haare, schüttelte den Kopf und fragte sich: Was war falsch an Made in the U.S.A.?
Das Geräusch von Stiefelabsätzen, die die Holzstufen des alten Ranchhauses hinaufstapften, hallte durch den Flur. Er hatte immer gedacht, dass das Zuhause seiner Familie ein gemütlicher Ort sei, aber es konnte dem Haus seines Onkels Sean nicht das Wasser reichen.
„Es wurde auch Zeit, dass du kommst.“ Die Stimme seines eineiigen Zwillingsbruders Paxton dröhnte vom Ende des Flurs zu ihm herein. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
Als sein Bruder mit ein paar langen Schritten sein Zimmer durchquerte, wickelte Owen sich das Handtuch um die Hüften und riss die Badezimmertür auf. „Wofür?“
„Das morgige Designtreffen für das neue Geisterhotel wurde auf heute verschoben.“
„Wir müssen wirklich einen neuen Namen für den Laden finden. Man kann diesen Abschnitt der Dreharbeiten über die Renovierung der Geisterstadt nicht Geisterhotel nennen.“
„Ich verstehe nicht, warum nicht.“ Pax zuckte mit den Schultern. „Jedenfalls ist Neil immer noch in Tuckers Bluff, also musst du dich mit Harriet treffen. Glücklicherweise ist dies nur das Treffen für die Vorprüfung. Wir gehen die von Neil erstellten Pläne und das von dir angesetzte Budget durch, zeigen ein paar Fotos des Nicht-Geisterhotels und besprechen die Richtung, in die wir gehen wollen.“
Dem Himmel sei Dank hatte Neil nicht auf diese Frau bestanden, die ihm Kopfschmerzen in der Größe des Staates Texas bereitet hatte. „Warum ich?“
„Ich habe es dir gesagt. Neil ist immer noch in Texas und du bist hier.“
„Du ebenfalls.“ Warum sein Bruder wollte, dass er sich mit dem Designteam traf, war ihm ein Rätsel. Er war der Mann für die Zahlen. „Du bist Landschaftsarchitekt und sie ist Innenarchitektin. Ihr beide sprecht wahrscheinlich dieselbe Sprache.“
„Pflanzen und Tapeten haben nichts miteinander zu tun.“
„Ihr seid beide kreativ. Bei mir dreht sich alles um Zahlen und Tabellenkalkulationen. Du sprichst ihre Sprache.“
„Wenn ich die Bestellung für das Projekt in Downtown nicht abholen müsste, würde ich es tun. Aber letztes Mal hat uns die Gärtnerei mit zu vielen minderwertigen Pflanzen versorgt. Wenn sie das hier auch vermasseln, war’s das für sie. Auch wenn das bedeutet, ins nächste County fahren zu müssen, um eine anständige Gärtnerei zu finden. Ich habe also keine Zeit, hin und her zu fahren, wenn sie heute noch einmal versuchen, uns Müll anzudrehen. Also muss ich mit der Crew zum Abholen fahren und der Gärtnerei zeigen, mit wem sie es zu tun hat.“
Na gut, er würde für seinen Bruder einspringen. Das wäre nicht das erste oder letzte Mal, dass ein Anbieter versuchte sie übers Ohr zu hauen, wenn er dachte, sie würden nicht mehr nachprüfen. Trotzdem. „Warum die Eile? Warum nicht wie geplant morgen?“
Paxton zuckte mit den Schultern und ließ ein schiefes Grinsen aufblitzen, das ein Lächeln sein sollte. Noch bevor sein Zwilling den Mund öffnete, wusste Owen, dass ihm nicht gefallen würde, was Pax zu sagen hatte. „Etwas über einen festen Termin für eine Mani- und Pediküre und den Wunsch, ihren Platz nicht zu verlieren.“
Hatte sein Bruder das wirklich gerade zu ihm gesagt? Paxton wollte, dass Owen seine Mutter versetzt und Neils Arbeit erledigt, weil die Lady ihre Zehen lackiert haben wollte?
„Schau mich nicht so an.“ Paxton hob seine Hand. „Ich diskutiere nicht mit einer Frau wegen ihrer Schönheitsroutine.“
„Harriet ist so alt wie Mom. Welche Schönheitsroutine?“
„Wir fragen nicht, wir zagen nicht ...“
Gott, er hasste es, wenn sein Bruder dieses Zitat benutzte. Unweigerlich führte es immer dazu, dass er sich auf etwas einlassen würde, was er nicht tun wollte – so wie heute. „Gehorchen ist unsere einzige Pflicht.“
„Wenn du dich dadurch besser fühlst, Tammy hat zwar keine Zeit, nach Texas zu pendeln, aber sie wird an der Besprechung teilnehmen.“
Das zauberte ihm ein Lächeln ins Gesicht. Er und Tammy waren schon so lange befreundet, dass er den Überblick verloren hatte, und seit sich die Construction Cousins für die Reality-TV-Serie auf die Renovierung der alten Geisterstadt eingelassen hatten, hatte er sie nicht mehr gesehen. Sie hatten ein oder zwei Mal versucht, ob mehr aus ihnen werden könnte, waren aber immer zum gleichen Schluss gekommen: Sie waren bessere Freunde als Liebende. „Es wird schön sein, sie zu sehen.“
„Also gehst du?“ Ein aufrichtiges Grinsen erschien auf den Lippen seines Bruders.
„Du weißt, dass ich das werde, aber dir ist auch klar, dass Mom gerade in der Küche jedes meiner Lieblingsgerichte kocht. Sie erwartet, dass ich den Rest des Nachmittags mit ihr verbringe. Wenn ich jetzt gehe, wird sie mehr als nur sauer sein. Ich möchte gar nicht an ihre Reaktion denken, wenn sie erfährt, dass ich nur ein paar Tage in Oklahoma bleibe. Ich muss am Montag zurück in Tuckers Bluff sein, um die Änderungen mit dem Filmteam zu besprechen, und dann muss ich mit Neil die Details für das Geisterstadt-Event durchgehen. Du weißt, wie aufgebracht Mom wegen all der Zeit ist, die wir nicht zu Hause verbringen. Seit sie erfahren hat, dass wir in Tuckers Bluff rumhängen, ist sie fast unmöglich.“ Er hatte keinem seiner Brüder erzählt, wie oft seine Mutter ihm Nachrichten mit Ausreden geschickt hatte, warum er schnell nach Hause kommen müsste. Er hatte keine Ahnung, warum sie gerade ihn dazu auserkoren hatte, aber soweit er wusste, sagte sie zu den anderen Brüdern kaum etwas.
Pax legte seine Hand in seinen Nacken, schüttelte den Kopf und ließ sich auf die Ecke des Bettes sinken. „Ich schwöre, irgendetwas an Texas bringt das Schlimmste in unserer Mutter zum Vorschein. Sie hat zwanzig Minuten damit verbracht, darüber zu reden, dass Neil und Morgan sie verlassen haben, und ich werde nicht wiederholen, was sie über Tuckers Bluff gesagt hat.“
„Nichts, was wir nicht schon tausendmal gehört haben.“ Allerdings wünschte er sich wirklich, dass jemand eine Ahnung hätte, warum ihre Mutter Texas und die anderen Zweige der Farradays mehr hasste als Einkommenssteuern.
Pax stand auf. „Jetzt, wo wir das geklärt haben. Du triffst dich mit Harriet und ich fahre in die Gärtnerei.“
„Nicht so schnell.“ Er schnappte sich ein Hemd aus dem Schrank. „Ich vertrete Neil, aber du sagst Mom, dass ich gehen muss.“
„Fies.“ Pax seufzte. „Gut. Aber du schuldest mir etwas.“
Owen verdrehte lediglich die Augen und warf das Handtuch in den Wäschekorb. Was würde heute wohl noch schief gehen?
* * *
„Oh Gott, was für eine Schönheit.“ Connie stand im Büro ihrer Freundin und Kollegin Tammy und bewunderte den fast unversehrten Mahagonitisch, den Tammy bei einer Haushaltsauflösung gefunden hatte. Hin und wieder stießen sie an den überraschendsten Orten auf das perfekte Möbelstück. „Ich liebe es, wenn wir ein Schnäppchen finden, das haargenau passt. Dieser schreckliche silberne Kandelaber, den Mrs. Benson so liebt, wird auf diesem Tisch großartig aussehen.“
„Dem Himmel sei Dank. Ich gebe offen zu, dass es mir schwerfiel, dieses kitschige Ding zu präsentieren, ohne den ganzen Raum wie ein Bühnenbild für einen schlechten Horrorfilm wirken zu lassen. Aber vor allem bin ich einfach froh, dass der Tisch dabei hilft, das Budget auszugleichen. Wir hatten tausend Dollar für dieses Stück. Jetzt kann ich die ungenutzten achthundert umschichten, um die Mehrkosten für den Kronleuchter zu tilgen.“ Tammy drehte sich um und holte eine silberne Einkaufstüte hervor. „Da ich nicht den ganzen Nachmittag damit verbringen musste, die Stadt nach diesem Stück abzusuchen, habe ich ein paar Minuten in der neuen Boutique in der Fillmore Street Halt gemacht.“
Connie war so damit beschäftigt gewesen, diesem arroganten französischen Koch alles zu geben, was er wollte, und alle davon zu überzeugen, dass sie die Ausgaben für Gerards schickes Restaurant unter Kontrolle hatte, dass sie keinen Moment Zeit gehabt hatte, um sich den neuesten Laden im Künstlerviertel der Stadt anzusehen.
„Was denkst du?“ Tammy hielt ein kurzes, enganliegendes Kleid in einem wunderschönen Azurblauton in der Hand.
„Oh mein Gott.“ Sie streckte die Hand aus, um die zarte Perlenstickerei zu berühren.
Tammy runzelte die Stirn. „Ist das gut oder schlecht?“
„Gut. Bei deiner Figur wird das Kleid umwerfend an dir aussehen.“
Das Gesicht ihrer Kollegin leuchtete vor Freude auf. „Danke!“
„Vielleicht leihe ich mir eines Tages dieses kleine Ding von dir aus.“ Es hatte Vorteile, gute Freundinnen zu haben, die genauso groß waren wie man selbst. Sie und ihre Freundin hatten sich im Laufe der Jahre schon des Öfteren formelle Kleider geliehen. Was ihr Budget sehr zu schätzen wusste.
Tammy drückte das Kleid an sich und wirbelte herum. „Jetzt brauche ich nur noch einen Ort, an dem ich es tragen kann.“
„Ich habe gehört, dass Owen Farraday wieder in der Stadt ist. Ich bezweifle, dass es großer Überredungskunst bedarf, ihn dazu zu bringen, dich an einen Ort zu bringen, der dieses Kleides würdig ist.“
Tammy runzelte die Stirn, bevor sie seufzte. „Das denke ich auch, aber es wäre eine Schande, dieses Kleid an einen Freund zu verschwenden. Dieses Schmuckstück verdient ein ehrliches Date mit einem Mann, der dir einen Gute-Nacht-Kuss gibt und dir Schmetterlinge im Bauch bereitet.“
„Willst du mir sagen, dass Owen ein mieser Küsser ist?“ Connie konnte das kaum glauben. All diese Farradays waren aus demselben Holz geschnitzt und viele Frauen würden töten, um Zeit alleine mit einem davon zu verbringen. Andererseits war gutes Aussehen keine Garantie für irgendetwas anderes.
„Das habe ich nicht gesagt, aber für mich ist da kein Knistern, keine Magie. Es ist fast so, als würde man seinen Bruder küssen.“
„Ihh.“ Connie hatte das eigentlich nicht laut sagen wollen, aber die Worte verursachten bei ihr Gänsehaut, und das nicht auf eine gute Art und Weise. Allerdings hatte sie immer geglaubt, dass Tammy Owen immer noch mehr mochte, als sie zugab, und dass es Mr. Pfennigfuchser war, der ihre kurzen romantischen Liebschaften beendet hatte. Ein weiterer Grund, von Mr. Owen Farraday nicht begeistert zu sein.
Tammy kicherte und schüttelte den Kopf, ein weiterer Beweis dafür, dass sie dem Kerl immer noch nachschmachtete. Tammy drehte sich noch einmal herum und packte das Kleid ordentlich zurück in die Tasche. „Irgendwann. Wann musst du wieder im Restaurant sein?“
„Muss ich nicht.“ Die Last-Minute-Gnadenfrist bis zu einem weiteren Treffen mit den Restaurantleuten und wahrscheinlich dem Farraday-Buchhalter war ein wahrer Segen. Chez Gerard hatte sich als einer der anspruchsvollsten Jobs erwiesen, die sie seit langem gemacht hatte. Nicht, dass sich dieses Projekt von anderen kommerziellen Unternehmungen unterschied. Sie musste lediglich auf die harte Tour lernen, dass die Franzosen eine andere Sicht auf das Leben hatten. Manchmal machte es schon Spaß, aber manchmal, wie beim Fiasko um die Stühle, nicht so sehr. „Anscheinend geht eine Grippe um und er hat nur noch die Hälfte des Küchenpersonals, weshalb sie doppelt so viel Arbeit zu erledigen haben. Gerard möchte nicht, dass jemand, der nicht kocht, Platz wegnimmt.“
„Platz wegnimmt?“ Tammy kicherte. „Wie nett von ihm.“
„Nun, er hatte es vielleicht etwas anders ausgedrückt, aber ich habe die Botschaft trotzdem verstanden.“
„Ich muss zugeben, ich glaube nicht, dass mir dieser Mann besonders am Herzen liegt.“ Tammy zuckte mit den Schultern. „Aber andererseits ist es kein Geheimnis, dass er uns auch nicht besonders mag. Ich schätze also, damit wären wir quitt.“
Connie kicherte. „Das ist eine Möglichkeit, es zu betrachten.“
„Verdammt.“ Tammy war auf allen Vieren vor einem Schrank in ihrem Büro, kramte den Inhalt aus den Regalen und legte ihn neben sich auf den Boden. „Ich weiß, dass ich diese Muster hier irgendwo reingeschoben habe. Sie sind in einer Plastiktüte aus dem Design Loft.“
„Lass mich helfen.“ Obwohl sich der Schrank, den Tammy durchsuchte, in ihrem Büro befand, wurde er von allen Mitarbeitern zur Aufbewahrung von Produktproben und Projektresten genutzt.
Das Problem bestand natürlich darin, dass sich der Vorrat an Kleinigkeiten in den Eingeweiden der Unterschränke mit jedem abgeschlossenen Projekt in besorgniserregendem Tempo vervielfachte.
Tammy stand auf. „Man sollte meinen, Harriet könnte sich ausziehbare Regale leisten. Ich werde zu alt, um auf den Knien nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen.“
Wenn Tammy, die fünf Jahre jünger als Connie war, sich für zu alt hielt, dann war Connie eine wandelnde Leiche. „Wo ist Harriet?“
„Sie wollte sich schnell einen Burger holen. Sollte jeden Moment zurück sein.“ Tammy stand auf und klopfte sich den Staub von den Händen. Sie seufzte. „Vielleicht sind sie im Pausenraum.“
„Gute Idee.“ Noch immer auf allen Vieren, nachdem sie zum nächsten Schrank gekrabbelt war, winkte Connie ihrer Freundin zu. „Such du dort und ich mache hier weiter.“
„Klingt nach einem Plan. Danke.“
Connie steckte den Kopf tief in die unteren Schränke und warf Farbmuster, Päckchen mit Fugenmörtel, Holzbodenproben und Vinylbodenstreifen auf den Boden. Sie war überzeugt, dass sie jeden Moment auf ein Einhorn stoßen würde.
„Na, hallo, meine Schöne.“
Die tiefe Männerstimme war unerwartet. Sie hatte es kaum geschafft, sich ein paar Zentimeter aus dem Schrank zu lösen, als eine sehr große Hand auf ihrem Hintern landete, wodurch sie nach oben schnellte und mit dem Kopf schmerzhaft gegen die Decke des Schranks knallte. Was zum Teufel?
An manchen Tagen wünschte sich Owen Michael Farraday, er könnte einfach auf sein Hemd klopfen und Scotty sagen, er solle ihn hochbeamen. Wobei natürlich die Familienranch in Oklahoma das Mutterschiff sein musste. Im Idealfall wäre das Hochbeamen auch eher wie bei der TV-Hexe, die mit der Nase wackelte und sofort an einem anderen Ort war. Dann wäre das Pendeln zwischen zwei Bundesstaaten nicht so anstrengend.
Die lange, heiße Dusche war ein kleines Stück vom Himmel gewesen. Nach der fast siebenstündigen Fahrt zum Haus der Familie in Oklahoma hatte ihm sein Rücken klar gemacht, dass Pendeln zwischen Oklahoma und Texas trotz des Komforts seines schönen neuen Pickups zu anstrengend wurde. Die moderne Welt war so weit fortgeschritten. Man konnte ohne Tastatur mit Computern sprechen, von überall auf der Welt sofort über Mobiltelefone kommunizieren – und dabei per Video-Call sogar die lächelnden Gesichter der Gesprächspartner sehen. Wie schwierig wäre es also, neben diesen und weiteren Science-Fiction-Erfindungen, auch Hochgeschwindigkeitsreisen zu verwirklichen? Aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, gewann das Leben und Arbeiten in Texas und die Abgabe der Projekte in Oklahoma immer mehr an Reiz. Vor allem, wenn er an die ständigen Fahrten und die stetigen Versuche dachte, seine Mutter bei Laune zu halten, während er hier war.
In der Zwischenzeit war es ihm, dank all der wunderbaren Fortschritte der modernen Technologie, zumindest gelungen, mehrere Telefonanrufe zu tätigen, um zwei der laufenden Renovierungsarbeiten in Oklahoma wieder auf die richtigen Bahnen zu lenken. Obwohl er seine Geschäfte lieber von einem bequemen ergonomischen Stuhl aus erledigte – ja, so alt war er schon geworden –, war Fortschritt beim Autofahren immer noch Fortschritt. Die Bautrupps der Farraday Brothers Construction gehörten zu den Besten und waren in der Lage, ihre Arbeit zu erledigen, ohne dass er oder seine Brüder sie bis ins kleinste Detail beaufsichtigen mussten. Wenn er nur dasselbe über einige ihrer Subunternehmer sagen könnte.
Speziell eine davon war Ursache für beide Telefonanrufe. Eine der von ihnen beauftragten Innenarchitektinnen hatte die unangenehme Angewohnheit, bei ihrer Arbeit das Budget zu überschreiten. Die Frau hatte überhaupt kein Gespür für Zahlen, aber bei den Renovierungsarbeiten im Chez Gerard, einem der exklusivsten Restaurants im gesamten Bundesstaat Oklahoma, musste sie den Verstand verloren haben. Farraday Brothers Construction hatte es geschafft, sich bei diesem Projekt gegen fünf der besten Konkurrenten durchzusetzen. Der Spielraum war knapp und im Gegensatz zu den meisten anderen Projekten war das Notfallbudget so gut wie nicht vorhanden. Sein Bruder Neil hatte darauf bestanden, dass Constance Swenson die richtige Wahl wäre. Wenn man bedachte, wie oft Owen sich mit ihr wegen der Zahlen streiten musste, war er nicht ganz davon überzeugt, dass sie dafür geeignet war. Nach mehreren Anrufen bei ihrem Buchhalter, der Möbelgalerie und dem Logistikunternehmen, das für die Lieferung der importierten Stühle – speziell aus Frankreich – verantwortlich war, würde es ihm nichts ausmachen, ihr ihren hübschen kleinen Hals umzudrehen. Aber würde er das tun, wären sich seine Mutter und Tante Eileen einig: Sie würden ihn beide umbringen.
Nun lag es an ihm und seinen Brüdern, einen Weg zu finden, die unerwarteten Kosten für importierte Restaurantstühle auszugleichen. Er trocknete sich mit einem Handtuch die Haare, schüttelte den Kopf und fragte sich: Was war falsch an Made in the U.S.A.?
Das Geräusch von Stiefelabsätzen, die die Holzstufen des alten Ranchhauses hinaufstapften, hallte durch den Flur. Er hatte immer gedacht, dass das Zuhause seiner Familie ein gemütlicher Ort sei, aber es konnte dem Haus seines Onkels Sean nicht das Wasser reichen.
„Es wurde auch Zeit, dass du kommst.“ Die Stimme seines eineiigen Zwillingsbruders Paxton dröhnte vom Ende des Flurs zu ihm herein. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
Als sein Bruder mit ein paar langen Schritten sein Zimmer durchquerte, wickelte Owen sich das Handtuch um die Hüften und riss die Badezimmertür auf. „Wofür?“
„Das morgige Designtreffen für das neue Geisterhotel wurde auf heute verschoben.“
„Wir müssen wirklich einen neuen Namen für den Laden finden. Man kann diesen Abschnitt der Dreharbeiten über die Renovierung der Geisterstadt nicht Geisterhotel nennen.“
„Ich verstehe nicht, warum nicht.“ Pax zuckte mit den Schultern. „Jedenfalls ist Neil immer noch in Tuckers Bluff, also musst du dich mit Harriet treffen. Glücklicherweise ist dies nur das Treffen für die Vorprüfung. Wir gehen die von Neil erstellten Pläne und das von dir angesetzte Budget durch, zeigen ein paar Fotos des Nicht-Geisterhotels und besprechen die Richtung, in die wir gehen wollen.“
Dem Himmel sei Dank hatte Neil nicht auf diese Frau bestanden, die ihm Kopfschmerzen in der Größe des Staates Texas bereitet hatte. „Warum ich?“
„Ich habe es dir gesagt. Neil ist immer noch in Texas und du bist hier.“
„Du ebenfalls.“ Warum sein Bruder wollte, dass er sich mit dem Designteam traf, war ihm ein Rätsel. Er war der Mann für die Zahlen. „Du bist Landschaftsarchitekt und sie ist Innenarchitektin. Ihr beide sprecht wahrscheinlich dieselbe Sprache.“
„Pflanzen und Tapeten haben nichts miteinander zu tun.“
„Ihr seid beide kreativ. Bei mir dreht sich alles um Zahlen und Tabellenkalkulationen. Du sprichst ihre Sprache.“
„Wenn ich die Bestellung für das Projekt in Downtown nicht abholen müsste, würde ich es tun. Aber letztes Mal hat uns die Gärtnerei mit zu vielen minderwertigen Pflanzen versorgt. Wenn sie das hier auch vermasseln, war’s das für sie. Auch wenn das bedeutet, ins nächste County fahren zu müssen, um eine anständige Gärtnerei zu finden. Ich habe also keine Zeit, hin und her zu fahren, wenn sie heute noch einmal versuchen, uns Müll anzudrehen. Also muss ich mit der Crew zum Abholen fahren und der Gärtnerei zeigen, mit wem sie es zu tun hat.“
Na gut, er würde für seinen Bruder einspringen. Das wäre nicht das erste oder letzte Mal, dass ein Anbieter versuchte sie übers Ohr zu hauen, wenn er dachte, sie würden nicht mehr nachprüfen. Trotzdem. „Warum die Eile? Warum nicht wie geplant morgen?“
Paxton zuckte mit den Schultern und ließ ein schiefes Grinsen aufblitzen, das ein Lächeln sein sollte. Noch bevor sein Zwilling den Mund öffnete, wusste Owen, dass ihm nicht gefallen würde, was Pax zu sagen hatte. „Etwas über einen festen Termin für eine Mani- und Pediküre und den Wunsch, ihren Platz nicht zu verlieren.“
Hatte sein Bruder das wirklich gerade zu ihm gesagt? Paxton wollte, dass Owen seine Mutter versetzt und Neils Arbeit erledigt, weil die Lady ihre Zehen lackiert haben wollte?
„Schau mich nicht so an.“ Paxton hob seine Hand. „Ich diskutiere nicht mit einer Frau wegen ihrer Schönheitsroutine.“
„Harriet ist so alt wie Mom. Welche Schönheitsroutine?“
„Wir fragen nicht, wir zagen nicht ...“
Gott, er hasste es, wenn sein Bruder dieses Zitat benutzte. Unweigerlich führte es immer dazu, dass er sich auf etwas einlassen würde, was er nicht tun wollte – so wie heute. „Gehorchen ist unsere einzige Pflicht.“
„Wenn du dich dadurch besser fühlst, Tammy hat zwar keine Zeit, nach Texas zu pendeln, aber sie wird an der Besprechung teilnehmen.“
Das zauberte ihm ein Lächeln ins Gesicht. Er und Tammy waren schon so lange befreundet, dass er den Überblick verloren hatte, und seit sich die Construction Cousins für die Reality-TV-Serie auf die Renovierung der alten Geisterstadt eingelassen hatten, hatte er sie nicht mehr gesehen. Sie hatten ein oder zwei Mal versucht, ob mehr aus ihnen werden könnte, waren aber immer zum gleichen Schluss gekommen: Sie waren bessere Freunde als Liebende. „Es wird schön sein, sie zu sehen.“
„Also gehst du?“ Ein aufrichtiges Grinsen erschien auf den Lippen seines Bruders.
„Du weißt, dass ich das werde, aber dir ist auch klar, dass Mom gerade in der Küche jedes meiner Lieblingsgerichte kocht. Sie erwartet, dass ich den Rest des Nachmittags mit ihr verbringe. Wenn ich jetzt gehe, wird sie mehr als nur sauer sein. Ich möchte gar nicht an ihre Reaktion denken, wenn sie erfährt, dass ich nur ein paar Tage in Oklahoma bleibe. Ich muss am Montag zurück in Tuckers Bluff sein, um die Änderungen mit dem Filmteam zu besprechen, und dann muss ich mit Neil die Details für das Geisterstadt-Event durchgehen. Du weißt, wie aufgebracht Mom wegen all der Zeit ist, die wir nicht zu Hause verbringen. Seit sie erfahren hat, dass wir in Tuckers Bluff rumhängen, ist sie fast unmöglich.“ Er hatte keinem seiner Brüder erzählt, wie oft seine Mutter ihm Nachrichten mit Ausreden geschickt hatte, warum er schnell nach Hause kommen müsste. Er hatte keine Ahnung, warum sie gerade ihn dazu auserkoren hatte, aber soweit er wusste, sagte sie zu den anderen Brüdern kaum etwas.
Pax legte seine Hand in seinen Nacken, schüttelte den Kopf und ließ sich auf die Ecke des Bettes sinken. „Ich schwöre, irgendetwas an Texas bringt das Schlimmste in unserer Mutter zum Vorschein. Sie hat zwanzig Minuten damit verbracht, darüber zu reden, dass Neil und Morgan sie verlassen haben, und ich werde nicht wiederholen, was sie über Tuckers Bluff gesagt hat.“
„Nichts, was wir nicht schon tausendmal gehört haben.“ Allerdings wünschte er sich wirklich, dass jemand eine Ahnung hätte, warum ihre Mutter Texas und die anderen Zweige der Farradays mehr hasste als Einkommenssteuern.
Pax stand auf. „Jetzt, wo wir das geklärt haben. Du triffst dich mit Harriet und ich fahre in die Gärtnerei.“
„Nicht so schnell.“ Er schnappte sich ein Hemd aus dem Schrank. „Ich vertrete Neil, aber du sagst Mom, dass ich gehen muss.“
„Fies.“ Pax seufzte. „Gut. Aber du schuldest mir etwas.“
Owen verdrehte lediglich die Augen und warf das Handtuch in den Wäschekorb. Was würde heute wohl noch schief gehen?
* * *
„Oh Gott, was für eine Schönheit.“ Connie stand im Büro ihrer Freundin und Kollegin Tammy und bewunderte den fast unversehrten Mahagonitisch, den Tammy bei einer Haushaltsauflösung gefunden hatte. Hin und wieder stießen sie an den überraschendsten Orten auf das perfekte Möbelstück. „Ich liebe es, wenn wir ein Schnäppchen finden, das haargenau passt. Dieser schreckliche silberne Kandelaber, den Mrs. Benson so liebt, wird auf diesem Tisch großartig aussehen.“
„Dem Himmel sei Dank. Ich gebe offen zu, dass es mir schwerfiel, dieses kitschige Ding zu präsentieren, ohne den ganzen Raum wie ein Bühnenbild für einen schlechten Horrorfilm wirken zu lassen. Aber vor allem bin ich einfach froh, dass der Tisch dabei hilft, das Budget auszugleichen. Wir hatten tausend Dollar für dieses Stück. Jetzt kann ich die ungenutzten achthundert umschichten, um die Mehrkosten für den Kronleuchter zu tilgen.“ Tammy drehte sich um und holte eine silberne Einkaufstüte hervor. „Da ich nicht den ganzen Nachmittag damit verbringen musste, die Stadt nach diesem Stück abzusuchen, habe ich ein paar Minuten in der neuen Boutique in der Fillmore Street Halt gemacht.“
Connie war so damit beschäftigt gewesen, diesem arroganten französischen Koch alles zu geben, was er wollte, und alle davon zu überzeugen, dass sie die Ausgaben für Gerards schickes Restaurant unter Kontrolle hatte, dass sie keinen Moment Zeit gehabt hatte, um sich den neuesten Laden im Künstlerviertel der Stadt anzusehen.
„Was denkst du?“ Tammy hielt ein kurzes, enganliegendes Kleid in einem wunderschönen Azurblauton in der Hand.
„Oh mein Gott.“ Sie streckte die Hand aus, um die zarte Perlenstickerei zu berühren.
Tammy runzelte die Stirn. „Ist das gut oder schlecht?“
„Gut. Bei deiner Figur wird das Kleid umwerfend an dir aussehen.“
Das Gesicht ihrer Kollegin leuchtete vor Freude auf. „Danke!“
„Vielleicht leihe ich mir eines Tages dieses kleine Ding von dir aus.“ Es hatte Vorteile, gute Freundinnen zu haben, die genauso groß waren wie man selbst. Sie und ihre Freundin hatten sich im Laufe der Jahre schon des Öfteren formelle Kleider geliehen. Was ihr Budget sehr zu schätzen wusste.
Tammy drückte das Kleid an sich und wirbelte herum. „Jetzt brauche ich nur noch einen Ort, an dem ich es tragen kann.“
„Ich habe gehört, dass Owen Farraday wieder in der Stadt ist. Ich bezweifle, dass es großer Überredungskunst bedarf, ihn dazu zu bringen, dich an einen Ort zu bringen, der dieses Kleides würdig ist.“
Tammy runzelte die Stirn, bevor sie seufzte. „Das denke ich auch, aber es wäre eine Schande, dieses Kleid an einen Freund zu verschwenden. Dieses Schmuckstück verdient ein ehrliches Date mit einem Mann, der dir einen Gute-Nacht-Kuss gibt und dir Schmetterlinge im Bauch bereitet.“
„Willst du mir sagen, dass Owen ein mieser Küsser ist?“ Connie konnte das kaum glauben. All diese Farradays waren aus demselben Holz geschnitzt und viele Frauen würden töten, um Zeit alleine mit einem davon zu verbringen. Andererseits war gutes Aussehen keine Garantie für irgendetwas anderes.
„Das habe ich nicht gesagt, aber für mich ist da kein Knistern, keine Magie. Es ist fast so, als würde man seinen Bruder küssen.“
„Ihh.“ Connie hatte das eigentlich nicht laut sagen wollen, aber die Worte verursachten bei ihr Gänsehaut, und das nicht auf eine gute Art und Weise. Allerdings hatte sie immer geglaubt, dass Tammy Owen immer noch mehr mochte, als sie zugab, und dass es Mr. Pfennigfuchser war, der ihre kurzen romantischen Liebschaften beendet hatte. Ein weiterer Grund, von Mr. Owen Farraday nicht begeistert zu sein.
Tammy kicherte und schüttelte den Kopf, ein weiterer Beweis dafür, dass sie dem Kerl immer noch nachschmachtete. Tammy drehte sich noch einmal herum und packte das Kleid ordentlich zurück in die Tasche. „Irgendwann. Wann musst du wieder im Restaurant sein?“
„Muss ich nicht.“ Die Last-Minute-Gnadenfrist bis zu einem weiteren Treffen mit den Restaurantleuten und wahrscheinlich dem Farraday-Buchhalter war ein wahrer Segen. Chez Gerard hatte sich als einer der anspruchsvollsten Jobs erwiesen, die sie seit langem gemacht hatte. Nicht, dass sich dieses Projekt von anderen kommerziellen Unternehmungen unterschied. Sie musste lediglich auf die harte Tour lernen, dass die Franzosen eine andere Sicht auf das Leben hatten. Manchmal machte es schon Spaß, aber manchmal, wie beim Fiasko um die Stühle, nicht so sehr. „Anscheinend geht eine Grippe um und er hat nur noch die Hälfte des Küchenpersonals, weshalb sie doppelt so viel Arbeit zu erledigen haben. Gerard möchte nicht, dass jemand, der nicht kocht, Platz wegnimmt.“
„Platz wegnimmt?“ Tammy kicherte. „Wie nett von ihm.“
„Nun, er hatte es vielleicht etwas anders ausgedrückt, aber ich habe die Botschaft trotzdem verstanden.“
„Ich muss zugeben, ich glaube nicht, dass mir dieser Mann besonders am Herzen liegt.“ Tammy zuckte mit den Schultern. „Aber andererseits ist es kein Geheimnis, dass er uns auch nicht besonders mag. Ich schätze also, damit wären wir quitt.“
Connie kicherte. „Das ist eine Möglichkeit, es zu betrachten.“
„Verdammt.“ Tammy war auf allen Vieren vor einem Schrank in ihrem Büro, kramte den Inhalt aus den Regalen und legte ihn neben sich auf den Boden. „Ich weiß, dass ich diese Muster hier irgendwo reingeschoben habe. Sie sind in einer Plastiktüte aus dem Design Loft.“
„Lass mich helfen.“ Obwohl sich der Schrank, den Tammy durchsuchte, in ihrem Büro befand, wurde er von allen Mitarbeitern zur Aufbewahrung von Produktproben und Projektresten genutzt.
Das Problem bestand natürlich darin, dass sich der Vorrat an Kleinigkeiten in den Eingeweiden der Unterschränke mit jedem abgeschlossenen Projekt in besorgniserregendem Tempo vervielfachte.
Tammy stand auf. „Man sollte meinen, Harriet könnte sich ausziehbare Regale leisten. Ich werde zu alt, um auf den Knien nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen.“
Wenn Tammy, die fünf Jahre jünger als Connie war, sich für zu alt hielt, dann war Connie eine wandelnde Leiche. „Wo ist Harriet?“
„Sie wollte sich schnell einen Burger holen. Sollte jeden Moment zurück sein.“ Tammy stand auf und klopfte sich den Staub von den Händen. Sie seufzte. „Vielleicht sind sie im Pausenraum.“
„Gute Idee.“ Noch immer auf allen Vieren, nachdem sie zum nächsten Schrank gekrabbelt war, winkte Connie ihrer Freundin zu. „Such du dort und ich mache hier weiter.“
„Klingt nach einem Plan. Danke.“
Connie steckte den Kopf tief in die unteren Schränke und warf Farbmuster, Päckchen mit Fugenmörtel, Holzbodenproben und Vinylbodenstreifen auf den Boden. Sie war überzeugt, dass sie jeden Moment auf ein Einhorn stoßen würde.
„Na, hallo, meine Schöne.“
Die tiefe Männerstimme war unerwartet. Sie hatte es kaum geschafft, sich ein paar Zentimeter aus dem Schrank zu lösen, als eine sehr große Hand auf ihrem Hintern landete, wodurch sie nach oben schnellte und mit dem Kopf schmerzhaft gegen die Decke des Schranks knallte. Was zum Teufel?